Leitsatz (amtlich)

1. Ein Fehlen der Ortsnähe, die prinzipiell ein sinnvolles Kriterium bereits bei der Entscheidung über die Aufnahme des Bewerbers in die Vorauswahlliste der Insolvenzverwalter und nicht erst bei der Ausübung des Auswahlermessens im Einzelfall darstellt, kann im Rahmen der Vorauswahl nur dann gegen einen Bewerber angeführt werden, wenn sie auch generell und nicht lediglich in bestimmten Situationen des jeweils einzelnen Falles fehlt, was nicht der Fall ist, wenn sich der Bewerber 1 bis 2 Tage in seinem örtlichen Büro aufhält und er durch Wohnungsanmietung am Ort die Grundvoraussetzung für auch längere zusammenhängende Aufenthalte geschaffen hat.

2. Soweit soziale Kompetenz ("soft skills") wie etwa das Kriterium des Vertrauens/der Vertrauenswürdigkeit bzw. der geistigen Regsamkeit und Kreativität bei der Vorauswahl überhaupt eine Rolle spielen kann, darf vom Bewerber im Allgemeinen jedenfalls nicht deren positiver Nachweis (z.B. durch Leumunds- oder sonstige Atteste) verlangt werden, sondern sind anhand nachprüfbarer Tatsachen etwaige Defizite in diesem Bereich zu objektivieren.

 

Normenkette

EGGVG §§ 23 ff.

 

Tenor

Der angefochtene Bescheid der Antragsgegner vom 18.2.2010 - 7 AR 6/09 - wird aufgehoben.

Die Antragsgegner haben das Gesuch des Antragstellers vom 1.7.2009 bzw. vom 23.10.2009 um Aufnahme in die Vorauswahlliste der Insolvenzverwalter bei dem AG - Insolvenzgericht - Duisburg unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu bescheiden.

 

Gründe

I. Der Antragsteller ist seit 1994 als Rechtsanwalt tätig und beim OLG Stuttgart zugelassen. Sein Tätigkeitsberich umfasst schwerpunktmäßig die Insolvenzabwicklung und -beratung. Seit Januar 2005 ist er bei einer Kanzlei in Ulm angestellt, die seit mehr als 25 Jahren an verschiedenen Standorten in Deutschland mit ca. 80 Mitarbeitern in der Insolvenzabwicklung tätig ist.

Er war als eigenverantwortlicher Sachbearbeiter von Insolvenzverfahren in dieser Kanzlei für den Insolvenzverwalter Rechtsanwalt D. mit der Abwicklung von mehr als 30 Insolvenzverfahren betraut. Seit Oktober 2009 führt er den Titel "Fachanwalt für Insolvenzrecht".

Im Frühjahr 2009 gründete die Kanzlei eine Niederlassung in Düsseldorf, in der neben dem Antragsteller zwei weitere Rechtsanwälte tätig sind. Sie sind in regelmäßigen Abständen jeweils etwa an 1 - 2 Tagen in der Woche in den Düsseldorfer Büroräumen anwesend. Der Antragsteller hat eine Zweitwohnung in Düsseldorf.

Seine Gesuche vom 01.7. und vom 23.10.2009 um Aufnahme in die Vorauswahlliste für Insolvenzverwalter mit dem ausgefüllten Bewerbungsfragebogen für Insolvenzverwalter lehnten die Antragsgegner mit dem angefochtenen Bescheid, dem Antragsteller zugegangen am 24.2.2010, ab. Zwar habe der Antragsteller die theoretischen Kenntnisse und auch die praktischen Erfahrungen im Insolvenzrecht dargetan. Es fehle jedoch an einer "gewissen" Ortsnähe, weil nach den telefonischen Angaben des Antragstellers keinerlei Sanierungsbemühungen im Duisburger Raum stattfänden. Auch sei die Vertrauenswürdigkeit nicht dargetan, weil es an schrifltichen Leumundszeugnissen von Personen fehle, die den Antragsgegnern als vertrauenswürdig, sachkundig und urteilsfähig bekannt seien.

Mit seinem am 19.3.2010 bei Gericht eingegangenen Antrag auf gerichtliche Entscheidung, den er gegen die Direktorin des AG als Antragsgegnerin gerichtet, gleichzeitig aber gebeten hat, den Antrag entsprechend auszulegen, sollte der Senat die Insolvenzrichter als zuständige Antragsgegner ansehen, macht der Antragsteller geltend, der Bescheid sei auf sachfremde Erwägungen gestützt.

Es fehle nicht an der Ortsnähe. Im Bedarfsfalle könne er regelmäßig vor Ort sein.

Hinsichtlich der Vertrauenswürdigkeit stelle das Erfordernis von schrifltichen Empfehlungen kein sachliches Auswahlkriterium dar. Es sei schon fragwürdig, inwieweit es sachgerecht sei, dem Bewerber den positiven Nachweis seiner Vertrauenswürdigkeit aufzuerlegen. Willkürlich sei es jedenfalls, aus dem Mangel an positiven Nachweisen über die Vertrauenswürdigkeit den Umkehrschluss zu ziehen, eine solche und somit eine Eignung sei nicht gegeben.

Der Antragsteller beantragt, die Antragsgegner unter Aufhebung ihres Bescheides vom 18.2.2010 zu verpflichten, ihn in die Vorauswahlliste der Insolvenzverwalter beim AG Duisburg aufzunehmen, hilfsweise, seinen Antrag neu zu bescheiden.

Die Antragsgegner bitten um Zurückweisung des Antrags und rechtfertigen ihren Ablehnungsbescheid.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akte Bezug genommen.

II. Der Antrag ist zulässig, §§ 23, 24, 26, 28 EGGVG.Der Antragsteller begehrt seine Aufnahme in eine beim AG Duisburg geführte Vorauswahlliste für Insolvenzverwalter bzw. eine ermessensfehlerfreie Bescheidung seines Gesuchs vom 1.7.2009 bzw. 23.10.2009.

Für die Überprüfung von Entscheidungen im Vorauswahlverfahren potentieller Insolvenzverwalter ist der Rechtsweg nach §§ 23 ff. EGGVG eröffnet (vOLG Düsseldorf; BGH ZIP 2007, 1BGH v. 16.5.2007 - IV AR(VZ) 5/07, 379; OLG Hamm ZIP 2008,...

Dieser Inhalt ist unter anderem im VerwalterPraxis Gold enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge