Leitsatz (amtlich)
Das Deutlichkeitsgebot in § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB in der vom 8.12.2004 bis zum 10.6.2010 gültigen Fassung stellt besondere Anforderungen an den Inhalt der Widerrufsbelehrung, wenn sie in einer Nachbelehrung enthalten ist, welche dem Verbraucher mehrere Jahre nach dem Vertragsschluss zugeschickt wird.
Verfahrensgang
LG Dresden (Urteil vom 04.01.2010; Aktenzeichen 9 O 1304/09) |
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des LG Dresden, 9. Zivilkammer, vom 4.1.2010 (9 O 1304/09) wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
4. Die Revision wird zugelassen.
Beschluss:
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf bis zu 40.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Klägerin, eine Bank, verlangt Rückzahlung eines Darlehens, welches sie den Beklagten zur Finanzierung des Beitrittes zu einem geschlossenen Immobilienfonds ("G ... GbR") gewährt hat.
Wegen des Sachverhaltes und der in 1. Instanz gestellten Anträge wird Bezug genommen auf den Tatbestand des Urteils des LG.
Das LG hat die Klage mit dem Urteil vom 4.1.2010 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Beklagten seien nicht mehr an ihre auf den Abschluss des Darlehensvertrags gerichteten Erklärungen vom 24.9.2001 gebunden, weil sie diese wirksam mit dem Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 8.4.2009 (Anlage B 4) widerrufen hätten. Den Beklagten stehe ein Widerrufsrecht aus § 1 Abs. 1 Nr. 1 HWiG zu, weil die Beklagten ihr Angebot in einer Haustürsituation abgegeben hätten. Die Beklagten seien nach ihren eigenen Angaben zweimal vom Vermittler H. in ihrer damaligen Wohnung in ... aufgesucht worden, wobei es im Rahmen des zweiten Besuches am 24.9.2001 zur Unterzeichnung des Darlehensantrages gekommen sei. Soweit die Klägerin behauptet habe, die Gespräche hätten in den Geschäftsräumen des Arbeitsgebers des Vermittlers, der B., stattgefunden, sei sie beweisfällig geblieben. Mangels Angabe einer ladungsfähigen Anschrift habe das Gericht den Zeugen E. H. nicht zu einer Vernehmung laden können. Im Übrigen sei die Klägerin offenbar selbst von einem Haustürgeschäft ausgegangen. Anderenfalls sei nicht erklärlich, wie es zu der Übermittlung einer neuen Widerrufsbelehrung für die Erklärung der Beklagten vom 24.9.2001 im Rahmen des Prolongations-Angebotes der Klägerin vom 12.9.2007 (Anlage K 2) gekommen sei. Der Widerruf vom 8.4.2009 sei wirksam, weil die Widerrufsfrist mangels ordnungsgemäßer Belehrung der Beklagten über das Widerrufsrecht nicht zu laufen begonnen habe. Die Beklagten seien weder über das Widerrufsrecht für das ursprüngliche Darlehensangebot vom 24.9.2001 ordnungsgemäß belehrt worden, noch habe im Zusammenhang mit dem Prolongations-Angebot vom 12.9.2007 eine ordnungsgemäße Nachbelehrung stattgefunden. Aus der Gestaltung des Anschreibens vom 12.9.2007 und dem Inhalt der beigefügten Widerrufsbelehrung für den ursprünglichen Vertragsschluss sei für die Beklagten nicht hinreichend deutlich geworden, dass es sich um eine vorsorgliche Nachbelehrung handeln sollte, welche nicht neben ein gesetzliches Widerrufsrecht treten, sondern dazu dienen sollte, möglichen Unsicherheiten im Hinblick auf die rechtliche Beurteilung der ursprünglichen Widerrufsbelehrung Rechnung zu tragen.
Die Beklagten müssten die Darlehensvaluta nicht an die Klägerin zurückzahlen, weil sich der Darlehensvertrag und der Fondsbeitritt als verbundenes Geschäft i.S.v. § 9 Abs. 1 VerbrKrG darstellten. Aus diesem Grunde sei auch der Hilfsantrag der Klägerin nicht begründet.
Gegen das ihr am 15.1.2010 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 3.2.2010 Berufung eingelegt und diese am 15.3.2010 begründet.
Die Klägerin trägt vor, das Urteil des LG sei unter zwei Gesichtspunkten unrichtig. Zum einen habe das LG unzutreffend das Vorliegen einer Haustürsituation und deren Kausalität für den Abschluss des Darlehensvertrages angenommen. Für diese Umstände sei die Beklagtenseite beweisbelastet. Dennoch habe das LG ohne weiteres den Sachvortrag der Beklagten als richtig unterstellt und sei von ihm ohne Beweisaufnahme ausgegangen.
Darüber hinaus sei das LG unzutreffend davon ausgegangen, dass der Widerruf der Beklagten im April 2009 noch fristgerecht erfolgen konnte. Zwar sei die Widerrufsbelehrung des Jahres 2001 falsch gewesen. Die Klägerin habe aber die Beklagten mit der Widerrufsbelehrung wirksam nachbelehrt, welche dem Schreiben vom 12.9.2007 beigefügt gewesen sei. Aus dem Schreiben vom 12.9.2007 ergebe sich erkennbar eine Nachbelehrung i.S.v. § 355 Abs. 2 Satz 2 BGB. Insbesondere die Verwendung des Wortes "losgelöst" mache für den Verbraucher deutlich, dass sich die beigefügte Widerrufsbelehrung auf die ursprüngliche Vertragserklärung beziehe. Zum Zeitpunkt des Widerrufes vom 8.4.2009 sei deshalb die Widerrufs...