Leitsatz (amtlich)

1. Fehlt in einem Beitragserhöhungsschreiben in der Privaten Krankenversicherung die Angabe, dass die Veränderung den maßgeblichen Schwellenwert überschreitet, ist die Erhöhung formell unwirksam.

2. Wird die erforderliche Begründung später nachgeholt, wird hierdurch die für die Neufestsetzung angeordnete Frist in Lauf gesetzt.

3. Es reicht aus, wenn sich die erforderlichen Angaben aus einer Zusammenschau der übersandten Unterlagen ergeben; es ist nicht erforderlich, dass diese im Erhöhungsschreiben selbst enthalten sind.

4. Mit Erhalt des jeweiligen Anpassungsschreibens ist auch dann die für den Beginn der Verjährungsfrist erforderliche Kenntnis gegeben, wenn der Versicherungsnehmer in Unkenntnis über die Rechtslage ist.

 

Verfahrensgang

LG Leipzig (Aktenzeichen 03 O 2780/20)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Leipzig vom 11.8.2021 abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen.

II. Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

III. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf 10.607,96 EUR festgesetzt.

 

Gründe

A. (von der Aufnahme des Tatbestandes wird abgesehen, §§ 540, 313a ZPO).

B. Die zulässige Berufung des Klägers bleibt in der Sache ohne Erfolg. Auf die gleichfalls zulässige Berufung der Beklagten war das Urteil des Landgerichts abzuändern und die Klage abzuweisen.

1. Ein Feststellungsinteresse hinsichtlich der Neufestsetzung der Prämien zum 1.1.2011 und 1.1.2012 in den Tarifen V... und K... besteht nicht, auch nicht in Form der mit dem Antrag Nr. 1 geltend gemachten "Erledigungsfeststellung" (... unwirksam waren), § 256 ZPO. Der Bundesgerichtshof hat die Zulässigkeit einer Klage für den auf die Unwirksamkeit der Beitragsanpassung gerichteten Feststellungsantrages grundsätzlich bejaht. Danach kann allein mit dem vom Kläger erstrebten Leistungsurteil auf Rückzahlung überbezahlter Beiträge nicht rechtskräftig festgestellt werden, dass er zukünftig nicht zur Zahlung des sich aus den streitgegenständlichen Beitragsanpassungen ergebenden Erhöhungsbetrages verpflichtet ist (so BGH, Urt. v. 16.12.2020 - IV ZR 294/19 - juris). Ein schutzwürdiges Interesse kann auch an der Feststellung eines vergangenen Rechtsverhältnisses bestehen, wenn sich aus der Feststellung noch Rechtsfolgen für die Gegenwart und Zukunft ergeben können (so BGH, a.a.O., Rn. 19 - juris). Im vorliegenden Fall ist jedoch schon aus dem Vorbringen des Klägers ersichtlich, dass sich aus der Feststellung keinerlei Rechtsfolgen für die Gegenwart und Zukunft ergeben. Er hat vielmehr seinen Zahlungsanspruch insoweit abschließend beziffert und ihn für die Erhöhungen zum 1.1.2011 und 1.1.2012 mit Blick auf die zum 1.1.2012 bzw. 1.2.2013 erfolgte Vertragsänderung und den Wegfall dieser Tarife auf Zahlungen bis zum 1.1.2012/1.2.2013 beschränkt. Es ist aus den vorgelegten Unterlagen nicht ersichtlich und vom Kläger auch nicht vorgetragen worden, dass trotz dieses Vertragswechsels sich aus den Beitragserhöhungen vom 1.1.2011 und 1.1.2012 noch irgendwelche Rechtsfolgen für die Gegenwart und Zukunft ergeben könnten.

2. Die Feststellungsanträge bezogen auf den Tarif V... zum 1.1.2015, 1.1.2017 und 1.1.2020 sind zulässig, in der Sache jedoch unbegründet.

a. Das Beitragserhöhungsverlangen vom 24.11.2014 ist allerdings formell unwirksam.

i. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteile vom 16.12.2020 - IV ZR 294/19 - und IV ZR 314/19 - juris) erfordert die Mitteilung der maßgeblichen Gründe für die Neufestsetzung der Prämie nach § 203 Abs. 5 VVG die Angabe der Rechnungsgrundlage, deren nicht nur vorübergehende Veränderung die Neufestsetzung nach § 203 Abs. 2 Satz 1 VVG veranlasst hat. Der Gesetzeswortlaut sieht die Angabe "hierfür maßgeblichen Gründe" vor und macht damit deutlich, dass sich diese auf die konkret in Rede stehende Prämienanpassung beziehen müssen; eine allgemeine Mitteilung, die nur die gesetzlichen Voraussetzungen der Beitragserhöhung wiedergibt, genügt danach nicht (so BGH, Urteil vom 16.12.2020 - IV ZR 294/16 - Rdnr. 26). Zugleich folgt aus dem Wortlaut "maßgeblich", dass nicht alle Gründe genannt werden müssen, sondern nur die für die Prämienanpassung entscheidenden Umstände. In diesem Sinne entscheidend ist nur, ob eine Veränderung der erforderlichen gegenüber den kalkulierten Versicherungsleistungen oder Sterbewahrscheinlichkeiten die in den § 155 Abs. 3 und 4 VAG oder in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen geregelten Schwellenwerte besteht. Fehlt die Angabe, dass die Veränderung den maßgeblichen Schwellenwert überschreitet, ist dieses Erfordernis nicht erfüllt. Dagegen ist die konkrete Höhe der Veränderungen dieser Rechnungsgrundlagen oder die Angabe dieses Schwellenwerts selbst daneben nicht mehr entscheidend (BGH, Urteil vom 21.7.2021 - IV ZR 191/20). Die Überprüfung der Prämie wird ausgelöst, sobald der Schwellenwert überschritten wird; dabei kommt es nicht darauf an,...

Dieser Inhalt ist unter anderem im VerwalterPraxis Gold enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge