Tenor
1. Auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss der Vergabekammer Westfalen vom 21. Oktober 2021 (VK 2-41/21) aufgehoben und der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin vom 13. August 2021 als unzulässig verworfen.
2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens sowie des Nachprüfungsverfahrens vor der Vergabekammer einschließlich der jeweiligen notwendigen Aufwendungen der Antragsgegnerin werden der Antragstellerin auferlegt.
3. Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch die Antragsgegnerin wird für notwendig zu erklärt.
4. Der Wert für das Beschwerdeverfahren wird auf bis 19.000,00 Euro festgesetzt.
Gründe
I. Die Antragsgegnerin ist ein Versorgungsunternehmen im Bereich Wasser- und Energieversorgung, das über zwischengeschaltete Gesellschaften mittelbar überwiegend im Anteilseigentum der Städte ... steht. Ihren Postverkehr mit Lieferanten und Kunden wickelte sie in der Vergangenheit jedenfalls auch über die Antragstellerin ab.
Am 16. Juni 2021 fragte die Antragsgegnerin unter anderem bei der Antragstellerin unter Beifügung eines Leistungsverzeichnisses ein Angebot für einen einjährigen Rahmenvertrag ab dem 1. August 2021 über die Erbringung von Postdienstleistungen an den Standorten H. und S. ab. Von einer EU-weiten Ausschreibung hatte die Antragsgegnerin trotz eines geschätzten Auftragswerts von ... Euro netto abgesehen, da sie die Postdienstleistungen als Teil ihrer Sektorentätigkeit betrachtet und der von ihr ermittelte Auftragswert unter dem insoweit maßgeblichen Schwellenwert von 428.000,00 Euro lag. Neben der Antragstellerin gab auch die Beigeladene ein Angebot ab. Am 29. Juli 2021 beauftragte die Antragsgegnerin die Beigeladene mit den angefragten Postdienstleistungen, eine Vorabinformation der Antragstellerin war nicht erfolgt.
Mit Schriftsatz vom 13. August 2021 beantragte die Antragstellerin die Einleitung eines unter anderem auf Feststellung der Unwirksamkeit des vorgenannten Vertrages gerichteten Nachprüfungsverfahrens. Zu dessen Begründung trug sie vor, die Vergabe sei ohne die vorgeschriebene EU-weite Ausschreibung erfolgt. Es handele sich bei den vergebenen Postdienstleistungen nicht um eine Sektorentätigkeit. Die Versorgung der Allgemeinheit mit Energie und Trinkwasser werde durch den Versand von Briefen weder ermöglicht noch gefördert, gesichert oder erleichtert. Zudem stelle die Vergabe für lediglich zwölf Monate eine unzulässige Umgehung des Vergaberechts dar.
Die Antragstellerin hat beantragt,
1. festzustellen, dass der von der Antragsgegnerin mit der Beigeladenen abgeschlossene Vertrag über "Postdienstleistung, Abholung und Zustellung von Briefpost regional und national, Ausschreibungsnummer ..., unwirksam ist;
2. die Antragsgegnerin zu verpflichten, bei fortbestehender Beschaffungsabsicht unter Beachtung der Vorschriften des Kartellvergaberechts und der Rechtsauffassung der Vergabekammer die Postdienstleistungen (Abholung und Zustellung von Briefpost regional und national) in einem wettbewerblichen Verfahren zu beschaffen und eine Auftragsbekanntmachung im Amtsblatt der Europäischen Union zu veröffentlichen;
3. der Antragsgegnerin die Kosten des Nachprüfungsverfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten der Antragstellerin aufzuerlegen und
4. die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten durch die Antragstellerin für notwendig zu erklären.
Die Antragsgegnerin hat beantragt,
1. den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin insgesamt zurückzuweisen;
2. die Kosten des Nachprüfungsverfahrens sowie die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Antragsgegnerin der Antragstellerin aufzuerlegen;
3. die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch die Antragsgegnerin für notwendig zu erklären.
Der Nachprüfungsantrag sei bereits unzulässig, der Auftragswert liege weit unterhalb des für Sektorenauftraggeber maßgeblichen Schwellenwerts. Sie sei auch nicht gehalten gewesen, einen Rahmenvertrag mit längerer Laufzeit auszuschreiben. Wegen der von ihr geplanten Digitalisierung ihrer Kommunikation sei sie nicht in der Lage gewesen, ihren verbleibenden Bedarf an analoger Postkommunikation seriös für einen längeren Zeitraum als zwölf Monate zu kalkulieren.
Die Vergabekammer hat den an die Beigeladene vergebenen Auftrag für unwirksam erklärt und die Antragsgegnerin bei fortbestehender Beschaffungsabsicht zur Fortsetzung der Vergabe unter Beachtung ihrer Rechtsauffassung verpflichtet. Die Antragsgegnerin habe die Postdienstleistungen nicht als Sektorenauftraggeberin vergeben und sei daher als öffentliche Auftraggeberin dem allgemeinen Vergaberecht unterworfen. Es genüge nicht, dass eine Tätigkeit einen positiven Beitrag zur Sektorentätigkeit leiste. Im Interesse größtmöglichen Wettbewerbs müsse die "Janusköpfigkeit" der §§ 100 ff GWB berücksichtigt werden. Während die Sektorentätigkeit einen grundsätzlich nicht dem Vergaberecht unterworfenen privaten Auftraggeber zur Ausschreibung verpflichte, schaffe sie für die Sektoren...