Leitsatz (amtlich)
1. Die formellen Anforderungen an eine Beitragserhöhungsverlangen in der privaten Krankenversicherung sind gewahrt, wenn der Versicherungsnehmer aus der Zusammen schau von Erhöhungsschreiben, Versicherungsschein und weiteren Informationen entnehmen kann, welche Rechnungsgrundlage die Prämienerhöhung ausgelöst hat und dass diese Erhöhung auf der Überschreitung eines Schwellenwertes beruht. Es ist demgegenüber nicht erforderlich, die Rechnungsgrundlage dieses Schwellenwertes oder die genaue Höhe der Überschreitung mitzuteilen.
2. Eine wirksame Prämienanpassung heilt vorausgegangene unwirksame Anpassungen in vollem Umfang ex nunc.
3. § 8b Abs. 1 MB/KK stellt eine wirksame Rechtsgrundlage für Anpassungen dar, die unterhalb des gesetzlichen Schwellenwertes liegen.
4. Die für den Lauf der Verjährungsfrist erforderliche Kenntnis des Versicherungsnehmers lag mit Erhalt der Anpassungsschreiben vor; dass es zum Umfang der für eine Prämienanpassung mitzuteilenden Gründe einen Meinungsstreit gab, ist nicht geeignet, den Verjährungsbeginn hinauszuschieben.
Verfahrensgang
LG Leipzig (Aktenzeichen 03 O 2844/20) |
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Leipzig vom 13.07.2021 - 3 O 2844/20 - wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.
3. Das Urteil sowie das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
4. Die Revision wird zugelassen.
Beschluss:
Der Gegenstandswert für das erstinstanzliche Verfahren wird auf 10.390,98 EUR und für das Berufungsverfahren auf 11.423,46 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Kläger unterhält bei der Beklagten eine private Kranken-, Krankentagegeld- und Pflegepflichtversicherung für sich und seine Ehefrau. Er begehrt die Feststellung der Unwirksamkeit diverser Beitragserhöhungen seiner Kranken- und Krankentagegeldversicherung, die Rückzahlung bereits entrichteter Beiträge für Tariferhöhungen zum 01.04.2013 (61,12 EUR), zum 01.04.2015 (3,94 EUR), zum 01.04.2016 (11,37 EUR), zum 01.04.2017 (7,09 EUR und 25,33 EUR) und zum 01.04.2018 (79,99 EUR). Zusätzlich verlangt er die Feststellung der Verpflichtung zum Nutzungsersatz aus den rückgeforderten Beiträgen und die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten.
Den Tariferhöhungen gingen jeweils im Februar des betreffenden Jahres versandte Mitteilungen zu den Beitragsanpassungen voraus. Der Kläger hat sich zunächst nur auf die formelle Unwirksamkeit der Beitragsanpassungsmitteilungen berufen. Die Beklagte hat in der Klageerwiderung vom 05.03.2021 mitgeteilt, Auslöser für die Beitragsanpassungen seien jeweils gestiegene Leistungsausgaben gewesen und hierbei auch die prozentuale Überschreitung der kalkulierten Werte mitgeteilt. Daraufhin hat der Kläger hinsichtlich des Tarifes B ... und dessen Erhöhung zum 01.04.2015 auch die materielle Unwirksamkeit eingewandt, weil dort die Überschreitung der kalkulierten Werte unter dem in § 155 Abs. 3 VAG festgelegten Satz von 10 % gelegen habe. Die Beklagte hat die Verjährungseinrede erhoben.
Das Landgericht hat die Klage vollumfänglich abgewiesen. Sämtliche beanstandeten Beitragsanpassungsmitteilungen seien formell und materiell wirksam. Mit seiner hiergegen eingelegten Berufung verfolgt der Kläger sein Anliegen unter Wiederholung seines erstinstanzlichen Vorbringens uneingeschränkt weiter und begehrt ferner die Rückzahlung der zwischen Klageerhebung und Berufungseinlegung entrichteten Beitragserhöhungen.
Er beantragt,
1) Es wird festgestellt, dass folgende Neufestsetzungen der Prämien in der zwischen der Klägerseite und der Beklagten bestehenden Kranken-/Pflegeversicherung mit der Versicherungsnummer: ... unwirksam waren:
a) in den Tarifen für Carsten Claus
aa) im Tarif B ... die Erhöhung zum 01.04.2013 in Höhe von 61,12 EUR,
bb) im Tarif T ... die Erhöhung zum 01.04.2016 in Höhe von 11,37 EUR,
cc) im Tarif T ... die Erhöhung zum 01.04.2017 in Höhe von 7,09 EUR,
dd) im Tarif B ... die Erhöhung zum 01.04.2018 in Höhe von 79,99 EUR.
b) in den Tarifen für C ... C ...
aa) im Tarif B ... die Erhöhung zum 01.04.2015 in Höhe von 3,94 EUR,
bb) im Tarif B ...0 die Erhöhung zum 01.04.2017 in Höhe von 25,33 EUR,
und die Klägerseite nicht zur Zahlung des jeweiligen Erhöhungsbetrages verpflichtet war.
2) Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerseite 11.310,36 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
3) Es wird festgestellt, dass die Beklagte
a) der Klägerseite zur Herausgabe der Nutzungen verpflichtet ist, die sie aus dem Prämienanteil gezogen hat, den die Klägerseite auf die unter 1) aufgeführten Beitragserhöhungen gezahlt hat,
b) die nach 3 a) herauszugebenden Nutzungen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu verzinsen hat.
4) Die Beklagte wird ve...