Leitsatz (amtlich)
1. Der Versicherungsnehmer einer privaten Krankenversicherung kann die materielle Unwirksamkeit einer Beitragserhöhung auch allein mit der Behauptung angreifen, die von dem Versicherer zu treffende Ermessensentscheidung über die Verwendung von Limitierungsmitteln sei fehlerhaft.
2. Die Beweislast für die materielle Richtigkeit der Beitragserhöhung trägt der Versicherer; auf der ersten Stufe der Darlegungslast genügt er ihr mit der Vorlage der an den Treuhänder ausgereichten Unterlagen, eine laienverständliche Erläuterung der Berechnungen schuldet er nicht.
3. Es ist dann Sache des Versicherungsnehmers, ggf. unter Beiziehung eines Privatgutachtens, seine Einwendungen zu konkretisieren.
Verfahrensgang
LG Leipzig (Aktenzeichen 03 O 695/22) |
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichtes Leipzig vom 11.05.2023 - 3 O 695/22 - wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Das Urteil sowie das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf bis zu 8.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Kläger begehrt die Feststellung der Unwirksamkeit von Beitragserhöhungen seiner bei der Beklagten gehaltenen privaten Krankenversicherung.
Er beanstandet die formelle und materielle Wirksamkeit und meint u.a., dem Treuhänder seien bei der Prüfung nicht alle Unterlagen für die Überprüfung der Verwendung von Mitteln für die Rückstellung der Beitragsrückerstattungen vorgelegt worden, so dass die Verwendung der Limitierungsmittel nicht habe überprüft werden können. Es bestünden substanzielle Zweifel daran, dass die Treuhänderprüfung ordnungsgemäß durchgeführt worden sei. Die rechnerische Richtigkeit der Kalkulation werde nicht bestritten, eines Versicherungsmathematikers bedürfe es nicht. Des Weiteren sei eine Erhöhung der Prämie bei gesunkenen Leistungsausgaben nicht möglich.
Die Beklagte behauptet, den Treuhändern seien alle notwendigen Unterlagen vorgelegt worden. Die Prämienanpassungen seien wirksam.
Das Landgericht hat die Klage mit Urteil vom 11.05.2023 - auf das wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen wird - abgewiesen.
Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers. Der materielle Angriff werde einzig darauf beschränkt, dass dem Treuhänder nicht sämtliche zur Prüfung der ordnungsgemäßen Verwendung der Limitierungsmittel notwendigen Unterlagen vorgelegt worden seien. Dafür trage die Beklagte die Beweislast. Zum Inhalt der von der Beklagten vorgelegten Unterlagen könne nicht Stellung genommen werden, da diese einzig der zur Geheimhaltung verpflichteten Rechtsanwältin, die in Untervollmacht aufgetreten sein, vorliegen. Es bedürfe aber auch keiner konkreten Darlegung durch den Kläger. Vielmehr müsse der Beklagte vortragen, wie die Limitierungsmittel verteilt worden seien. Es sei eine vollumfängliche Überprüfung der Treuhänderunterlagen erforderlich. Für die Limitierungsmittelvergabe existiere kein mathematisches Formelwerk. Es handele sich bei der Treuhänderprüfung um zwei Vorgänge und der Kläger stelle die aktuarielle und gesetzliche Richtigkeit des zweiten Vorgangs in Abrede. Darüber hinaus sei die Beitragserhöhung zum 01.01.2019 im Tarif ZZ20 und 01.01.2020 im Tarif SZ1 bei gesunkenen Leistungsausgaben unwirksam. Jedenfalls fehle es insoweit an einer ausreichenden Begründung.
Der Kläger beantragt:
1) Es wird festgestellt, dass folgende Neufestsetzungen der Prämien in der zwischen der Klägerseite und der Beklagten bestehenden Kranken-/Pflegeversicherung mit der Versicherungsnummer KV0000000 unwirksam sind:
a) im Tarif TA6 die Erhöhung zum 01.01.2018 in Höhe von 2,91 EUR, b) im Tarif TA6 die Erhöhung zum 01.01.2019 in Höhe von 1,66 EUR, c) im Tarif ZZ20 die Erhöhung zum 01.01.2019 in Höhe von 0,08 EUR, d) im Tarif TOPH die Erhöhung zum 01.01.2020 in Höhe von 2,81 EUR, e) im Tarif TOP die Erhöhung zum 01.01.2020 in Höhe von 67,22 EUR, f) im Tarif SZ1 die Erhöhung zum 01.01.2020 in Höhe von 10,37 EUR, g) im Tarif TOPH die Erhöhung zum 01.01.2021 in Höhe von 3,57 EUR, und die Klägerseite nicht zur Zahlung des jeweiligen Erhöhungsbetrages verpflichtet sowie der Gesamtbeitrag unter Berücksichtigung der erfolgten Absenkungen, um insgesamt 88,62 EUR zu reduzieren ist.
2) Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerseite 4.089,48 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
3) Es wird festgestellt, dass die Beklagte
a) der Klägerseite zur Herausgabe der Nutzungen verpflichtet ist, die sie aus dem Prämienanteil gezogen hat, den die Klägerseite auf die unter 1) aufgeführten Beitragserhöhungen gezahlt hat,
b) die nach 3a) herauszugebenden Nutzungen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu verzinsen hat.
4) Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerseite einen Betrag in Höhe von 1.054,10 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigk...