Leitsatz (amtlich)
Werden voneinander unabhängige Gesellschaften auf einen durch die Verschmelzung neu gegründeten Rechtsträger verschmolzen (sog. merger of equals), ist die Heranziehung der Börsenwertrelation als Untergrenze verfassungsrechtlich nicht geboten.
Aus dem richterlichen Schätzungsermessen und dem Rechtsbegriff der Angemessenheit des Umtauschverhältnisses folgt, dass es innerhalb einer gewissen Bandbreite mehrere angemessene Umtauschverhältnisse geben kann und nicht nur ein einziges "richtiges" Umtauschverhältnis existiert.
Normenkette
SpruchG a.F. § 12 Abs. 1; SpruchG § 17 Abs. 2; FGG § 22 Abs. 1; UmwG § 2 Nr. 2, § 15 Abs. 1; UmwG a.F. §§ 305 ff.
Verfahrensgang
LG Düsseldorf (Beschluss vom 28.07.2015; Aktenzeichen 39 O 131/06 [AktE]) |
Tenor
Die sofortigen Beschwerden des Antragstellers zu 1) vom 01.09.2015, der Antragstellerin zu 12) vom 07.09.2015 und der Antragstellerin zu 16) vom 04.09.2015 gegen den Beschluss der 9. Kammer für Handelssachen des LG Düsseldorf vom 28.07.2015 - 39 O 131/06 [AktE] - werden zurückgewiesen.
Die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der Vergütung des gemeinsamen Vertreters trägt die Antragsgegnerin. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 200.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Beteiligten streiten über die Festsetzung einer baren Zuzahlung anlässlich der Verschmelzung der U. AG ("UAG") und der L. AG I.-L. ("LAG") auf die Antragsgegnerin.
Die UAG war die Obergesellschaft des U.-Konzerns. Sie leitete als Management-Holding den Konzern im Rahmen der strategischen Gesamtplanung; mit den Führungsgesellschaften U. Handel AG und U. Industrie AG ("UIAG") bestanden Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge. Die Eingliederung der UIAG in die UAG zum 15.12.1998 und das dabei vorgesehene Umtauschverhältnis waren Gegenstand eines gesonderten Spruchverfahrens, das durch Beschluss des Senats vom 10.03.2016 entschieden worden ist (I-26 W 14/13 [AktE], n. v.).
Die Geschichte des U.-Konzerns reicht zurück bis in das Jahr 1891. Nach den Kriegsjahren wurde 1953 die B. AG neu gegründet, die sich auf den Aufbau eines umfassenden Flachstahlprogramms konzentrierte. Die steigende Nachfrage Anfang der sechziger Jahre, der Vertrag über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl und der gemeinsame europäische Markt führten zu einem Aufschwung des Konzerns. Dieser baute seine Kapazitäten aus und verbreiterte seine Unternehmensbasis u.a. durch den Erwerb der S. AG. In den siebziger und achtziger Jahren führten Nachfrageeinbrüche und hoch subventionierte Auslandskonkurrenz bei Stahl und Edelstahl zu einem Kapazitätsabbau und erheblichen Personalanpassungen in Deutschland. Die UAG, die bis dahin zugleich verantwortlich für den Stahlbereich gewesen war, konzentrierte sich ab 1983 auf die Führung des Konzerns; die Qualitätsstahl-Aktivitäten wurden in der U. Stahl AG gebündelt. 1992 wurden die Unternehmensbereiche Stahl und Edelstahl zusammengefasst und die U. Edelstahlwerke auf die U. Stahl AG verschmolzen. 1995 wurden erste Gemeinschaftsunternehmen mit dem L.-Konzern gebildet, indem die Aktivitäten der Konzerne bei Weißblech (74,5 % U.-Anteil an S. I. GmbH) und SF (40 % U.-Anteil an der heutigen L. U. GmbH) zusammengelegt wurden. Im Geschäftsjahr 1996/97 erreichte der U.-Konzern mit seinen 155 inländischen und 179 ausländischen konsolidierten Konzernunternehmen einen Umsatz von 40,8 Mrd. DM. Das gezeichnete Grundkapital betrug zum 30.09.1998 1.175 Mio. DM und war eingeteilt in 9.500.000 Aktien im Nennwert von 50 DM, 50.000 Aktien im Nennwert von 500 DM und 1.215.000 Aktien im Nennwert von 1.000 DM. 10,49 % des Grundkapitals hielt die U. Beteiligungsverwaltung GmbH, 7,44 % die Fritz U. Stiftung. Die übrigen Aktien befanden sich im Streubesitz.
Die FKAG mit Sitz in Essen und Dortmund war die konzernleitende Management-Holding des L.-Konzerns. Dieser führt seine Anfänge zurück auf das Jahr 1811, in dem L. eine Fabrik zur Herstellung von Gussstahl und daraus angefertigten Produkten gründete. Bis ins Jahr 1903 wurde das Unternehmen als Einzelfirma geführt, das hochwertigen Stahl herstellte und in den Anfängen zu Produkten wie Münzstempeln und Gerberwerkzeugen, Walzen und Walzmaschinen verarbeitete, seit den vierziger Jahren des 19. Jahrhunderts konzentrierte es sich auf die Herstellung von Achsen, Federn und Reifen für den Eisenbahnbereich. Durch den Erwerb von Erzlagerstätten und Kohlezechen schuf es sich eine eigene Rohstoffbasis. Im Rahmen einer Neuordnung des Konzerns wurden die Kohlebergwerke 1969 in die damalige RS AG eingebracht, der verlustreiche Schiffsbau abgegeben, andere Geschäftsfelder gezielt verstärkt und verbreitert. 1967 wurde das Unternehmen von der AH-Stiftung als Erbin des verstorbenen L. in die L. GmbH überführt, deren Alleingesellschafterin zunächst die Stiftung blieb; 1977 übernahm der Staat Iran 25,01 % der Geschäftsanteile. 1992 wurde die L. GmbH in eine Aktiengesellschaft umgewandelt und ...