Leitsatz (amtlich)
1. Die Übergangsregelung des § 6 Abs. 2 ARegV gibt der Regulierungsbehörde verbindlich vor, bei der Bestimmung der Erlösobergrenzen für die erste Anreizregulierungsperiode das Ergebnis der in der letzten Entgeltgenehmigung vorgenommenen Kostenprüfung als Ausgangsniveau heranzuziehen. Dieses ist weder um Plankosten des Jahres 2009 noch vor dem Hintergrund nachträglicher Erkenntnisse aus der Rechtsprechung des BGH zu aktualisieren.
2. Nach der letzten Entgeltgenehmigung erfolgte Gebiets- und Netzabgänge sind entsprechend dem Rechtsgedanken des § 26 ARegV mit einem Abzugsbetrag zu berücksichtigen.
3. Der pauschale Investitionszuschlag ist in die jährlichen Erlösobergrenzen nur einfach mit 1 % der gem. § 14 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. Abs. 2 bestimmten standardisierten Kapitalkosten einzubeziehen.
4. Bei den Kosten für die Beschaffung von Verlustenergie handelt es sich nicht um dauerhaft nicht beeinflussbare Kosten i.S.d. § 21a Abs. 4 EnWG, § 11 Abs. 2 S. 1 ARegV. Sie sind - auch unter Berücksichtigung der Beschaffungsvorgaben des § 22 Abs. 1 EnWG, § 10 Abs. 1 StromNZV und der Festlegung Beschaffungsrahmen der Bundesnetzagentur - noch objektiv beeinflussbar. Eine Anerkennung objektiv auch nur geringfügig beeinflussbarer Beschaffungskosten als dauerhaft nicht beeinflussbar i.S.d. § 11 Abs. 2 S. 2 ARegV kann der Netzbetreiber nicht beanspruchen.
5. Die Härtefallregelung des § 4 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 ARegV stellt eine Auffangregelung dar, die grundsätzlich dann eingreifen muss, wenn die übrigen vom Verordnungsgeber vorgesehenen Anpassungsmöglichkeiten nicht einschlägig oder ausreichend sind und die Beibehaltung der festgesetzten Erlösobergrenzen andernfalls zu einer unzumutbaren Härte führen würde. Dabei verbietet sich der Blick auf eine einzelne Kostenart und deren möglicherweise überproportionale Steigerung. Erforderlich ist vielmehr eine Gesamtbetrachtung der Kosten- und Vermögenssituation.
6. Mit der Implementierung des generellen sektoralen Produktivitätsfaktors in die Methodik der Anreizregulierung hat der Verordnungsgeber die ihm eingeräumte Verordnungsbefugnis nicht überschritten. Er korrigiert die im Verbraucherpreisindex abgebildete gesamtwirtschaftliche Produktivitätsentwicklung lediglich und gestaltet somit den Ausgleich der allgemeinen Geldentwertung sachgerecht aus. Die Einschätzung des Verordnungsgebers, inwieweit in Strom- oder Gasnetzen als monopolistisch strukturierten Wirtschaftsbereichen bei der Simulation von Wettbewerb durch Einführung einer Anreizregulierung höhere Produktivitätssteigerungen zu realisieren sind als in wettbewerblich organisierten Märkten, ist auch angesichts ihres prognostischen Charakters gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar.
7. Durch den Erweiterungsfaktor kann nur berücksichtigt werden, dass sich die Versorgungsaufgabe des Netzbetreibers während der Regulierungsperiode nachhaltig ändert. Veränderungen im Übergangszeitraum kann nur im Rahmen der gesetzlich vorgesehenen Anpassungs- und Korrekturmöglichkeiten Rechnung getragen werden.
Normenkette
EnWG § 21a; ARegV § 4 Abs. 4 S. 1 Nr. 2, § 6 Abs. 2, §§ 9-10, 11 Abs. 2, §§ 25-26; StromNEV § 3 Abs. 1 S. 5 2. HS
Verfahrensgang
Bundesnetzagentur (Beschluss vom 25.02.2009; Aktenzeichen BK 8-08) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Beschwerde der Betroffenen wird der Beschluss der Beschlusskammer 8 der gegnerischen Bundesnetzagentur vom 25.2.2009 - BK 8-08/- in Ziff. 12 aufgehoben und die Bundesnetzagentur verpflichtet, über den Härtefallantrag der Betroffenen unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut zu entscheiden. Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen der gegnerischen Bundesnetzagen-tur zu tragen.
Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf EUR festgesetzt.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
A. Die Beschwerdeführerin betreibt ein Elektrizitätsverteilernetz i.S.v. § 3 Nr. 3 EnWG. Unter dem 2.9.2008 leitete die Beschlusskammer 8 der gegnerischen Bundesnetzagentur gegen sie von Amts wegen das Verfahren zur Bestimmung der Erlösobergrenzen nach § 4 Abs. 1 und 2 der ARegV i.V.m. § 21a Abs. 2 Satz 1 EnWG ein. Mit Blick darauf hatte die Betroffene bereits zuvor die Einbeziehung eines pauschalierten Investitionszuschlags sowie eines Erweiterungsfaktors in die zu bestimmenden Erlösobergrenzen und eine Anpassung der Erlösobergrenze gem. § 4 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 ARegV u.a. wegen der gestiegenen Kosten für die Verlustenergiebeschaffung beantragt. Im Rahmen des Verwaltungsverfahrens übermittelte die Betroffene erforderliche Daten und Informationen; desweiteren hatte sie Gelegenheit, sich u.a. zu der beabsichtigten Entscheidung der Beschlusskammer zu äußern. Im Rahmen ihrer Stellungnahmen vom 31.10. und 21.11.2008 hat sie u.a. eine zusätzliche Erhöhung der Erlösobergrenze wegen einer Steigerung der Eigenkapitalverzinsung, einer entsprechenden Anpassung der ...