Leitsatz (amtlich)
1. Eine Regelung in der AVB eines Krankenversicherers, die § 8b Abs. 1 MB/KK entspricht, ist nicht wegen Verstoßes gegen § 306 BGB unwirksam.
2. Eine Prämienerhöhung ist auch bei Absinken des in dem Begründungsschreiben genannten Faktors nicht ausgeschlossen, weil dieser lediglich die vollständige Neuberechnung der Prämie auslöst (Festhaltung Senat, Urteil vom 19. April 2022, Az.: 4 U 2416/21).
Verfahrensgang
LG Dresden (Aktenzeichen 8 O 2448/20) |
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Dresden vom 06.10.2021 (Az. 8 O 2448/20) wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Das Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
IV. Die Revision wird zugelassen.
Beschluss:
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 7.845,69 EUR festgesetzt.
Gründe
A. Der Kläger begehrt die Feststellung der Unwirksamkeit der Beitragserhöhungen seiner Kranken- und Pflegeversicherung sowie der Pflicht zur Herausgabe der aus dem Prämienanteil insoweit gezogenen Nutzungen und die Rückzahlung bereits entrichteter Beiträge für einzelne Tariferhöhungen.
Den einzelnen Tariferhöhungen gingen im Oktober bzw. November des Vorjahres der jeweiligen Beitragserhöhung seitens der Beklagten versandte Mitteilungen zur Beitragsanpassung voraus. Wegen der Einzelheiten des Inhaltes der Schreiben wird auf die Anlage BLD 6 verwiesen.
Das Landgericht hat mit Urteil vom 06.10.2021 die Klage abgewiesen. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen.
Mit der form- und fristgerecht eingelegten Berufung verfolgt der Kläger sein erstinstanzliches Begehren - mit Ausnahme der wegen Verjährung nicht mehr durchsetzbaren Ansprüche - weiter und erweitert zugleich den Leistungsantrag um die nach Anhängigkeit der Klage gezahlten Beiträge i.H.v. insgesamt 453,34 EUR. Er ist weiterhin der Auffassung, dass die Beitragsanpassungen formell unwirksam seien. Auch wenn die Beklagte mitgeteilt habe, die Beiträge würden in dem betroffenen Tarif aufgrund veränderter Versicherungsleistungen angepasst, sei doch der Hinweis unterblieben, dass die Veränderungen von nicht nur vorübergehender Natur seien. Von einem Versicherungsnehmer könne insoweit auch nicht erwartet werden, dass er aus allgemeinen Informationen die eventuell dauerhafte Veränderung der Rechnungsgrundlage ableite. Zudem habe das Landgericht verkannt, dass die Prämienneufestsetzungen in den Tarifen PNE zum 01.01.2015, TK50 zum 01.01.2019, PN zum 01.01.2019 und TG43/128 zum 01.01.2020 auch materiell unwirksam gewesen seien, da diesen Erhöhungen eine Schwellenwertabweichung unterhalb des gesetzlich festgelegten Wertes von 10% zugrunde gelegen habe und die Regelung in § 8b der AVB der Beklagten unwirksam sei. Schließlich habe das Landgericht übersehen, dass die Beitragserhöhung im Tarif TK50 zum 01.01.2019 unwirksam gewesen sei, weil sie trotz gesunkener Leistungsausgaben erfolgt sei.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landgerichts Dresden vom 06.10.2021 abzuändern und
1) festzustellen, dass folgende Neufestsetzungen der Prämien in der zwischen der Klägerseite und der Beklagten bestehenden Kranken-/Pflegeversicherung mit der Versicherungsnummer 0000000.0 unwirksam waren:
a) in den Tarifen für T... P...
aa) im Tarif TG43/128 die Erhöhung zum 01.01.2014 i.H.v. 3,75 EUR,
bb) im Tarif PNW die Erhöhung zum 01.01.2017 i.H.v. 65,67 EUR,
cc) im Tarif gesetzl. Beitragszuschlag die Erhöhung zum 01.01.2017 i.H.v. 6,57 EUR,
dd) im Tarif TK50 die Erhöhung zum 01.10.2019 i.H.v. 0,66 EUR,
ee) im Tarif TG43/128 die Erhöhung zum 01.01.2020 i.H.v. 6,67 EUR,
b) in den Tarifen für K... J... P...
aa) im Tarif PNE die Erhöhung zum 01.01.2015 i.H.v. 0,66 EUR,
bb) im Tarif PVZ660 die Erhöhung zum 01.01.2017 i.H.v. 0,08 EUR,
cc) im Tarif PN die Erhöhung zum 01.01.2019 i.H.v. 10,56 EUR,
und die Klägerseite nicht zur Zahlung des jeweiligen Erhöhungsbeitrages verpflichtet war.
2) die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerseite 4.145,02 EUR nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
3) festzustellen, dass die Beklagte
a) der Klägerseite zur Herausgabe der Nutzungen verpflichtet ist, die sie aus dem Prämienanteil gezogen hat, den die Klägerseite auf die unter 1) aufgeführten Beitragserhöhungen gezahlt hat,
b) die nach 4a) herauszugebenden Nutzungen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu verzinsen hat.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachvortrages der Parteien wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
B. Die zulässige Berufung des Klägers hat k...