Leitsatz (amtlich)
Die Geschwindigkeitsmessung mit dem Gerät PoliScan Speed des Herstellers Vitronic stellt ein standardisiertes Messverfahren im Sinne der hierzu einschlägigen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs dar. Dies gilt auch für die Gerätesoftware 3.2.4, die - anders als die Vorgängerversionen - in Kombination mit der seit 24. 7. 2013 zugelassenen Auswertesoftware 3.45.1 einen erweiterten Datenexport zwecks nachträglicher Einsichtnahme in Positionsdaten ermöglicht. Dass hierbei nach wie vor nicht sämtliche Rohmessdaten, sondern nur die Zeit sowie Koordinaten für fünf markante Punkte offengelegt werden, stellt die Anerkennung des Systems als standardisiertes Verfahren nicht in Frage.
Verfahrensgang
AG Düsseldorf (Entscheidung vom 15.05.2014) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerden des Betroffenen und der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Amtsgerichts Düsseldorf vom 15. Mai 2014 werden als unbegründet verworfen.
Der Betroffene trägt die Kosten seines Rechtsmittels. Die Kosten des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft und die hierdurch dem Betroffenen entstandenen notwendigen Auslagen werden der Staatskasse auferlegt.
Gründe
Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zu einer Geldbuße von 300 € verurteilt. Auf die hiergegen gerichteten Rechtsbeschwerden sowohl des Betroffenen als auch der Staatsanwaltschaft hat der Einzelrichter die Sache gemäß § 80a Abs. 3 Satz 1 OWiG zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung dem Bußgeldsenat in der Besetzung mit drei Richtern übertragen. Beide Rechtsmittel bleiben im Ergebnis ohne Erfolg.
A. Rechtsbeschwerde des Betroffenen
I. Verfahrensrügen
1. Die Rüge der Verletzung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes (§ 250 StPO) ist unbegründet.
a) Nach den Feststellungen des Amtsgerichts befuhr der - hinsichtlich seiner Fahrereigenschaft geständige - Betroffene am 4. August 2013 gegen 9:20 Uhr mit einem Pkw die BAB 46 in Fahrtrichtung Neuss (Kilometer 75,136, Fleher Brücke) mit mindestens 124 km/h, obwohl in diesem Bereich die zulässige Höchstgeschwindigkeit durch eine Beschilderung, die der Betroffene hätte erkennen können und müssen, auf 80 km/h begrenzt war. Die vorwerfbare Geschwindigkeit hat das Amtsgericht aus dem bei der Geschwindigkeitsmessung mit einem Gerät des Typs PoliScan Speed F1 HP (Softwareversion 3.2.4) ermittelten Messwert von 128 km/h unter Abzug einer 3%igen Toleranz (4 km/h) errechnet. Der Betroffene rügt, dass das Gericht zwecks Überprüfung der Zuverlässigkeit des Messvorgangs sowie seiner Ergebnisse nur den Ausdruck der Mess-Falldatei ("Fallprotokoll") sowie den Eichschein zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemacht, nicht jedoch die elektronisch gesicherte digitale Falldatei als solche in die Hauptverhandlung eingeführt habe, obwohl es sich hierbei - laut Stellungnahme der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) zur Frage der Manipulierbarkeit signierter Falldateien, Ausgabe Oktober 2012 - um "das einzige originäre und unveränderliche Beweismittel" handele.
b) Die beanstandete Verfahrensweise stellt keinen Verstoß gegen den - im Bußgeldverfahren eingeschränkt geltenden (§ 77a OWiG) - Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme dar.
Dem Unmittelbarkeitsgrundsatz des § 250 StPO unterliegt nur die Beweiserhebung über Wahrnehmungen von Zeugen und Sachverständigen (Vorrang des Personalbeweises gegenüber dem Urkundenbeweis). Er verpflichtet das Gericht hingegen nicht, allgemein bei der Beweisaufnahme stets das sachnächste Beweismittel zu benutzen (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Auflage [2015], § 250 Rdnr. 3). In Fallkonstellationen der hier vorliegenden Art ist daher das Amtsgericht bei der Überprüfung einer Geschwindigkeitsmessung nicht daran gehindert, sich allein anhand des Fallprotokollausdrucks seine Überzeugung zu verschaffen, wenn es keinen Zweifel daran hegt, dass der Ausdruck die Daten der signierten Falldatei unverändert wiedergibt. Ob und in welcher Weise etwaigen Zweifeln in dieser Hinsicht nachzugehen ist, stellt keine Frage des Unmittelbarkeitsgrundsatzes dar, sondern berührt allein den Umfang der richterlichen Aufklärungspflicht (§ 77 OWiG, § 244 Abs. 2 StPO).
2. Eine Aufklärungsrüge hat der Betroffene in diesem Zusammenhang nicht zulässig erhoben. Da er diesbezüglich nur pauschal "unterlassene Beweiserhebung" beanstandet, erfüllt sein Vorbringen nicht die Darlegungsanforderungen des über § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG anwendbaren § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO.
3. Soweit ferner bemängelt wird, dass das Amtsgericht den in der Hauptverhandlung gestellten Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Verwertbarkeit des Messergebnisses zu Unrecht abgelehnt und hierdurch seine Aufklärungspflicht verletzt habe (§ 77 Abs. 2 Nr. 1 OWiG), bleibt dem Rechtsmittel der Erfolg versagt.
Der - zulässig erhobenen - Rüge liegt folgender Verfahrensgang zugrunde:
Die mit der Messgerätesoftware 3.2.4 ausgestatteten Messgeräte der hier vorliegenden Art (PoliScan Speed) waren seitens der PTB bis zum 23. Jul...