Leitsatz (amtlich)
Der Ausschluss von § 545 BGB ist nicht nur individualvertraglich, sondern auch formularvertraglich wirksam möglich.
Es ist unabhängig vom Vorliegen der Voraussetzungen des § 545 BGB möglich, dass die Parteien nach Beendigung eines Mietverhältnisses konkludent eines neuen Mietverhältnisses auf unbestimmte Zeit auf der Grundlage des beendeten Mietverhältnisses begründen, wenn sich nämlich im Einzelfall feststellen lässt, dass dies dem zum Ausdruck gekommenen übereinstimmenden Willen der Parteien und deren Interesse entspricht. Eine solche konkludente Einigung wird in der Rechtsprechung regelmäßig dann angenommen, wenn das Mietverhältnis nach dessen Beendigung für einen längeren Zeitraum weiterhin "gelebt" wurde, also widerspruchslos zum einen dem Mieter die Räume überlassen wurden und zum anderen vom Vermieter die Miete entgegengenommen wurde, sowie die Annahme eines (fortbestehenden) Vertragsverhältnisses der Interessenlage der Parteien entsprach. Die Zahlung des der Miete entsprechenden Entgeltes allein genügt dafür nicht, weil der bisherige Mieter nach dem Ende des Mietverhältnisses diesen Betrag als Nutzungsentschädigung gemäß § 546a Abs. 1 BGB schuldet, wenn er das Mietobjekt entgegen § 546 Abs. 1 BGB nicht zurückgibt.
Verfahrensgang
LG Leipzig (Aktenzeichen 04 O 1978/21) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Leipzig vom 06.04.2022 (04 O 1978/21) abgeändert.
Die Beklagten zu 1., zu 2., zu 3. und zu 4. werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 7.083,06 EUR nebst Zinsen i.H.v. 9 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.07.2021 zu zahlen.
Die Widerklage wird abgewiesen.
II. Die Beklagten zu 1., zu 2., zu 3. und zu 4. tragen die Kosten des Rechtsstreites beider Instanzen als Gesamtschuldner.
III. Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin nimmt die Beklagte zu 1., eine GbR, als Mieterin, die Beklagten zu 2. und zu 3. als Gesellschafter der Beklagten zu 1. und die Beklagte zu 4. als Mietbürgin auf Zahlung von rückständiger Nutzungsentschädigung für Gewerberäume im Erdgeschoss des Objekts B... xx-xx in L... in Anspruch.
Die damalige Grundstückseigentümerin, die N... Beteiligungs-Aktiengesellschaft, und die Beklagte zu 1. schlossen am 25.10.2013 einen Mietvertrag (Anlage K 2) über eine Ladeneinheit im Erdgeschoss und eine Nebenfläche im streitgegenständlichen Objekt. Die monatliche Gesamtbruttomiete belief sich ab dem 01.01.2020 auf 2.561,93 EUR, worin eine Betriebskostenvorauszahlung in Höhe von 289,17 EUR enthalten war. In § 2 Nr. 4 des Mietvertrages wird die Anwendung von § 545 BGB nach Ablauf der Mietzeit ausgeschlossen. Die in § 21 Nr. 1 des Mietvertrages vereinbarte Mietsicherheit zur Sicherung aller Ansprüche des Vermieters aus dem Mietverhältnis in Höhe von 7.350,00 EUR erbrachte die Beklagte zu 1. dadurch, dass die Beklagte zu 4. für sie eine unbefristete und selbstschuldnerische Mietkautionsbürgschaft vom 22.01.2019 (Anlage K 3) bis zu einem Höchstbetrag von 7.350,00 EUR für alle künftig fällig werdenden oder aus Anlass der Beendigung des Mietverhältnisses entstehenden Ansprüche übernahm.
Die Klägerin trat mit dem Erwerb des Grundstückes B... xx-xx in L... am 27.06.2019 auf Vermieterseite in das Mietverhältnis mit der Beklagten zu 1. ein (Grundbuch-Auszug als Anlage K 1).
Nachdem die Beklagte zu 1. die Gesamtbruttomiete für die Monate Juli und August 2019 nicht bezahlt hatte, erklärte die Klägerin mit dem Schreiben vom 22.08.2019 (Anlage K 4) die außerordentliche und fristlose Kündigung des Mietverhältnisses wegen Zahlungsverzuges und forderte die Beklagte zu 1. auf, die Gewerberäume am 06.09.2019 zurückzugeben.
Die Beklagte zu 1. zahlte die rückständige Miete nach der Kündigung im August 2019 nach, gab aber die Gewerberäume nicht an die Klägerin heraus.
Nachdem die Beklagte zu 1. die Nutzungsentschädigung für März 2020 erst am 02.06.2020 und die Nutzungsentschädigung für die Monate April und Mai 2020 nicht bezahlt hatte, wandte sich die Klägerin mit dem Schreiben vom 15.06.2020 (Anlage K 5) an die Beklagte zu 1. Sie stellte in diesem Schreiben zunächst fest, dass die Beklagte zu 1. die Gewerberäume entgegen der Kündigung vom 22.08.2019, auf welche die Klägerin zurückkomme, nicht herausgegeben habe, weswegen eine Nachfrist zur Räumung bis zum 30.06.2020 gesetzt werde, anderenfalls eine Räumungsklage drohe. Vorsorglich und für den Fall, dass die fristlose Kündigung vom 22.08.2019 einer gerichtlichen Prüfung nicht standhalte, erkläre die Klägerin weiterhin die ordentliche Kündigung zum 30.06.2021, hilfsweise zum nächsten möglichen Termin, bzw. die außerordentliche und fristlose Kündigung.
Die Beklagte zu 1. bestätigte mit ihrem Schreiben vom 25.06.2020 (Anlage K 6) den Eingang des Kündigungsschreibens der Klägerin und kündigte an, sie werde die Gewerberäume bis zum 30.06.2021 an die Klägerin übergeben.
Die Beklagte zu 1. zahlte...