Leitsatz (amtlich)
Zur Begründung der Aufklärungsrüge, mit der geltend gemacht wird, dass ein Messprotokoll nicht in der Hauptverhandlung verlesen worden ist.
Die Einhaltung der Gebrauchsanweisung des Geräteherstellers ist bei standardisierten Messverfahren in dem Sinne verbindlich, dass nur durch sie das hierdurch standardisierte Verfahren. Kommt es im konkreten Einzelfall zu Abweichungen von der Gebrauchsanweisung, so handelt es sich nicht mehr um ein standardisiertes Messverfahren. Es liegen dann konkrete Anhaltspunkte für die Möglichkeit von Messfehlern vor mit der Folge, dass das Gericht, wenn es die Verurteilung auf ein solches durch den Mangel eines Verstoßes gegen die Gebrauchsanweisung belastetes Messergebnis stützen will, dessen Korrektheit individuell zu überprüfen hat.
Verfahrensgang
AG Geldern (Entscheidung vom 26.05.2011) |
Tenor
Das angefochtene Urteil wird mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben und zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Rechtsbeschwerdeinstanz - an eine andere Strafabteilung des Amtsgerichtes Geldern zurückverwiesen. (§§ 79 Abs.3 OWiG, 353, 354 Abs. 2 Satz 1 StPO).
Gründe
Die gemäß § 79 Abs. 1 Nr. 1 und 2 OWiG statthafte und entsprechend den § 79 Abs. 3 OWiG, §§ 341 Abs. 1, 344, 345 StPO form- und fristgerecht angebrachte Rechtsbeschwerde, mit der der Betroffene die Verletzung formellen und sachlichen Rechts rügt, hat - zumindest vorläufig - Erfolg.
1.
Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen vorsätzlicher Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaften um 39 km/h gern. §§ 3 Abs. 3, 49 StVO, §§ 24, 25 Abs. 2a StVG zu einer Geldbuße von 360,- Euro verurteilt und gegen ihn nach § 25 StVG ein Fahrverbot angeordnet.
2.
Die Rechtsbeschwerde macht geltend, das Amtsgericht habe zu Unrecht von der Verlesung des Messprotokolls abgesehen und durch die Nichterhebung des Beweises seine aus § 244 Abs. 2 StPO i.V.m. § 46 OWiG folgende Aufklärungspflicht verletzt (vgl. BGH NStZ 2011, 471). Das Landgericht hätte die Beweiserhebung von Amts wegen auf das Messprotokoll erstrecken müssen und bezeichnet ausdrücklich § 244 Abs. 2 StPO als verletzt.
Die Generalstaatsanwaltschaft Düsseldorf hat in ihrer Antragsschrift vom 28. September 2011 hierzu im Einzelnen ausgeführt:
"Die Erhebung einer zulässigen Aufklärungsrüge setzt voraus, dass der Beschwerdeführer die Tatsache, die das Gericht zu ermitteln unterlassen hat, und das Beweismittel bezeichnet, dessen sich der Tatrichter hätte bedienen sollen. Ferner sind die Umstände mitzuteilen, aufgrund derer sich der Tatrichter zu der beantragten Beweiserhebung hätte gedrängt sehen müssen, und welches Ergebnis von der unterbliebenen Beweiserhebung zu erwarten gewesen wäre (OLG Düsseldorf, VRS 93, 433 ff; Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl., § 244 Rdnr. 81 m.w.N.). Wird beanstandet, dass eine Urkunde nicht verlesen oder im Wege des Selbstleseverfahrens in die Hauptverhandlung eingeführt worden ist, so ist es daher in aller Regel erforderlich, dass die Revision den Wortlaut der Urkunde wiedergibt (Becker in: Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 244 Rdnr. 368 m.w.N.); denn nur dann ist das Revisionsgericht in der Lage zu prüfen, ob sich das Tatgericht aufgrund seiner Aufklärungspflicht zur Beweisaufnahme über den Urkundeninhalt hätte gedrängt sehen müssen (BGH. a.a.O., zit. in. [...], Rdnr. 10).
Danach entspricht die von dem Betroffenen erhobene Aufklärungsrüge den Anforderungen der § 79 Abs. 3 S. 1 OWiG, § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO. Der Beschwerdeführer teilt die nicht ermittelte Tatsache, die nicht vollständige Ausführung des Funktionstests des Laser-Messgerätes, mit, er benennt auch das zur Ermittlung dieser Tatsache relevante Beweismittel, das Messprotokoll. Darüber hinaus teilt der Betroffene den Wortlaut der Urkunde, deren Verlesung er vermisst, mit. Eine Überprüfung durch den Senat, ob die Verlesung überhaupt zur Sachaufklärung hätte beitragen können, ist daher möglich (vgl. Meyer-Goßner, a.a.O. Rdnr. 81). Der Betroffene führt ferner aus, warum sich das Gericht zu der Verlesung des Messprotokolls hätte gedrängt sehen müssen, und zu welchem Ergebnis die unterbliebene Beweisaufnahme geführt hätte (BI. 47 f. d.A.).
Die Aufklärungsrüge ist auch begründet.
Die aufgrund der Rüge zulässige Überprüfung der Sachakte (vgl. BGHR StPO § 244 Abs. 2 Strafzumessung 1) ergibt folgendes: Dem Messprotokoll (BI. 3 d.A.) ist - wie von der Rechtsbeschwerde zutreffend ausgeführt - zu entnehmen, dass nur drei der vier gemäß Gebrauchsanweisung erforderlichen Funktionstests durchgeführt worden sind. In Anbetracht dieser sich aus den Akten ergebenden, und insoweit im Rahmen der Aufklärungspflicht beachtlichen (vgl. Meyer-Goßner, a.a.O. Rdnr. 12) Erkenntnisse musste das Amtsgericht begründete Zweifel an der korrekten Durchführung der Geschwindigkeitsmessung haben und die Möglichkeit nutzen, die Frage nach verwertbaren Messergebnissen weiter aufzuklären. Denn auch im Ordnungswidrigkeitenverfahren ist das Gericht gemäß § 77 Ab...