Leitsatz (amtlich)

Zur Frage der entsprechenden Anwendung des § 89b HGB auf die Rechtsbeziehungen eines Verkehrsbetriebes zu einem Werbeunternehmen aus einem Vertrag über die Nutzung von Fahrzeugen für Werbezwecke.

 

Verfahrensgang

LG Dresden (Aktenzeichen 43 O 305/00)

 

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des LG Dresden vom 6.3.2001, Az. 43-O-305/00, wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist für die Beklagte vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 25.000 DM abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Sicherheit der Klägerin kann auch durch Bürgschaft einer deutschen Großbank oder öffentlich-rechtlichen Sparkasse erbracht werden.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um einen Ausgleichsanspruch der Klägerin in entspr. Anwendung des § 89b HGB.

Die … als Rechtsvorgängerin der Beklagten und die … als Rechtsvorgängerin der Klägerin schlossen am 8.3.1990 einen mit „Vertrag über die Nutzung von Fahrzeugen für Werbezwecke” überschriebenen Vertrag (Anlage K 1), der u.a. Folgendes bestimmt:

㤠1

1. erhält das alleinige Recht, die für Werbung zugelassenen Straßenbahnen und Busse der für Werbezwecke zu nutzen. Ausgeschlossen von diesem Recht sind 10 Straßenbahnfahrzeuge, die jeweils der Firma …, dem … und der zur Verfügung stehen.

3. darf Eigenwerbung, die sich auf die Vermietung von Werbeflächen in oder an den Fahrzeugen bezieht, ohne Pachtzahlung anbringen, soweit und solange Werbeflächen nicht vermietet oder von den in Anspruch genommen werden.

§ 2

1. ist verpflichtet, alle Maßnahmen zu treffen, um eine schnelle und vollständige Nutzung aller Werbemöglichkeiten zu erreichen.

3. unterrichtet die über zustande gekommene Werbeverträge.

§ 4

4. Die haben das Recht, sich jeden Entwurf zur Einwilligung vorlegen zu lassen.

§ 8

1. legt den Werbeverträgen einen festen Tarif zugrunde, der von den zu genehmigen ist.

…”

Nach § 12 des Vertrages betrug die Vertragsdauer 10 Jahre mit einer beidseitigen Kündigungsfrist von 12 Monaten zum Vertragsende. Der Vertrag erhielt die zuletzt gültige Fassung mit dem sog. „Vertrag in der 3. Fassung” vom 22.5./16.6.1992 nebst Nachtrag vom 25.4.1995 (Anlagen K 2 und K 3). Danach erhielt die Beklagte für die Überlassung der Werbeflächen bei Außenwerbung 76 % und bei Innenwerbung je nach Höhe der Umsätze 57,5 % bzw. 55 % aus dem Nettoumsatz der Klägerin.

Die Klägerin entfaltete in der Folgezeit Tätigkeiten zur Gewinnung von Werbekunden und schloss mit diesen im eigenen Namen Verträge ab, wobei sie den Verträgen ihre eigenen allgemeinen Geschäftsbedingungen (Anlage K 4) zugrunde legte. Die Beklagte erhielt die vertraglich zugesicherte Umsatzbeteiligung.

Mit Schreiben vom 22.1.1999 (Anlage K 10) kündigte die Beklagte den Vertrag zum 7.3.2000 und schrieb die Vergabe der Verkehrsmittelwerbung öffentlich aus, an der sich auch die Klägerin beteiligte. Mit Wirkung vom 8.3.2000 vergab die Beklagte den Auftrag an ein anderes Unternehmen.

Die Klägerin hat in erster Instanz vorgetragen:

Sie sei in die Vertriebsorganisation der Beklagten mit im Wesentlichen denselben Pflichten, die einen Handelsvertreter bei dem Vertrieb von Produkten eines Unternehmens treffen, eingebunden gewesen. Die Vergütung sei, wie üblicherweise der Provisionsanspruch eines Handelsvertreters umsatzabhängig ausgestaltet gewesen. Ihr stehe deshalb ein Ausgleichsanspruch analog § 89b HGB zu.

Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, 835.814 DM nebst Zinsen i.H.v. 5 % Punkten über dem Basiszinssatz gem. § 1 Diskontsatz-Überleitungsgesetz ab Rechtshängigkeit der Klage an die Klägerin zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat vorgetragen: Die Klägerin habe ihre Verträge weitgehend ohne Genehmigung durch die Beklagte abschließen können. Der Kundenstamm sei nicht übertragen worden, sondern lediglich ihr Kundenpotenzial. Das Unterrichtungserfordernis habe dem Interesse an der Wahrung ihrer Unternehmensidentität gedient und sei aus Gründen der Gewährleistung der Verkehrssicherheit erforderlich gewesen. Die Verträge mit den neuen Kunden seien nach dem 8.3.2000 neu ausgehandelt und nicht übernommen worden. Bei dem Vertragsverhältnis habe es sich um einen Mietvertrag gehandelt, auf den § 89b HGB weder direkt noch analog anwendbar sei.

Das LG hat die Klage mit Urt. v. 6.3.2001, der Klägerin zugestellt am 9.3.2001, auf welches wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, abgewiesen.

Hiergegen richtet sich die am 9.4.2001 eingegangene und am 9.5.2001 begründete Berufung der Klägerin. Zur Begründung trägt sie – unter Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens – im Wesentlichen vor:

Das LG habe einen Ausgleichsanspruch analog § 89b HGB rechtsfehlerhaft verneint. § 89b HGB könne grundsätzlich auch auf den vorliegenden Vertrag Anwendung finden. Entscheidend sei eine vergleichbare Interessenlage, die hier gegeben sei. Der Beklagten sei der Kundens...

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