Leitsatz (amtlich)
1. Zum notwendigen Begründungsumfang einer Mitteilung über die Beitragserhöhung in der privaten Krankenversicherung gehören die veränderte Rechnungsgrundlage und die Angabe, dass ein vorab festgelegter Schwellenwert, der aber nicht im Einzelnen benannt werden muss, überschritten sind.
2. Die Formulierung "wurden die Leistungen vermehrt in Anspruch" genommen, reicht als Bezug auf den auslösenden Faktor Versicherungsleistungen aus.
3. In AGB kann zulässigerweise eine Beitragserhöhung auch unterhalb des gesetzlichen Schwellenwertes geregelt werden.
Verfahrensgang
LG Dresden (Aktenzeichen 8 O 2708/20) |
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Landgerichts Dresden vom 08.12.2021 - 8 O 2708/20 - wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.
3. Das Urteil sowie das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
4. Die Revision wird zugelassen.
Beschluss:
Der Gegenstandswert für das Berufungsverfahren wird auf 5.599,74 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Kläger begehrt die Feststellung der Unwirksamkeit von Beitragserhöhungen seiner bei der Beklagten gehaltenen privaten Krankenversicherung und zwar für die Tariferhöhungen zum 01.01.2017 in den Tarifen NO, peB67215 und EPT60 und die Beitragserhöhung im Tarif EPT64 zum 01.01.2020. Den Tariferhöhungen gingen jeweils im November des Vorjahres versandt Mitteilungsschreiben über die bevorstehende Beitragsanpassung voraus.
Der Kläger meint, die in den Mitteilungsschreiben enthaltenen Informationen genügten nicht den in § 203 Abs. 5 VVG niedergelegten und von der Rechtsprechung präzisierten Anforderungen und seien insofern formell rechtswidrig. Außerdem sei die Anpassungsklausel in § 8b der AVB unwirksam und damit ebenso alle Prämienfestsetzungen, die durch eine Schwellenwertabweichung unterhalb des gesetzlich festgelegten Wertes von 10 % lägen.
Der Kläger hat zunächst erstinstanzlich auch die versicherungsmathematischen Voraussetzungen der Prämienerhöhungen angegriffen. Nachdem die Beklagte in der Klageerwiderung ihre Zahlen offengelegt und mitgeteilt hatte, Grund für die Beitragserhöhungen seien jeweils gestiegene Leistungsausgaben gewesen, hat der Kläger seine Anträge teilweise angepasst und die versicherungsmathematischen Voraussetzungen der Prämienerhöhungen nicht mehr angegriffen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Wegen der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen.
Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger das erstinstanzliche Klageziel im Wesentlichen weiter und wiederholt hierzu seine erstinstanzliche Auffassung zu den formalen Voraussetzungen einer Beitragsanpassungsmitteilung und zur Unwirksamkeit des § 8b der AVB.
Er beantragt,
1) Es wird festgestellt, dass folgende Neufestsetzungen der Prämien in der zwischen der Klägerseite und der Beklagten bestehenden Kranken-/ Pflegeversicherung mit der Versicherungsnummer 00.00.000/0/000 unwirksam waren:
a) im Tarif NO die Erhöhung zum 01.01.2017 in Höhe von 98,25 EUR, b) im Tarif peB 67 215 die Erhöhung zum 01.01.2017 in Höhe von 5,27 EUR, c) im Tarif EPT 60 die Erhöhung zum 01.01.2017 in Höhe von 2,84 EUR, d) im Tarif EPT 64 die Erhöhung zum 01.01.2020 in Höhe von 7,05 EUR,
und die Klägerseite nicht zur Zahlung des jeweiligen Erhöhungsbetrages verpflichtet war.
2) Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerseite 5.544,30 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
3) Es wird festgestellt, dass die Beklagte
a) der Klägerseite zur Herausgabe der Nutzungen verpflichtet ist, die sie aus dem Prämienanteil gezogen hat, den die Klägerseite auf die unter 1) aufgeführten Beitragserhöhungen gezahlt hat,
b) die nach 3a) herauszugebenden Nutzungen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu verzinsen hat.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.
Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil und verweist erneut auf gerichtliche Entscheidungen zu ihren Gunsten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und die Sitzungsniederschrift vom 14.06.2022 verwiesen.
II. Die zulässige Berufung des Klägers bleibt in der Sache ohne Erfolg.
Die streitgegenständlichen Anpassungsmitteilungen zum 01.01.2017 und zum 01.01.2020 erfüllen die nach § 203 Abs. 5 VVG und der hierzu ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung formulierten Anforderungen [1. a) und b)]. Die Tariferhöhung ist auch materiell wirksam, denn trotz der Unwirksamkeit des § 8b Abs. 2 MB/KK wegen Verstoßes gegen §§ 203 Satz 2 VVG und 307 Abs. 2 BGB hat die den § 8b Abs. 1 MB/KK entsprechende Regelung der Beklagten isoliert Bestand [2.]. Wegen formell und materiell wirksamer Beitragsanpassung...