Leitsatz (amtlich)

1. Für den auf Unwirksamkeit einer Beitragsanpassung in der PKV gerichteten Feststellungsantrag besteht ein Feststellungsinteresse.

2. Den formellen Anforderungen an ein Beitragsanpassungsschreiben ist regelmäßig Genüge getan, wenn die Rechnungsgrundlage, deren Überschreitung die Überprüfung ausgelöst hat, benannt ist; auf die konkrete Höhe der Veränderung kommt es nicht an, dass der Versicherungsnehmer auf der Grundlage der Änderungsmitteilung eine Plausibilitätskontrolle vornehmen kann, ist ebenfalls nicht erforderlich.

3. Ein Anpassungsschreiben ist auch dann formell ausreichend begründet, wenn es dem Versicherungsnehmer abverlangt, den Grund der Beitragsanpassung durch einen Vergleich seines Versicherungsscheins mit beigefügten Erläuterungen selbst zu ermitteln.

4. Eine unsichere und zweifelhafte Rechtslage, die den Verlauf der Verjährung hätte hinausschieben könne, lag bezüglich der Frage, was unter den "maßgeblichen Gründen" für eine Beitragsanpassung in der PKV zu verstehen ist, nicht vor.

5. Wer trotz einer noch fehlenden höchstrichterlichen Klärung einer Rechtsfrage eine Klage erhebt, die ihren Grund in dieser Rechtsfrage hat, kann sich nicht auf eine Hemmung der Verjährung wegen einer unsicheren und zweifelhaften Rechtfrage berufen.

 

Verfahrensgang

LG Leipzig (Aktenzeichen 03 O 2147/20)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichtes Leipzig vom 06.07.2021 - 3 O 2147/20 - in Ziffern 2 und 3 aufgehoben und in Ziff. 1 wie folgt abgeändert:

1. Es wird festgestellt, dass folgende Erhöhungen des Monatsbeitrags in der zwischen dem Kläger und der Beklagten geschlossenen privaten Krankenversicherung, Versicherungsschein Nr. 0000000000 nicht wirksam geworden sind:

a) im Tarif XXX die Erhöhung zum 01.01.2013 bis zum 31.12.2013 um 71,60 EUR

b) im Tarif YYY die Erhöhung zum 01.01.2014 bis zum 31.12.2016 um 53,90 EUR,

zum 01.01.2015 bis zum 31.12.2016 um 24,40 EUR.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 413,64 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.11.2020 zu zahlen.

3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

III. Die Kosten des Rechtsstreites erster Instanz tragen der Kläger zu 70% und die Beklagte zu 30% und im Berufungsverfahren tragen sie der Kläger zu 62% und die Beklagte zu 38%.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

Beschluss:

Der Streitwert des erstinstanzlichen Verfahrens wird auf 18.181,35 EUR, ab dem 02.05.2021 auf 9.011,55 EUR und für das Berufungsverfahren auf 8.732,46 EUR festgesetzt.

 

Gründe

(abgekürzt gemäß §§ 540, 313 a Abs. 1 ZPO):

I. Der Kläger begehrt die Feststellung der Unwirksamkeit von Beitragserhöhungen seiner Kranken- und Pflegeversicherung sowie die Rückzahlung entrichteter Beiträge für die Tariferhöhungen in den Tarifen XXX zum 01.01.2013 (72,60 EUR), YYY zum 01.01.2014 (53,90 EUR), YYY zum 01.01.2015 (24,40 EUR) und YYY zum 01.01.2018 (31,01 EUR) [Bl. 64/65 d. A.]. Die Beitragserhöhung zum 01.01.2017 ist unstreitig wirksam. Die materielle Wirksamkeit aller streitgegenständlichen Erhöhungen steht ebenfalls nicht im Streit. Den Tariferhöhungen gingen jeweils im November des Vorjahres versandte Mitteilungen zur Beitragserhöhung voraus (Anlagenkonvolut B5A).

Mit Schreiben vom November 2017 teilte die Beklagte dem Kläger unter anderem Folgendes mit:

"Zum 01.01.2018 ist eine Beitragsanpassung in Ihrem Vertrag erforderlich. Die maßgeblichen Gründe für die Beitragsanpassung entsprechen den Anforderungen aus § 203 (5) Versicherungsvertragsgesetz (VVG) und weitere Hinweise finden Sie in den beiliegenden 'Informationen zur Beitragsanpassung zum 01.01.2018' ..."

Im Nachgang zum Versicherungsschein für den Tarif YYY ist der Änderungsgrund "1" aufgeführt. Auf dem folgenden fünfseitigen Schriftstück, dass mit "Änderungsgründe" überschrieben ist, befindet sich unter der Ziffer "1" ein Hinweis auf die beiliegenden "Informationen zur Beitragsanpassung", die die Gründe für die Beitragsanpassung enthalten. In den "Informationen zur Beitragsanpassung zum 01.01.2018" wird hierzu ausgeführt:

"Maßgebliche Gründe im Sinne von § 203 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) für eine Beitragsanpassung können veränderte Versicherungsleistungen und/oder eine veränderte Lebenserwartung (Sterbewahrscheinlichkeit) sein.

Im VVG und der Krankenversicherungsaufsichtsverordnung ist genau geregelt, wann und wie eine Beitragsanpassung erfolgen muss ...

Ergibt dieser Vergleich eine Abweichung um mehr als den in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen festgelegten Prozentsatz, müssen alle Rechnungsgrundlagen eines Tarifs überprüft und in der Folge in der Regel die Beiträge angepasst werden ...

Für die Beitragsanpassung zum 01.01.2018 kommen je nach versichertem Tarif die folgenden maßgeblichen Gründe zum Tragen:

Steigende Leistungsausgaben

Bei allen Tarifen - mit Ausnahme der unter den Punkten 'Steigende Lebenserwartung' sowie 'Ste...

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