Verfahrensgang
BKartA (Beschluss vom 03.07.2014; Aktenzeichen B2 - 58/09) |
Nachgehend
Tenor
I. Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1. wird der Beschluss des Bundeskartellamts (B2 - 58/09) vom 3.7.2014 wegen nachträglicher Feststellung einer Zuwiderhandlung nach § 32 Abs. 3 GWB aufgehoben.
II. Das Bundeskartellamt hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens sowie die der Beteiligten zu 1. und der Beigeladenen zu 1. in der Beschwerdeinstanz zur zweckentsprechenden Erledigung der Angelegenheit jeweils entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen. Der Beigeladene zu 2. trägt seine Kosten selbst.
III. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
IV. Der Wert des Beschwerdeverfahrens beträgt 5 Mio. EUR.
Gründe
I. Ende 2008 übernahm die Beteiligte zu 1. (nachfolgend: F.) rund 2.300 Filialen der Discounterschiene "Q." von ihrem Wettbewerber U. mit dem Ziel, diese Filialen in die eigene Discounterschiene "O." (rund 2.000 Filialen) zu integrieren. In den ersten Monaten des Jahres 2009 führte F. im Anschluss an die Jahresverhandlungen für 2009 mit über 500 Lieferanten, zu denen auch die Sekthersteller S.-N. Sektkellereien GmbH (nachfolgend: S.-N.), die I. & Co. Sektkellerei KG (nachfolgend: I.), die G. Deutschland GmbH (nachfolgend: G.) und die Sektkellerei T. X. AG (nachfolgend: T. X.) gehörten, so genannte Sonderverhandlungen. Zu Beginn der Sonderverhandlungen forderte F. rückwirkend zum 1.1.2009 eine Anpassung des bisher vereinbarten Zahlungsziels auf das Zahlungsziel, das für die Q.-Filialen vereinbart war, eine Preisanpassung und Ausgleichszahlung aufgrund eines "Bestwertabgleichs" mit den bisherigen Q.-Preisen sowie die Zahlung eines dauerhaften "Synergiebonus" für potentielle Kosteneinsparungen auf Seiten der Lieferanten, die Zahlung einer "Partnerschaftsvergütung" für die Renovierung und Modernisierung der Q.-Filialen und einen "Sortimentserweiterungsbonus" für zusätzliche Listungen in den neuen Filialen jeweils für die Jahre 2009 und 2010.
Im Einzelnen sahen die Forderungen gegenüber S.-N., I., G. und T. X. wie folgt aus:
Forderung
F.
S.-N.
I.
G.
T.-X.
Zahlungsziel
+/- 0 T
...
(+ 5-10 T)
(= 35-40 T)
(+ 8-14 T)
(=20-30 T)
(+ 12-20 T)
(=40-50 T)
Bestwert-Abgleich
(1-1,6 Mio. EUR)
(50.000 -100.000 EUR)
0 EUR
(80.000 -130.000 EUR)
Synergiebonus
(700.000 -900.000 EUR)
(400.000 -600.000 EUR)
(150.000 -300.000 EUR)
(150.000 -300.000 EUR)
Partnerschaftsvergütung
(600.000 -800.000 EUR)
(150.000 -300.000 EUR)
(150.000 -300.000 EUR)
(100.000 -300.000 EUR)
Sortimentserweiterung-
bonus
(200.000 -400.000 EUR)
(150.000 -300.000 EUR)
0 EUR
(400.000 - 500.000 EUR)
F. und die vier Sektlieferanten traten daraufhin in Verhandlungen ein und einigten sich Ende März 2009 wie folgt:
Einigung
S.-N.
I.
G.
T.-X.
Zahlungsziel
+/- 0 T
(+ 3-7 T)
...
(+ 8-14 T)
...
(+ 12-20 T)
...
Bestwert-Abgleich
(300.000 -400.000 EUR)
(50.000 -100.000 EUR)
0 EUR
(0 EUR)
Synergiebonus
(700.000 -900.000 EUR)
(200.000 -300.000 EUR)
(60.000 -100.000 EUR)
(100.000 -200.000 EUR)
Partnerschaftsvergütung
(400.000 -600.000 EUR)
(100.000 -200.000 EUR)
(30.000 -100.000 EUR)
(100.000 -200.000 EUR)
Sortimentserweiterung-
bonus
(200.000 -400.000 EUR)
(70.000 -150.000 EUR)
(100.000 -200.000 EUR)
(100.000 -200.000 EUR)
Darüber hinaus haben die Sekthersteller mit F. zusätzliche Gegenleistungen ausgehandelt. I., G. und T.-X. haben die Listung zusätzlicher Artikel vereinbaren können, S.-N. eine deutliche Steigerung der bisher vereinbarten Aktionen.
Im April 2009 durchsuchte das Bundeskartellamt nach Eingang entsprechender Beschwerden die F.-Zentrale in Hamburg. Nach umfangreichen Ermittlungen und Auswertungen der beschlagnahmten Unterlagen übersandte das Bundeskartellamt F. im Juli 2013 ein vorläufige rechtliche Einschätzung des Sachverhalts. Umfangreiche Stellungnahmen von F. und den Beigeladenen P. und dem L. folgten.
Mit Beschluss vom 3.7.2014 hat das Bundeskartellamt gemäß § 32 Abs. 3 GWB nachträglich einen Verstoß der F. gegen § 20 Abs. 3 GWB 2007 festgestellt, weil F. im Zuge der Sonderverhandlungen nach Übernahme von rund 2.300 Filialen der Discountschiene "Q." gegenüber den vier genannten Sektherstellern rechtswidrige Konditionenforderungen erhoben habe. Rechtswidrig sei
(1) die Heranziehung mehrerer zeitlich gestaffelter Stichtage für einen Abgleich der Konditionen von F. und Q. und der sich daraus ergebende mehrfache Konditionenabgleich der zu verschiedenen Zeitpunkten jeweils geltenden Konditionen, hier im Rahmen des "Bestwertabgleichs;
(2) die Auswahl von Stichtagen für den Vergleich der Konditionen von F. und Q., die deutlich vor dem Vollzug des Zusammenschlusses und dem Beginn der Sonderverhandlungen lagen, hier im Rahmen des "Bestwertabgleichs";
(3) die intransparente und für die Lieferanten nicht nachvollziehbare Darstellung und Begründung der Forderungen, hier im Rahmen des "Bestwertabgleichs" und des "Sortimentserweiterungsbonus";
(4) die Forderung rückwirkender Zahlungen und rückwirkender Anpassung von Konditionen, hier im Rahmen sämtlicher Sonderkonditionen;
(5) die einseitige Festleg...