Leitsatz (amtlich)
1. Verfügen Eheleute in einem gemeinschaftlichen Testament, mit welchem sie einander zu Alleinerben einsetzen, dass Erben des Überlebenden die Tochter des Erblassers und deren zwei Töchter sein sollen und heißt es weiter "Unser Erbe bezieht sich auf die Eigentumswohnung ... und soll wie folgt aufgeteilt werden. 50% des Wertes erhält unsere Tochter, je 25 % unsere Enkelkinder, nach Erlangung der Volljährigkeit.", so ist die Verfügung nicht als wechselseitiges Vermächtnis (bestehend aus der Eigentumswohnung), sondern als gegenseitige Erbeinsetzung auszulegen.
2. Die gegenteilige Auslegung eines anderen Gerichts in einem im vorangegangenen Verfahren der Ehefrau des Erblassers gegen dessen Lebensgefährtin ergangenen rechtskräftigen (Teil-) Urteil bindet den Senat nicht.
Normenkette
BGB §§ 133, 242, 2269
Verfahrensgang
AG Ratingen (Aktenzeichen 14 VI 680/16) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1 vom 18. Juli 2019 wird der Beschluss des Nachlassgerichts Ratingen vom 10. Juli 2019 geändert. Das Nachlassgericht wird angewiesen, der Beteiligten zu 1 den mit Erbscheinsantrag vom 17. Dez. 2018 beantragten Alleinerbschein zu erteilen.
Die Gerichtskosten des erstinstanzlichen Erbscheinsverfahrens trägt die Beteiligte zu 1. Die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Beteiligte zu 3. Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten findet weder im Erbscheinsverfahren noch im Beschwerdeverfahren statt.
Beschwerdewert: bis zu 200.000 EUR
Gründe
I. Die Beteiligte zu 1 war die Ehefrau des Erblassers, die Beteiligte zu 2 seine Tochter, die Beteiligte zu 3 seit den 1980er Jahren seine Lebensgefährtin.
Mit gemeinschaftlichem Testament vom 1. April 2002 bestimmten der Erblasser und die Beteiligte zu 1, dass sie sich gegenseitig als Erben einsetzten. Erben des Überlebenden sollten die Beteiligte zu 2 und deren zwei Töchter sein.
Weiter hieß es: "Unser Erbe bezieht sich auf die Eigentumswohnung ... und soll wie folgt aufgeteilt werden. 50% des Wertes erhält unsere Tochter (die Beteiligte zu 2), je 25 % unsere Enkelkinder, nach Erlangung der Volljährigkeit."
Am 2. Juli 2004 testierte der Erblasser alleine und legte fest, dass der Anteil an einem Grundstück in Kanada sowie sein Festgeld, Bargeld auf beiden Girokonten und alle Gelder aus Versicherungen an die Beteiligte zu 3 gehen sollten. 10% der Gesamtsumme sollte ferner mit dem jeweils 18. Geburtstag an zwei seiner Enkel ausgezahlt werden. Im übrigen bestimmte er, dass sein Anteil an der Eigentumswohnung ... (weiterhin) an die Beteiligte zu 1 gehen sollte. Dieses Testament ergänzte der Erblasser am 26. Jan. 2015 dahin, dass der Anteil von 10% nicht durch zwei, sondern durch drei näher genannte Personen geteilt werden sollte.
Die Beteiligte zu 1 verlangte von der Beteiligten zu 3 nach dem Tode des Erblassers unter Hinweis auf ihr Pflichtteilsrecht und die Alleinerbenstellung der Beteiligten zu 3 Auskunft über den Nachlassbestand, nahm die Beteiligte zu 3 vor dem Landgericht Düsseldorf im Wege der Stufenklage auf Auskunft in Anspruch und erklärte dort im Laufe des Verfahrens den Rechtsstreit hinsichtlich der Auskunftsstufe für erledigt. Den Antrag auf Feststellung der Erledigung hat das Landgericht mit inzwischen rechtskräftigem Teilurteil vom 28. Juni 2018 - 1 O 133/17 - abgewiesen. Der Beteiligten zu 1 stehe gegen die Beteiligte zu 3 kein Auskunftsanspruch zu, weil sie durch keine der letztwilligen Verfügungen des Erblassers von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen worden sei. Diese Verfügungen enthielten sämtlich lediglich Anordnungen von Vermächtnissen. Anders könne der klarstellende Zusatz im gemeinschaftlichen Testament nicht verstanden werden. Dies gelte auch unter Berücksichtigung der Behauptung der Beteiligten zu 1, im Zeitpunkt der Testamentserrichtung habe das Vermögen im Wesentlichen aus der Eigentumswohnung, Aktienbesitz und einem Bankguthaben von 20.000 EUR bestanden, das zur Renovierung der Wohnung hätte genutzt werden sollen. Denn die maßgebliche Anordnung habe gerade nicht dahin gelautet, dass die Eheleute sich wechselseitig ihren Anteil an der Wohnung vermachen, sondern explizit dahin, dass sich das Erbe (nur) auf die Wohnung beschränken solle.
Am 17. Dez. 2018 hat die Beteiligte zu 1 gestützt auf das Testament vom 1. April 2002 einen Erbschein als Alleinerbin des Erblassers beantragt. Die Eheleute hätte sich gegenseitig bedacht, daher sei von wechselbezüglichen Verfügungen auszugehen. Deren Widerruf durch das Testament vom 2. Juli 2004 sei nicht möglich gewesen.
Das Nachlassgericht hat den Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 1 mit dem angefochtenen Beschluss zurückgewiesen; das Testament vom 1. April 2002 enthalte keine Erbeinsetzung. Wegen der Einzelheiten hat es auf das Teilurteil des Landgerichts Düsseldorf verwiesen.
Gegen diesen Beschluss beschwert sich die Beteiligte zu 1; das Landgericht sei davon ausgegangen, dass teilweise Vermächtnisse und im übrigen gesetzliche Erbfolge vorliege. Da der Erblasser eine Ehefrau und eine Tochter gehab...