Leitsatz (amtlich)

1. Wird die am Gesellschaftsvermögen und am Vermögen eines Gesellschafters gesicherte Forderung eines Darlehensgläubigers nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft durch Verwertung der Gesellschaftssicherheit befriedigt, kommt ein Erstattungsanspruch der Insolvenzmasse in entsprechender Anwendung des § 143 Abs. 3 InsO in Betracht.

2. Der Anspruch setzt auch dann, wenn sowohl die Eröffnung des Insolvenzverfahrens als auch die Befreiung des Bürgen von der Bürgschaft nach dem In-Kraft-Treten des MoMiG am 01.11.2008 erfolgt sind, voraus, dass die Bürgschaft eigenkapitalersetzenden Charakter hatte, wenn der Bürge seine Gesellschafterstellung vor diesem Zeitpunkt innerhalb des letzten Jahres vor Insolvenzantragstellung verloren hat.

3. Der Verzicht des Gläubigers auf die Rechte aus der Bürgschaft innerhalb eines Jahres vor Insolvenzantragstellung oder nach Insolvenzantragstellung steht auch nach In-Kraft-Treten des MoMiG einer Inanspruchnahme des Gesellschafter-Bürgen analog § 143 Abs. 3 InsO nicht entgegen.

 

Normenkette

InsO analog § 135 Abs. 2; InsO § 143 Abs. 3; EGInsO Art. 103d

 

Verfahrensgang

LG Kleve (Aktenzeichen 4 O 35/13)

 

Tenor

I. Der Senat weist zur Vorbereitung des Senatstermins am 14.01.2016 darauf hin, dass der Rechtsstreit nicht entscheidungsreif sein dürfte. Ein Anspruch des Klägers in analoger Anwendung des § 143 Abs. 3 InsO kann mit der vom LG gegebenen Begründung nicht verneint werden, da der Verzicht der Sparkasse auf die Bürgschaft der Erstattungspflicht im Grundsatz nicht entgegensteht. Da der Beklagte seine Gesellschafterstellung allerdings bereits vor dem 01.11.2008 aufgegeben hat, ist erforderlich, dass die Bürgschaft eigenkapitalersetzenden Charakter hatte. Hierzu hat das LG - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - keine Feststellungen getroffen.

 

Gründe

1. Der Senat folgt der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 01.12.2011 - IX ZR 11/11 = ZIP 2011, 2417 ff., juris), wonach ein Erstattungsanspruch der Insolvenzmasse in entsprechender Anwendung des § 143 Abs. 3 InsO in Betracht kommt, wenn die am Gesellschaftsvermögen und am Vermögen eines Gesellschafters gesicherte Forderung eines Darlehensgläubigers nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft durch Verwertung der Gesellschaftssicherheit befriedigt wird. Aus den Wertungen der §§ 39 Abs. 1 Nr. 5, 44a und 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO ergibt sich, dass die Gesellschaftersicherheit im wirtschaftlichen Ergebnis vorrangig zu verwerten ist (BGH, a.a.O. Rn. 10; Ede, ZInsO 2012, 853, 854). Dies gilt unabhängig davon, ob die Bürgschaft - wie im Tatbestand des landgerichtlichen Urteils festgestellt (§ 314 ZPO) - eine selbstschuldnerische war, weshalb es auf die gegenteilige Behauptung des Beklagten, mit der er in Ermangelung eines Tatbestandsberichtigungsantrags (§ 320 ZPO) ohnehin nach § 531 Abs. 2 ZPO ausgeschlossen wäre, schon nicht ankommt. Der Regressanspruch gegen den Gesellschafter kann nicht davon abhängen, ob eine Verwertung vor oder nach Verfahrenseröffnung erfolgt ist. Anderenfalls könnte der Gesellschafter eine Besserstellung erreichen, indem er den Gläubiger zu einer Verwertung der Sicherheit erst nach Insolvenzeröffnung bewegt. Eine solche Möglichkeit ist unter keinem Gesichtspunkt gerechtfertigt (Ede, a.a.O., 855 f.; HK-InsO/Kreft, 7. Aufl., § 147 Rn. 9). Wie in den in § 147 InsO geregelten Fällen handelt es sich bei der Verwertung der Gesellschaftssicherheit durch den Gläubiger um einen Zugriff auf die Masse, den der Insolvenzverwalter nicht verhindern kann. Dies rechtfertigt eine Abweichung vom Erfordernis der Vornahme der Rechtshandlung vor Verfahrenseröffnung (BGH, a.a.O. Rn. 20).

2. Ob die Voraussetzungen für einen Anspruch analog §§ 143 Abs. 3, 135 Abs. 2 InsO in Bezug auf die Bürgschaft des Beklagten vorliegen, kann nicht abschließend beurteilt werden. Zwar stand der Sparkasse als Drittgläubigerin ein Anspruch gegen die Schuldnerin i.H.v. 486.156,67 EUR zu (Anl. K 13 = Bl. 99 ff.). Der Beklagte hatte für diese Forderung bis zu einem Höchstbetrag von 500.000 EUR Sicherheit in Form einer Bürgschaft geleistet (Anl. K 7 = Bl. 88 f.). Ein Erstattungsanspruch kommt aber nur in Betracht, wenn diese Bürgschaft eigenkapitalersetzenden Charakter hatte.

2.1. Das LG ist zutreffend davon ausgegangen, dass einem Erstattungsanspruch nicht entgegensteht, dass der Beklagte nicht direkt als Gesellschafter an der Schuldnerin beteiligt war. Der mittelbar an einer Gesellschaft Beteiligte ist hinsichtlich seiner Kredithilfen für die Gesellschaft wie ein unmittelbarer Gesellschafter zu behandeln. Dies gilt jedenfalls für den Gesellschafter-Gesellschafter, also denjenigen, der an der Gesellschafterin der Gesellschaft beteiligt ist und auf Grund einer qualifizierten Anteilsmehrheit einen beherrschenden Einfluss auf die Gesellschafterin ausüben kann (BGH, Urt. v. 21.02.2013? IX ZR 32/12 = NZI 2013, 308, 310 Tz. 21). Das traf auf den Beklagten als Mehrheitsgesellschaf...

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