Leitsatz (amtlich)
1. Infolge des Wechsels der Hochspannungsebene aus dem Regime des Erweiterungsfaktors in dasjenige der Investitionsmaßnahme werden in den Jahren 2012 und 2013 aufgewandte und bis zum 30. Juni 2013 zu einer Änderung der Versorgungsaufgabe führende Investitionskosten von Verteilernetzbetreibern bei wortlautgetreuer Anwendung des § 10 ARegV Abs. 4 n.F. nach dessen Inkrafttreten am 22.08.2013 nicht mehr über das Instrument des Erweiterungsfaktors erfasst. Sie können auch nicht über das Instrument der Investitionsmaßnahme gem. § 23 Abs. 7 ARegV berücksichtigt werden, da die Antragsfristen des § 23 Abs. 3 S. 1 ARegV regelmäßig nicht gewahrt sind.
2. Dass solche Investitionskosten sowohl aus dem Regime des Erweiterungsfaktors als auch aus dem der Investitionsmaßnahme herausfallen, stellt sich als eine planwidrige Regelungslücke dar, die über eine fortgesetzte, verfassungskonforme Anwendung des Erweiterungsfaktors gem. § 10 ARegV für alle bis zum 30.06.2013 gestellten Anträge von Verteilernetzbetreibern wegen Erweiterungsinvestitionen in der Hochspannungsebene zu schließen ist.
Normenkette
ARegV §§ 10, 23 Abs. 3, 7
Tenor
1. Der Beschluss der Bundesnetzagentur vom 14.03.2016, Az.: BK8-13/1835-21, wird insoweit aufgehoben, als die Bundesnetzagentur mit Ziffer 1 Satz 2 des Tenors den Antrag auf Anpassung der Erlösobergrenze aufgrund eines Erweiterungsfaktors hinsichtlich der Anlagegüter in der Hochspannungsebene ablehnt, und die Bundesnetzagentur verpflichtet, über den Antrag der Beschwerdeführerin vom 24.06.2013 insoweit unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.
2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der zu einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen der Beschwerdeführerin trägt die Bundesnetzagentur.
3. Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf ... Euro festgesetzt.
4. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
A. Die Beschwerdeführerin ist Betreiberin eines Elektrizitätsverteilernetzes im Sinne des § 3 Nr. 3 EnWG. Sie nahm in den Jahren 2012 und 2013 Investitionen in die notwendige Erweiterung ihres Verteilernetzes in Höhe von insgesamt ... Euro vor, von denen ... Euro auf Investitionen in die Hochspannungsebene entfielen.
Die Erweiterungsinvestitionen führten zu einer nachhaltigen Änderung der Versorgungsaufgabe. Neben weiteren Veränderungen in der Mittel- und Niederspannungsebene kam es aufgrund des notwendigen Anschlusses der "..." an die Hochspannungsnetzebene mit Wirkung zum 20.11.2012 zu einer Erhöhung der Anzahl der Anschlusspunkte in der Hochspannung um ... von ... auf ....
Die Beschwerdeführerin beantragte daher mit Schreiben vom 24.06.2013 die Anpassung ihrer Erlösobergrenzen mit Wirkung zum 01.01.2014 um den Erweiterungsfaktor EFt = .... Im Antragszeitpunkt waren die Tatbestandsvoraussetzungen für die Genehmigung eines Erweiterungsfaktors nach § 10 ARegV in der Fassung vom 03.09.2010, der bis zum 21.08.2013 galt, erfüllt.
Mit der am 22.08.2013 in Kraft getretenen Verordnung zur Änderung von Verordnungen auf dem Gebiet des Energiewirtschaftsrechts wurde unter anderem der neue § 23 Abs. 7 ARegV eingeführt. Danach können einem Betreiber von Verteilernetzen unter bestimmten Voraussetzungen Investitionsmaßnahmen durch die Regulierungsbehörde auch für Erweiterungs- und Umstrukturierungsinvestitionen in der Hochspannungsebene genehmigt werden. Zugleich wurde § 10 Abs. 4 ARegV dahingehend geändert, dass die Hochspannungsebene aus dem Anwendungsbereich des Erweiterungsfaktors herausgenommen wurde. Während die Anreizregulierungsverordnung in der bis zum 21.08.2013 geltenden Fassung für Investitionsmaßnahmen von Verteilernetzbetreibern in der Hochspannungsebene einen Vorrang der Regelungen zum Erweiterungsfaktor vorsah und lediglich für solche Vorhaben, die nicht durch den Erweiterungsfaktor abbildbar waren, gemäß § 23 Abs. 6 ARegV eine Investitionsmaßnahme bewilligt werden konnte, sieht die Neufassung der Anreizregulierungsverordnung vor, dass die Kosten des Ausbaus der Hochspannungsebene ausschließlich über das Instrumentarium der Investitionsmaßnahme abgebildet werden.
Gemäß § 4 Abs. 4 S. 2 ARegV kann ein Antrag auf Anpassung der Erlösobergrenze aufgrund des Erweiterungsfaktors jährlich zum 30. Juni des Kalenderjahres mit Wirkung zum 1. Januar des Folgejahres gestellt werden. Gemäß § 10 Abs. 2 S. 2 ARegV sind hierbei nur bereits eingetretene Änderungen der Versorgungsaufgabe berücksichtigungsfähig, absehbare Änderungen genügen nicht.
Anträge auf Genehmigung von Investitionsmaßnahmen sind gemäß § 23 Abs. 3 S. 1 ARegV sowohl in der ab dem 22.03.2012 als auch in der ab dem 22.08.2013 geltenden Fassung spätestens 9 Monate vor Beginn des Kalenderjahres, in dem die Investition erstmals ganz oder teilweise kostenwirksam werden soll, bei der Bundesnetzagentur zu stellen. Gemäß § 23 Abs. 3 S. 1 ARegV in der bis zum 21.03.2012 geltenden Fassung musste die Antragstellung spätestens 6 Monate vor Beginn des Kalenderjahres erfolgen, in dem...