Leitsatz (amtlich)
1. Wird präoperativ nur allgemein über das Risiko von Nervenschäden aufgeklärt, ist hiervon eine dauerhafte Fußheberschwäche wegen einer Verletzung des N. peronäus nicht umfasst.
2. Besteht bei einer Knieoperation das Risiko einer Verletzung des N. peronäus, ist der Patient auch über das Risiko von Lähmungen aufzuklären. Nicht erforderlich ist hingegen, gesondert auf die Dauerhaftigkeit dieser Lähmung hinzuweisen.
Verfahrensgang
LG Leipzig (Aktenzeichen 07 O 331/19) |
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des Landgerichts Leipzig vom 31.07.2020 - 7 O 331/19 - wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Das angefochtene Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Beschluss:
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf bis zu 36.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die durch ihre Eltern gesetzlich vertretene, inzwischen 10-jährige Klägerin, macht Schmerzensgeld- und sonstige Schadensersatz- und Feststellungsansprüche wegen einer im Jahre 2017 im Hause der Beklagten durchgeführten Knieoperation geltend. Die Klägerin erlitt im Zuge der Operation eine Läsion des Nervus Peroneus mit der Folge einer Fußheberschwäche.
Sie hat erstinstanzlich Behandlungsfehler- und Aufklärungsfehlervorwürfe erhoben. Nach Einholung eines orthopädischen Sachverständigengutachtens und Anhörung der Klägerin zum Aufklärungsgespräch hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen.
Die Klägerin verfolgt mit ihrer Berufung ihr ursprüngliches Klageziel vollumfänglich weiter. Allerdings greift sie die landgerichtlichen Feststellungen lediglich im Hinblick auf die Feststellungen zur Risikoaufklärung an. Sie behauptet, zwar sei das Risiko einer Peroneusschädigung als solches ausdrücklich erwähnt, deren Folgen aber verharmlost und die Wahrscheinlichkeit einer solchen Schädigung nicht erwähnt worden.
Sie beantragt,
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin ein angemessenes Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin Schadensersatz i.H.v. 453,60 EUR nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
3. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche gegenwärtigen und zukünftigen materiellen und immateriellen Schäden, die aufgrund der fehlerhaften Behandlung entstanden sind und noch entstehen werden, zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder übergehen.
4. Die Beklagte trägt die Kosten der I. und II. Instanz.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil, erhebt erneut den Einwand der hypothetischen Einwilligung und wiederholt ihr Beweisangebot durch Vernehmung von Zeugen zum Beweis ihrer Behauptung einer ordnungsgemäßen Risikoaufklärung.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und die Sitzungsprotokolle vom 19.01. und 25.05.2021 verwiesen.
II. Die zulässige Berufung bleibt in der Sache ohne Erfolg.
1. Nach erneuter Anhörung der Klägerin und Vernehmung der beklagtenseits benannten Zeugen Prof. B... und V... P... ist der Beklagten der ihr gemäß § 630 h Abs. 2 Satz 1 BGB obliegende Beweis einer ordnungsgemäßen Aufklärung gelungen. Nach dieser Vorschrift ist der Behandelnde verpflichtet, die Aufklärung über alle für die Einwilligung wesentlichen Umstände vorzunehmen. Das Merkmal der Wesentlichkeit grenzt die ärztlichen Aufklärungspflichten dahingehend ein, dass der Aufklärende dem Patienten eine allgemeine Vorstellung von der Schwere des Eingriffs und der spezifisch mit ihm verbundenen Risiken vermitteln muss (statt aller: Palandt-Weidenkaff, BGB, 80. Aufl., § 630 e, Rz. 2 m.w.N.), so dass der Patient "im Großen und Ganzen" weiß, worin er einwilligt. Dem Patienten muss die Aufklärung kein medizinisches Detailwissen vermitteln, aber er muss eine ergebnisbezogene Entscheidungsgrundlage erhalten. Die maßgebenden Risiken müssen nicht medizinisch exakt und in allen denkbaren Erscheinungsformen mitgeteilt werden, sondern es genügt, wenn die Stoßrichtung der Risiken zutreffend dargestellt wird (BGH, Urteil vom 29.01.2019 - VI ZR 117/18; Hinweisbeschluss des Senats vom 21.12.2020 - 4 U 1775/20, Rz. 7 -juris). Der bloße Hinweis auf Nervenschädigungen als solche vermittelt dem Patienten als medizinischem Laien grundsätzlich noch keine allgemeine Vorstellung von den mit dem Eingriff verbundenen Gefahren (BG...