Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Aussetzung des Hauptsacheverfahrens im Hinblick auf ein selbständiges Beweisverfahren
Leitsatz (amtlich)
Eine Aussetzung des Hauptsacheverfahrens gem. § 148 ZPO kommt nicht in Betracht, weil es an einem vorgreiflichen Rechtsverhältnis fehlt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreites bildet.
Eine analoge Anwendung von § 148 ZPO scheidet nach dem Zweck dieser Vorschrift aus, weil die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen nicht besteht und weil die Aussetzung des Hauptsacheverfahrens im Hinblick auf das selbständige Beweisverfahren dessen Sinn und Zweck widerspräche. Die Zulässigkeit der Streitverkündung im selbständigen Beweisverfahren gibt zu einer anderen Beurteilung keinen Anlass.
Verfahrensgang
LG Düsseldorf (Beschluss vom 06.04.2003; Aktenzeichen 1 O 436/02) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin vom 28.4.2003 wird der angefochtene Beschluss der 1. Zivilkammer – Einzelrichter – des LG Düsseldorf vom 6.4.2003 Ziff. II. aufgehoben.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
Die Klägerin verlangt von der Beklagten Restwerklohn und die Herausgabe einer Gewährleistungsbürgschaft. Die Beklagte bestreitet Zusatzaufträge und rügt Mängel, die zum Teil Gegenstand des selbständigen Beweisverfahrens 6 OH 13/02 LG Mönchengladbach sind, das die Beklagte gegen die Klägerin und ihren Architekten eingeleitet hat. Die Klägerin hat in jenem Verfahren mehreren Subunternehmern den Streit verkündet.
Das LG Mönchengladbach hatte zunächst den Antrag der Beklagten auf Einleitung eines selbständigen Beweisverfahrens als unzulässig zurückgewiesen, weil er beim LG Düsseldorf zu dem vorstehenden Verfahren als Hauptsache zu stellen sei. Der 22. Zivilsenat – Einzelrichter – des OLG Düsseldorf hat diesen Beschluss des LG Mönchengladbach am 6.11.2002 – 22 W 45/02 (GA 185) – aufgehoben.
Den Schriftsatz der Beklagten mit den Mängelrügen und der Anregung, den vorliegenden Rechtsstreit im Hinblick auf das selbständige Beweisverfahren auszusetzen, hat das LG der Klägerin zur Kenntnisnahme unter dem 4.3.2003 übermittelt.
Mit Beschluss vom 16.4.2003 (GA 181) hat das LG unter Ziff. 1. den Rechtsstreit dem Einzelrichter übertragen, der unter Ziff. II. das Verfahren analog § 148 ZPO bis zum Abschluss des selbständigen Beweisverfahrens vor dem LG Mönchengladbach – 6 OH 13/02 – ausgesetzt hat.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die sofortige Beschwerde der Klägerin, die Verletzung rechtlichen Gehörs rügt und meint, die Voraussetzungen für eine Aussetzung des Verfahrens analog § 148 ZPO lägen nicht vor und i.Ü. sei der Rechtsstreit teilweise – nämlich hinsichtlich der Klage auf Herausgabe der Bürgschaft – entscheidungsreif.
Die sofortige Beschwerde ist zulässig, § 252 ZPO i.V.m. § 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.
Nach Übertragung des Rechtsstreits durch den Einzelrichter an das Beschwerdegericht zur Entscheidung der im Gerichtsverfassungsgesetz vorgeschriebenen Besetzung ist zur Entscheidung über die sofortige Beschwerde der Senat in dieser Besetzung zuständig.
Die sofortige Beschwerde hat in der Sache Erfolg.
Die Voraussetzungen für eine Aussetzung des Verfahrens gem. oder in analoger Anwendung des § 148 ZPO liegen nicht vor.
Nach § 148 ZPO kann das Gericht, wenn die Entscheidung des Rechtsstreites … von dem Bestehen … eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet …, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreites … auszusetzen sei.
Der Senat darf die angefochtene Entscheidung nur darauf prüfen, ob die Voraussetzungen des § 148 ZPO für eine Aussetzung vorliegen; eine Überprüfung der dem LG vorbehaltenen Ermessensentscheidung ist ihm verwehrt, wenn und soweit kein Ermessensfehlgebrauch vorliegt (KG KGReport Berlin 2000, 266; OLG Dresden BauR 1998, 595 [596]; OLG München v. 20.2.1997 – 28 W 705/97, NJW-RR 1998, 576 alle m.w.N.). Hier liegen die Voraussetzungen des § 148 ZPO für eine Aussetzung des vorliegenden Verfahrens nicht vor. Vielmehr fehlt es an einem vorgreiflichen Rechtsverhältnis, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet. Denn das Ergebnis des selbständigen Beweisverfahrens ist nicht die Entscheidung über ein im Verhältnis zum anhängigen Rechtsstreit vorgreifliches Rechtsverhältnis, sondern lediglich die Klärung von Tatsachen und Ursachenzusammenhängen durch ein Sachverständigengutachten, auch wenn diese Klärung möglicherweise tatsächlichen Einfluss auf den anhängigen Rechtsstreit haben kann (vgl. OLG Dresden BauR 1998, 595 [596]; OLG Naumburg OLGReport Naumburg 2001, 351).
Auch die Voraussetzungen für eine Aussetzung des anhängigen Rechtsstreits in analoger Anwendung des § 148 ZPO, von der das LG im angefochtenen Beschluss ausgeht, liegen nicht vor. § 148 ZPO bezweckt, einander widersprechende Entscheidungen zu verhindern. Die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen besteht aber bereits deshalb nicht, weil in dem selbständigen Beweisverfahren keine abschließende richterliche ...