Leitsatz (amtlich)
1. Die ordentliche Kündigung eines Girovertrages durch eine Sparkasse allein wegen einer politischen Betätigung des Kunden stellt eine unzulässige Rechtsausübung (§ 242 BGB) dar und führt zur Unwirksamkeit der Kündigung.
2. Dies gilt auch, wenn der Kunde eine politische Partei ist. Art. 21 GG kommt jedenfalls dann, wenn politische Parteien auf Gewährleistungen der Daseinsvorsorge angewiesen sind, um ihre Aufgaben effektiv wahrnehmen zu können, eine Aus-strahlungswirkung auf die zivilrechtliche Generalklausel des § 242 BGB zu.
3. Die verfassungsfeindliche Zielrichtung einer politischen Partei rechtfertigt aufgrund des Parteienprivilegs (Art. 21 Abs. 2 GG) keine andere Beurteilung.
Verfahrensgang
LG Leipzig (Aktenzeichen 8 O 2437/01) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des LG Leipzig, 8. Zivilkammer, vom 5.7.2001 (Az.: 08 O 2437/01) abgeändert.
Es wird festgestellt, dass der zwischen dem Kläger und der Beklagten bestehende Girovertrag (Konto-Nr.) durch die Kündigungen der Beklagten vom 22.8.2000 und vom 26.9.2000 sowie vom 27.9.2000 nicht beendet worden und die Auflösung des Girokontos rechtswidrig ist.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen und die Berufung zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 1/10 und die Beklagte zu 9/10.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 13.500 DM abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Der Kläger darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 1.500 DM abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Den Parteien wird nachgelassen, die Sicherheit in Form einer unwiderruflichen, unbefristeten und unbedingten selbstschuldnerischen Bürgschaft eines als Zoll- und Steuerbürgen zugelassenen inländischen Kreditinstituts zu erbringen.
Der Wert der Beschwer des Klägers wird auf unter 60.000 DM, jene der Beklagte auf über 60.000 DM festgesetzt.
Tatbestand
Der Kläger begehrt von der Beklagten die Fortführung eines Girokontos, hilfsweise die Feststellung, dass die von der Beklagten ausgesprochenen Kündigungen des Kontovertrages unwirksam sind.
Der Kläger, der Landesverband der N Partei, eröffnete bei der Beklagten, einer sächsischen Sparkasse, am 23.3. 1999 ein Girokonto. Die in das Vertragsverhältnis einbezogenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten (Anlage AG 2 in dem Rechtsstreit 7 U 1790/01 = Bl. 64–68 dieser Akte) enthalten u.a. folgende Regelungen:
„Nr. 1 – Grundlagen der Geschäftsbeziehung
(1) Geschäftsbeziehung als Vertrauensverhältnis
Die Geschäftsbeziehung zwischen dem Kunden und der Sparkasse ist durch die Besonderheiten des Bankgeschäfts und ein besonderes Vertrauensverhältnis geprägt. Der Kunde kann sich darauf verlassen, dass die Sparkasse seine Aufträge mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns ausführt und das Bankgeheimnis wahrt (…).
Nr. 26 – Kündigungsrecht
(1) Ordentliche Kündigung
Sowohl der Kunde als auch die Sparkasse können die gesamte Geschäftsbeziehung oder einzelne Geschäftszweige jederzeit ohne Einhaltung einer Kün-digungsfrist kündigen, soweit keine abweichenden Vorschriften oder anderweitigen Vereinbarungen dem entgegenstehen. Kündigt die Sparkasse, so wird sie den berechtigten Belangen des Kunden angemessen Rechnung tragen, insbesondere nicht zur Unzeit kündigen.
(2) Kündigung aus wichtigem Grund
Ungeachtet anderweitiger Vereinbarungen können sowohl der Kunde als auch die Sparkasse die gesamte Geschäftsbeziehung oder einzelne Geschäftszweige jederzeit fristlos kündigen, wenn ein wichtiger Grund vorliegt, aufgrund dessen dem Kündigenden die Fortsetzung der Geschäftsbeziehung nicht zugemutet werden kann. Dabei sind die berechtigten Belange des anderen Vertragspart-ners zu berücksichtigen (…)”.
Am 21.8.2000 kam in der ARD das Politmagazin „Report” unter dem Titel „Rechtsextreme – Geschäfte mit der N Partei” zur Ausstrahlung. In der Anmoderation wurde nach dem Hinweis auf die Diskussion über die Erfolgsaussichten eines Verbotsantrages gegen die N Partei geäußert, Banken, Verlage und Druckereien machten währenddessen „seelenruhig weiter Geschäfte mit der N Partei. Wenn's ums Geld geht, haben Prinzipien keine Konjunktur (…) über Banken, die nichts dabei finden, sich eine braune Nase zu verdienen”. Berichtet wurde dann zunächst über den Verkauf eines Hauses in Riesa an den die N Partei-Parteizeitung „Deutsche Stimme” herausgebenden Verlag durch die Volksbank Riesa, die auch die Finanzierung gesichert und so die Entstehung eines bundesweiten Propagandazentrums ermöglicht habe mit Musikproduktion, Verlag und Versandhandel, dessen Katalog „Tausende Artikel für den strammen Nationalisten” biete, „mit im Sortiment das rechtsterroristische Buch WERWOLF, eine Anleitung für den Kleinkrieg mit Tipps für militärische Jagdeinheiten”. Nach Darstellung der Kauf- und Kreditverhandlungen durch ...