Leitsatz (amtlich)
1. Setzen sich kinderlos gebliebene Ehepartner in einem gemeinschaftlichen Testament gegenseitig zu Alleinerben und Verwandte beider Seiten zu Schlusserben ein, sind die letztwilligen Verfügungen in mehrfacher Hinsicht wechselbezüglich.
2. Sofern keine gegenteiligen Anhaltspunkte vorhanden sind, ist die Einsetzung der Schlusserben nicht von vornherein nur insoweit wechselbezüglich, wie Verwandte der vorverstorbenen Ehefrau bedacht worden sind.
Wechselbezüglich ist vielmehr
a) die Einsetzung der Eheleute zu gegenseitigen Alleinerben,
b) ebenso die gegenseitige Erbeinsetzung der Eheleute und die Berufung von eigenen Verwandten zu Schlusserben,
c) und schließlich auch die Schlusserbeneinsetzung als solche.
Normenkette
BGB §§ 2269, 2270 Abs. 1, § 2271 Abs. 2 S. 1
Verfahrensgang
AG Ratingen (Aktenzeichen 14 VI 200/20) |
Tenor
I. Die Beschwerde des Beteiligten zu 1. gegen den Beschluss des Amtsgerichts Oberhausen vom 10. November 2021 wird zurückgewiesen.
II. Der Beteiligte zu 1. hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
III. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
IV. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 10.000 Euro festgesetzt.
Gründe
I. Der Erblasser ist kinderlos verstorben. Zusammen mit seiner im Juni 2012 vorverstorbenen Ehefrau hat er zwei letztwillige Verfügungen hinterlassen. Durch handschriftlich verfasstes Testament vom 9. Januar 1997 haben sich die Eheleute gegenseitig zu Alleinerben eingesetzt. Durch handschriftliche Erklärung vom 26. Juli 2004 haben der Erblasser und seine Ehefrau Folgendes verfügt:
"Im Falle unseres Todes setzen wir folgende Personen als Erben ein:
1. ... (lies: Der Beteiligte zu 1.) soll die Hälfte unseres Barvermögens und der Eigentumswohnung bekommen.
2. ... (lies: Die Beteiligte zu 3.) soll ein Viertel unseres Barvermögens und der Eigentumswohnung bekommen.
3. ... H.R. soll ein Viertel unseres Barvermögens und der Eigentumswohnung bekommen.
4. Die Lebensversicherung ... auf ... (lies: den Erblasser) ... soll zu 100 % an ... (lies: den Beteiligten zu 1.) ausgezahlt werden.
5. Unser Urnengrab und die Grabpflege sowie die Beerdigungskosten und die Bewirtung der Trauergäste sind in gleichen Teilen von den Erben zu bezahlen."
Beide letztwilligen Verfügungen sind auf ein und demselben Papierbogen niedergeschrieben. Als Schlusserben bedacht haben die Eheleute in ihrem gemeinschaftlichen Testament mit der Beteiligten zu 3. eine Nichte des Erblassers, mit dem Beteiligten zu 1. einen Neffen der Ehefrau des Erblassers sowie mit H.R. eine Nichte der Ehefrau des Erblassers. Die letztgenannte Miterbin ist im Jahre 2012 kinderlos vorverstorben.
Nach dem Tod seiner Ehefrau hat der Erblasser unter dem 14. Dezember 2015 eine weitere testamentarische Verfügung getroffen. Das handschriftliche Testament lautet auszugsweise:
"Mein letzter Wille
Nach meinem Tod setze ich, ..., folgende Personen als meine Erben ein:
1. ... (lies: Dem Beteiligten zu 1. und seiner Ehefrau), ..., vererbe ich die Eigentumswohnung Nr. 2 und Garage Nr. 9 ...
2. ... (lies: M.R.), ..., vererbe ich ein Achtel meines Barvermögens.
3. ..., ..., vererbe ich ein Achtel meines Barvermögens.
4. ... (lies: Der Beteiligten zu 3.), ..., vererbe ich ein Achtel meines Barvermögens. Außerdem die 9 Bilder ihrer Mutter und das Bild vom S. Birdes.
5. ..., ..., vererbe ich ein Achtel meines Barvermögens.
6. ..., ..., vererbe ich ein Achtel meines Barvermögens.
7. ..., ..., vererbe ich ein Achtel meines Barvermögens.
8. ..., ..., vererbe ich ein Achtel meines Barvermögens.
9. ..., ..., vererbe ich ein Achtel meines Barvermögens.
10. Sollte einer der vorgenannten Erben verstorben sein, wird ihr Erbe auf ihre Kinder oder ihr nächster Verwandter als Ersatzerbe übertragen.
11. ..."
Der Beteiligte zu 1. hat die Erteilung eines Erbscheins beantragt, der ihn als Alleinerben ausweist.
Das Amtsgericht hat den Antrag zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass sich die Erbfolge nach dem Einzeltestament des Erblassers vom 14. Dezember 2015 und nicht nach der letztwilligen Verfügung der Eheleute vom 26. Juli 2004 richte. Denn die letztgenannte testamentarische Verfügung sei alleine für den Fall getroffen worden, dass der Erblasser und seine Ehefrau zeitgleich versterben; das Testament beinhalte daher nicht die Bestimmung der Schlusserben nach dem Tod des letztversterbenden Ehepartners. Außerdem sei - so das Amtsgericht weiter - nicht festzustellen, dass der Erblasser und seine Ehefrau die Anordnungen vom 26. Juli 2004 wechselbezüglich getroffen hätten, weshalb der Erblasser nach dem Tod seiner Ehefrau befugt gewesen sei, abweichend zu testieren.
Gegen diese rechtliche Beurteilung wendet sich der Beteiligte zu 1. mit seiner Beschwerde. Er verfolgt seinen Erbscheinantrag weiter und bittet hilfsweise um die Erteilung eines Erbscheins, der ihn selbst und seine Ehefrau Verena als Erben ausweist.
Das Amtsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen, die Entscheidung über den Hilfsantrag zurückgestellt und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
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