Normenkette
ZPO § 719 Abs. 1 S. 1, § 707 Abs. 1 S. 1, § 709 S. 1
Verfahrensgang
LG Düsseldorf (Entscheidung vom 13.05.2008) |
Tenor
I. Auf Antrag der Beklagten wird die Zwangsvollstreckung aus dem am 13. Mai 2008 verkündeten Urteil der 4a. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 250.000,-- Euro einstweilen eingestellt.
II. Der weitergehende Einstellungsantrag wird zurückgewiesen.
Gründe
Der Einstellungsantrag der Beklagten hat in dem aus dem Beschlusstenor ersichtlichen Umfang Erfolg.
1. Gemäß §§ 719 Abs. 1 Satz 1, 707 Abs. 1 Satz 1 ZPO kann, wenn gegen ein für vorläufig vollstreckbar erklärtes Urteil Berufung eingelegt wird, die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil - gegen oder ohne Sicherheitsleistung - einstweilen eingestellt werden. Im Rahmen der demnach zu treffenden Ermessensentscheidung hat das Gericht die widerstreitenden Interessen des Gläubigers einerseits und des Schuldners andererseits abzuwägen. Dabei hat es die Wertentscheidung des Gesetzgebers zu beachten, dass grundsätzlich den Belangen des Vollstreckungsgläubigers der Vorrang gebührt. Der Vorschrift des § 709 Satz 1 ZPO ist zu entnehmen, dass der Vollstreckungsschuldner in aller Regel bereits durch die vom Gläubiger vor der Vollstreckung zu leistende Sicherheit hinreichend geschützt ist. Es entspricht daher gefestigter Rechtsprechung, dass in Fällen, in denen das angefochtene Urteil (wie hier) nur gegen Sicherheitsleistung des Gläubigers vollstreckbar ist, eine Einstellung der Zwangsvollstreckung nur in Ausnahmefällen unter besonderen Umständen in Betracht kommen kann (vgl. nur OLG Düsseldorf, MDR 1987, 415; OLG Celle, OLGZ 1993, 475 f.). Zu dieser allgemeinen Erwägung tritt im Bereich des Patentrechts noch die Besonderheit, dass die Laufzeit des Patents und damit das von ihm vermittelte Unterlassungsgebot zeitlich begrenzt ist, weshalb jedenfalls bei einem zeitnahen Ablauf des Schutzrechts jedes Hinausschieben der Zwangsvollstreckung zu einem vollständigen Leerlaufen des Unterlassungsanspruchs führen kann (BGH, GRUR 2000, 862/863 - Spannvorrichtung). Die Einstellung der Zwangsvollstreckung ist daher grundsätzlich nur gerechtfertigt, wenn entweder bereits im Zeitpunkt der Entscheidung über den Einstellungsantrag bei der im Verfahren nach §§ 719, 707 ZPO gebotenen summarischen Prüfung festgestellt werden kann, dass das angefochtene Urteil voraussichtlich keinen Bestand haben wird oder wenn der Schuldner die Gefahr eines besonderen Schadens darlegen und glaubhaft machen kann, der über die allgemeinen Vollstreckungswirkungen hinausgeht (Senat, Mitt. 1997, 257, 256 - Steinknacker; B. v. 30. Aug. 1999, Az. I - 2 U 104/99; zuletzt B. v. 21. Feb. 2008, Az. I - 2 U 57/07; allg. z. ZwV. OLG Frankfurt/Main, MDR 1997, 393; OLG Köln, ZIP 1994, 1053).
Vorliegend ist zwar bei summarischer Prüfung weder festzustellen, dass das erstinstanzliche Urteil voraussichtlich keinen Bestand haben wird, noch ist dargetan oder ersichtlich, dass der den Beklagten drohende Schaden über die allgemeinen Vollstreckungswirkungen hinausgeht. Das bedeutet aber nicht, dass dem Einstellungsantrag der Beklagten damit der Erfolg zu versagen ist. Der Grundsatz, dass eine Einstellung nur dann geboten ist, wenn bereits im Zeitpunkt der Entscheidung über den Einstellungsantrag bei summarischer Prüfung festgestellt werden kann, dass das angefochtene Urteil voraussichtlich keinen Bestand haben wird, beruht darauf, dass sich das Vordergericht bereits im Einzelnen mit dem Sachverhalt befasst und über die sich stellenden Fragen entschieden hat. Dann ist es geboten, den Interessen des Beklagten nur dann den Vorrang einzuräumen, wenn sich das angefochtene Urteil bereits bei summarischer Prüfung als offensichtlich fehlerhaft erweist. Diese Erwägung kommt jedoch nicht zum Tragen, wenn das Vordergericht wesentliche, entscheidungserhebliche Aspekte des Falles außer Acht gelassen und über die sich insoweit stellenden Fragen nicht entschieden hat. So liegen die Dinge hier.
Das Klagepatent betrifft ein Verfahren zum Verarbeiten von im Voraus bezahlten Telefonanrufen (prepaid telephone calls), das folgende Schritte umfasst:
(a) Programmieren einer öffentlichen automatischen Nebenstellen- (oder TK-) Anlage (Public Automatic Branch exchange - PABX) zum gebührenfreien Zugang für eingehende Anrufe durch Wählen einer Nummer aus einer Serie von vorbestimmten Nummern, die in einer Datenbank des PABX gespeichert sind;
(b) Ermöglichen, eine Verbindung mit einem Angerufenen herzustellen;
(c) Abbrechen der Verbindung nach einer festgesetzten Zeit/Zählimpulszeitraum;
(d) Löschen jeder Nummer, die einmal gewählt worden ist, aus der Datenbank;
(e) Notieren jeder Nummer aus der Serie auf einem verkäuflichen Trägerelement in unsichtbarer, jedoch leicht freilegbarer Weise; und
(f) Anbieten der verkäuflichen Trägerelemente zum Verkauf an das öffentliche Publikum.
Nach derzeitigem Sach- und Streitstand spricht alles dafür, dass die in I. geschäftsansässige Beklagte zu 1. ihr eigenes "PABX" nich...