Leitsatz (amtlich)
1. Der Geschäftsführer einer GmbH ist neben der Gesellschaft "Verantwortlicher" im Sinne der DSVGO.
2. Die Erhebung von Daten bei Dritten ist auch unter Geltung der DSGVO subsidiär zu einer Erhebung beim Betroffenen, sofern dies für den Verantwortlichen nicht ausnahmsweise unzumutbar ist.
3. Die Datenerhebung von Vorstrafen des Betroffenen ist nur unter den Voraussetzungen des Art. 10 DSGVO zulässig.
4. Der immaterielle Schadensersatz nach den DSGVO hat keinen Strafcharakter.
Verfahrensgang
LG Dresden (Aktenzeichen 8 O 1286/19) |
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Dresden vom 26.05.2021 - 8 O 1286/19 zurückgewiesen.
II. Von den Kosten des Rechtsstreits in zweiter Instanz tragen der Kläger 76 % und die Beklagten als Gesamtschuldner 24 %. Von den Kosten der Streithilfe trägt der Kläger ebenfalls 76 %; im Übrigen trägt der Streithelfer seine Kosten selbst.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Beschluss:
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird bis zum 09.11.2021 auf 21.000,00 EUR festgesetzt; ab dem 10.11.2021 auf 16.000,00 EUR.
Gründe
(abgekürzt gemäß §§ 540 Abs. 2 i.V.m. 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO)
I. Der Kläger verlangt gesamtschuldnerisch von den Beklagten die Zahlung von Schadensersatz wegen Verletzung seiner Rechte aus der DS-GVO. Der Streithelfer hatte im Auftrag des Beklagten zu 2), dieser wiederum handelnd namens des Beklagten zu 1) eine Recherche durchgeführt und hierbei u. a. Erkenntnisse über den Beklagten im Zusammenhang mit strafrechtlich relevanten Sachverhalten gewonnen. Der Beklagte zu 1) nahm dies zum Anlass, die vom Kläger beantragte Mitgliedschaft beim Beklagten zu 1) abzulehnen, nachdem dessen Vorstandsmitglieder durch den Beklagten zu 2) über das Ergebnis der Recherche unterrichtet worden waren.
Das Landgericht hat einen Schadensersatz in Höhe von 5.000,00 EUR wegen des Verstoßes gegen die DS-GVO durch die Beklagten für angemessen erachtet. Während der Kläger mit seiner Berufung weiterhin die Zahlung des ursprünglich verlangten Schmerzensgeldes in Höhe von insgesamt 21.000,00 EUR weiterverfolgt, haben die Beklagten und der Streithelfer jeweils für sich selbstständige Berufungen mit dem Ziel der Klageabweisung eingelegt. Sie haben aus unterschiedlichen Gründen bereits einen Haftungsgrund für nicht gegeben angesehen. Nach Hinweisen des Senats in der mündlichen Verhandlung vom 09.11.2021 haben die Beklagten und der Streithelfer ihre Berufungen zurückgenommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und die Sitzungsniederschrift vom 9.11.2021 verwiesen.
II. Die zulässige Berufung des Klägers bleibt in der Sache ohne Erfolg.
1. Nach Rücknahme der Berufungen durch die Beklagten und deren Streithelfer steht ein jeweils selbstständiger Verstoß gegen die Vorschriften der DS-GVO durch die Beklagten rechtskräftig fest. Sowohl der Beklagte zu 1) als auch der Beklagte zu 2) sind verantwortlich im Sinne von Art. 4 Nr. 7 DS-GVO, denn Anknüpfungspunkt für einen Anspruch aus Art. 82 Abs. 1 DS-GVO ist zunächst die "Verantwortlichkeit", die immer dann zu bejahen ist, wenn eine natürliche oder juristische Person alleine oder gemeinsam mit anderen über die Zwecke und die Mittel der Verarbeitung von personenbezogenen Daten entscheiden kann und entscheidet (Gola, Bearb. Gola, DS-GVO-Kommentar, 2. Aufl. 2018, Art. 4 Rz. 48; Ambrock ZD 2020, S. 429 - nach beck-online). Damit entfällt zwar in aller Regel die Verantwortlichkeit weisungsgebundener Angestellter oder sonstiger Beschäftigter, für den Geschäftsführer, wie es der Beklagte zu 2) zum Zeitpunkt der Beauftragung des Streithelfers war, gilt dies allerdings nicht.
Die Beklagten haben auch personenbezogene Daten im Sinne des Art. 4 Ziff. 1 DS-GVO verarbeitet. Denn nach Art. 4 Ziff. 2 DS-GVO fällt hierunter das Erheben und Erfassen von Daten ebenso wie die Offenlegung durch Übermittlung oder das Abfragen sowie die Verbreitung oder eine andere Form der Bereitstellung.
Die in dieser Weise durch die Beklagten als Verantwortliche durchgeführte Datenverarbeitung war unrechtmäßig. Dabei ist unerheblich, dass der Kläger seine Einwilligung nur im Hinblick auf die Weitergabe seiner Daten zu werblichen Zwecken ausdrücklich untersagt hat. Nach der Regelungsstruktur der DS-GVO ist jede Verarbeitung personenbezogener Daten ohne aktiv erteilte Einwilligung rechtswidrig, es sei denn, es greift einer der in Art. 6 DS-GVO genannten Rechtfertigungsgründe. Allerdings ist auch dies vorliegend nicht der Fall, wie das Landgericht zutreffend erkannt hat. Eine Rechtfertigung nach Art. 6 Abs. 1f DS-GVO kommt vorliegend nicht in Betracht. Dabei bedarf es noch nicht einmal der bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen nach Art. 6 Abs. 1 f DS-GVO erforderlichen Interessenabwägung, denn die im Ausspähen des Klägers liegende und dem Beklagten zuzurechnende Datenverarbeitung war bereits nicht erforderlich. Der Erforderlichkeitsgrundsatz ...