Leitsatz (amtlich)
Zur Zulässigkeit eines selbständigen Beweisverfahrens in Arzthaftungssachen.
Normenkette
ZPO § 485
Verfahrensgang
LG Krefeld (Beschluss vom 18.11.2009; Aktenzeichen 3 OH 23/09) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss der 3. Zivilkammer des LG Krefeld vom 18.11.2009 aufgehoben.
Das LG wird angewiesen, von seinen Bedenken gegen die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für den Antrag der Antragstellerin vom 8.9.2009 auf Erlass einer Beweisanordnung gem. § 485 ZPO Abstand zu nehmen.
Gründe
I. Die gem. § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO zulässige sofortige Beschwerde der Antragstellerin hat in der Sache Erfolg. Das LG hat zu Unrecht von dem Erlass der beantragten Beweisanordnung im selbständigen Beweisverfahren über die Themen, die Gegenstand des Antrages der Beschwerdeführerin vom 8.9.2009 sind, abgesehen. Entgegen der Begründung der angefochtenen Entscheidung ist der auf Einholung eines fachmedizinischen Sachverständigengutachtens gerichtete Antrag in zulässiger Weise gestellt, weil die Voraussetzungen des § 485 Abs. 2 Ziff. 1, 2 und 3 ZPO gegeben sind. Die Antragstellerin hat auch ein rechtliches Interesse an der Durchführung des selbständigen Beweisverfahrens gem. § 485 Abs. 2 Satz 2 ZPO.
II.1) Der Statthaftigkeit des nach § 485 ZPO gestellten Antrages steht nicht entgegen, dass die durch die Antragstellerin formulierte Beweisthematik im Ergebnis darauf hinausläuft festzustellen, ob Behandlungsfehler der Antragsgegnerinnen gegeben sind und welche Maßnahmen ggf. im Falle von Behandlungsfehlern zur Beseitigung der Folgen der kieferorthopädischen Behandlungen durchzuführen sind sowie welcher Aufwand damit verbunden ist.
1) Unzutreffend ist die Begründung der angefochtenen Entscheidung, es sei weder dargetan noch glaubhaft gemacht, dass die Besorgnis bestehe, es könnten die notwendigen Feststellungen zur Frage der Ordnungsgemäßheit der kieferorthopädischen Behandlungen der Antragsgegnerinnen im Hauptsacheverfahren nicht mehr getroffen werden. Mangels einer Zustimmung der Gegnerinnen gem. § 485 Abs. 1 ZPO beurteilt sich die Zulässigkeit des Antrages auf Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens nicht nach dieser Vorschrift, sondern nach Maßgabe des Abs. 2 dieser Bestimmung. Danach kommt es für die Feststellung des Zustandes einer Person, der Ursache eines Personenschadens und des Aufwandes für die Beseitigung des Personenschadens nicht auf das in § 485 Abs. 1 angesprochene Beweissicherungsbedürfnis an, weil ein Rechtsstreit noch nicht anhängig ist.
2) Die Antragstellerin begehrt insoweit eine Feststellung über den Zustand ihrer Person, als sie eine gutachterliche Aufklärung über die als fehlerhaft durchgeführt behauptete kieferorthopädischen Behandlungen der Antragsgegnerin einschließlich einer Parodontoseerkrankung erstrebt. Dabei bringt sie den Gebisszustand mit Behandlungsfehlern der Antragsgegnerinnen in Verbindung und möchte einen möglichen Kausalzusammenhang im Vorfeld eines Streitverfahrens gutachterlich geklärt wissen. Gleiches gilt hinsichtlich der Beweisthematik, welche die Kosten der Mangelbeseitigung betreffen soll. Da die beiden Antragsgegnerinnen unabhängig voneinander und zeitlich versetzt mit der kieferorthopädischen Behandlung der Antragstellerin befasst waren, möchte sie auch den jeweils auf die Antragsgegnerin zu 1) bzw. auf die Antragsgegnerin zu 2) gegebenenfalls entfallenden Verursachungsbeitrag gesondert festgestellt wissen, um die Ursache des Personenschadens i.S.d. § 485 Abs. 2 Ziff. 2 ZPO abschließend gutachterlich aufklären zu lassen.
3) Im selbständigen Beweisverfahren auf Begutachtung durch einen Sachverständigen (§ 485 Abs. 2 ZPO) ist der Sachvortrag des Antragstellers hinsichtlich des Hauptanspruchs, zu dessen Geltendmachung die Begutachtung dienen soll, grundsätzlich nicht auf seine Schlüssigkeit oder Erheblichkeit zu prüfen (BGH NJW 2004, 2488 = MDR 2005, 162). Die Zulässigkeit des in Rede stehenden Antrages scheitert somit nicht daran, dass die Antragstellerin aller Wahrscheinlichkeit nach ein erhebliches Mitverschulden an der Entstehung der Gingivits und damit letztlich an der Ursache der Parodontoseerkrankung aufgrund des Umstandes trifft, dass sie übliche mundhygienische Maßnahmen nicht durchgeführt und wiederholt ärztliche Behandlungs- und Nachuntersuchungstermine - auch bei dem Parodontologen Dr. L. - nicht wahrgenommen hat. Die Frage allerdings, ob wegen der offenkundigen Nachlässigkeiten der Antragstellerin oder wegen der Versäumnisse ihrer anfänglich mit der Personensorge befasst gewesenen Erziehungsberechtigten gegebenenfalls ein Antrag auf Prozesskostenhilfe zur Ermöglichung einer Schadensersatzklage gegen die Antragsgegnerin zu 1) und/oder gegen die Antragsgegnerin zu 2) positiv zu bescheiden sein wird, wird eine kritische Prüfung der Sach- und Rechtslage unter dem Gesichtspunkt des Mitverschuldens (§ 254 Abs. 1 BGB) erforderlich machen. Für das selbständige Beweisverfahren kommt es auch nicht darauf an, dass die Antragsgegnerin z...