Leitsatz (amtlich)
›Eine Zurückschiebungshaft ist unzulässig, wenn der Betroffene freiwillig und auf direktem Weg in das Land ausreisen will, in das er zurückgeschoben werden soll, denn eine Haftanordnung darf nicht allein aufgrund der Erfüllung der formalen Voraussetzungen des § 62 Abs. 2 erfolgen, sondern es ist stets auch das verfassungsrechtliche Verhältnismäßigkeitsgebot zu beachten. Die Haft muss immer die ultima ratio bleiben.‹
Verfahrensgang
LG Wuppertal (Aktenzeichen 6 T 307/06) |
Gründe
I.
Der Betroffene reiste am 16.02.1991 erstmals nach Deutschland ein. Er stellte einen Asylantrag, der am 18.12.1992 rechtskräftig abgelehnt wurde. Nach eigenen Angaben reiste der Betroffene sodann freiwillig nach Kinshasa und von dort aus nach Belgien ein, wo er einen Asylantrag stellte, diesen später aber wieder zurücknahm. Er hat mit seiner Ehefrau in Belgien 3 gemeinsame Kinder und wird dort unter dem Namen F., geboren X1965 in Kingshasa/Kongo, geduldet.
Am 22.05.2006 wurde der Betroffene von der Polizei in einer Wohnung in Wuppertal angetroffen. Er gab hierbei falsche Personalien an und legte eine belgische ID-Karte, ausgestellt auf den Namen M. vor. Es wurde festgestellt, dass der Betroffene bereits im März 2006 in Siegburg Papiere auf diesen Namen vorgelegt hatte und gegen ihn wegen des Verdachts eines Kontoeröffnungsbetrugs ermittelt wird. Bei seiner polizeilichen Vernehmung am 23.05.2006 gab der Betroffene an, er habe schon am Tag zuvor wieder nach Belgien zurückfahren wollen. Er hatte 200,00 EUR bei sich, die von der Polizei im Rahmen des eingeleiteten Strafverfahrens sichergestellt wurden.
Der Antragsteller hat am 23.05.2006 den Erlass eines Haftbefehls beantragt und zur Begründung ausgeführt, es lägen die Haftgründe des § 62 Abs. 2 Nr. 1 und 5 AufenthG vor; ob der Betroffene in Belgien ein Aufenthaltsrecht besitze werde derzeit noch überprüft.
Das Amtsgericht hat nach Anhörung des Betroffenen mit Beschluss vom 23.05.2006 antragsgemäß Sicherungshaft für höchstens 3 Monate angeordnet.
Hiergegen hat der Betroffen sofortige Beschwerde eingelegt, die vom Landgericht zurückgewiesen worden ist.
Nach einem vom zuständigen Sachbearbeiter des Antragstellers gefertigten Aktenvermerk vom 24.05.2006 ergab eine Anfrage am selben Tag bei der belgischen Liaisonbeamtin beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, dass der Betroffene - wie dargelegt - mit seiner Ehefrau und den gemeinsamen Kindern in Belgien lebe und dort geduldet werde.
Gegen den Beschluss des Landgerichts hat der Betroffene sofortige weitere Beschwerde eingelegt.
Er macht geltend, die Haftanordnung sei unverhältnismäßig, weil er freiwillig nach Belgien zurückkehren wolle.
Der Antragsteller tritt dem entgegen und trägt vor:
Der Betroffene sei bereits im Januar 2006 im Ausland aufgegriffen und im DÜ-Verfahren nach Belgien überstellt worden, dem Betroffenen sei also bekannt gewesen, dass er Belgien nicht verlassen dürfe. Eine freiwillige Ausreise nach Belgien sei dem Betroffenen nicht möglich, da er weder im Besitz eines gültigen Reisedokuments sei noch über finanzielle Mittel verfüge. Der Betroffene sei mehrfach mit unterschiedlichen Personalien im Bundesgebiet aufgegriffen worden und habe durch sein Verhalten gezeigt, dass er nicht bereit sei, sich der staatlichen Rechtsordnung zu unterwerfen. Aufgrund der vorliegenden Tatsachen habe man einer freiwilligen Ausreise nicht zustimmen können. Die Überstellung nach Belgien sei für den 14.06.2006 vorgesehen.
Wegen der Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Das gemäß §§ 5, 6 Abs. 2, 7 Abs. 1 FEVG zulässige Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg, denn die angefochtene Entscheidung beruht auf einer Rechtsverletzung (§§ 27 FGG, 546 ZPO).
1. Die Kammer hat zur Begründung ihrer Entscheidung ausgeführt:
Die Haftgründe des § 62 Abs. 2 Nr. 1 und 5 AufenthG lägen vor. Der Betroffene sei aufgrund einer unerlaubten Einreise vollziehbar ausreisepflichtig. Ferner bestehe der begründete Verdacht, dass der Betroffene sich der Abschiebung entziehen wolle. Er sei bereits im März diesen Jahres mit den Alias-Personalien in Siegburg auffällig geworden. Aus dem Umstand, dass er sich offensichtlich öfter illegal und unter falschem Namen in der Bundesrepublik aufhalte, ergebe sich die gerechtfertigte Befürchtung eines Untertauchens im Bundesgebiet. Soweit er geltend mache, sich berechtigt in Belgien aufzuhalten, stehe dies der Anordnung der Sicherungshaft nicht entgegen. Ein Aufenthaltstitel für das Bundesgebiet bestehe nicht. Unerheblich sei, dass, wie der Antragsteller nach Einholung einer Auskunft der belgischen Behörden mitgeteilt habe, der Betroffene zur Zeit in Belgien geduldet werde. Die Anordnung der Sicherungshaft erscheine auch nicht unverhältnismäßig.
2. Diese Ausführungen halten der dem Senat obliegenden rechtlichen Überprüfung nicht stand.
Die Aufrechterhaltung der Sicherungshaft über den 24.05.2006 hinaus ist unverhältnismäßig und damit rechtswidrig.
a) Hierbei ist davon auszugehen, dass das Landgericht die gegen de...