Leitsatz (amtlich)
Werden auf Datenträgern, die sich im Besitz des Angeklagten befanden, kinderpornografische Vorschaubilder (sog. Thumbnails) festgestellt, die durch das Betriebssystem des Computers automatisch generiert worden sind, kann nicht ohne Weiteres der Schluss gezogen werden, dass dem Angeklagten der Besitz der Vorschaubilder bewusst war. Lässt sich der erforderliche Besitzwille hinsichtlich der sog. Thumbnails nicht feststellen, ist auf das Sich-Verschaffen oder den vormaligen Besitz der originären - inzwischen gelöschten - Bilddateien abzustellen, wobei es unter Beachtung der fünfjährigen Verjährungsfrist einer näheren zeitlichen Eingrenzung bedarf.
Normenkette
StGB § 184b Abs. 4, § 78 Abs. 3 Nr. 4
Tenor
Das angefochtene Urteil wird mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Moers hat den Angeklagten wegen Besitzes kinderpornographischer Schriften zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 50 Euro verurteilt und dessen PC der Marke "bluechip IP-Star" sowie vier externe Festplatten (Trekstore Datastation) eingezogen. Das Landgericht hat die Berufung des Angeklagten als unbegründet verworfen. Hiergegen richtet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten.
II.
Die Revision des Angeklagten hat (vorläufig) Erfolg.
1.
Nach den getroffenen Feststellungen wurden am 1. Dezember 2011 bei der Durchsuchung der Wohnung des Angeklagten dessen PC der Marke "bluechip IP-Star" und vier externe Festplatten (Trekstore Datastation) sichergestellt.
Auf diesen Datenträgern befanden sich als Vorschaubilder (sog. Thumbnails) insgesamt 954 kinderpornographische Bilddateien, wobei dieselbe Reihe von 234 Vorschaubildern jeweils auf dem PC und drei externen Festplatten gespeichert war. Zu diesen 936 Vorschaubildern kamen in gesonderten Dateiordnern acht und zehn Vorschaubilder hinzu. Ferner waren auf einer externen Festplatte zwei Videodateien gespeichert, zu denen das Landgericht festgestellt hat, dass sie "die Durchführung von Oralverkehr zwischen zwei Jungen zeigen."
Zur subjektiven Tatseite hat das Landgericht festgestellt, dass sich der Angeklagte den Besitz an sämtlichen vorgenannten Bilddateien zuvor verschafft und ihn danach bewusst und gewollt beibehalten habe.
2.
Durch die Beweiswürdigung wird indes nicht belegt, dass dem Angeklagten tatsächlich bewusst war, dass die Vorschaubilder (sog. Thumbnails) auf seinem PC und den externen Festplatten gespeichert waren.
Durch Internetrecherche ist leicht feststellbar und damit allgemeinkundig (vgl. KG Kommunikation & Recht 2009, 807, 808), dass die Vorschaubilder von dem hier verwendeten Betriebssystem Windows XP in der Standardeinstellung automatisch erzeugt werden, wenn gespeicherte Bilddateien erstmals in der Miniaturansicht aufgerufen werden. In den betreffenden Ordnern wird dazu jeweils die Datei thumbs.db generiert. Hierbei handelt es sich um versteckte Systemdateien, die in der Standardeinstellung nicht im Windows-Explorer angezeigt werden. Werden die originären Bilddateien (jpeg-Format) gelöscht, bleibt die Datei thumbs.db, in der die Vorschaubilder gespeichert sind, in dem jeweiligen Ordner gleichwohl erhalten.
Die Kenntnis dieser computertechnischen Abläufe setzt ein weit überdurchschnittliches Computerwissen voraus. Das angefochtene Urteil enthält keine Darlegungen, die eine entsprechende Kenntnis des Angeklagten und damit den erforderlichen Besitzwillen belegen. Bei der Verurteilung wegen Besitzes kinderpornographischer Schriften kann deshalb nicht darauf abgestellt werden, dass die automatisch erzeugten Vorschaubilder (sog. Thumbnails) auf den sichergestellten Datenträgern gespeichert waren.
3.
Allerdings legt das Vorhandensein der Vorschaubilder, die eine Miniaturansicht der kinderpornografischen Darstellungen enthalten, die Schlussfolgerung nahe, dass sich der Angeklagte zuvor die zugehörigen Bilddateien (jpeg-Format) durch Herunterladen und Abspeichern in den betreffenden Ordnern verschafft hatte. Denn dort können die Dateien mit der Bezeichnung thumbs.db nur durch einen Zugriff auf die originären (später gelöschten) Bilddateien generiert worden sein (vgl. OLG Köln NStZ 2011, 476).
Der Strafbefehlsantrag, durch den vorliegend die öffentliche Klage erhoben worden ist (§ 407 Abs. 1 Satz 4 StPO), umfasst auch den Vorwurf, dass sich der Angeklagte "sämtliche Bilddateien" - dies bezieht die ursprünglichen Bilddateien (jpeg-Format) ein - zuvor über das Internet verschafft hatte.
Unter diesem Gesichtspunkt kann das angefochtene Urteil jedoch nicht aufrechterhalten bleiben, weil das Landgericht nicht festgestellt hat, zu welchem Zeitpunkt die sog. Thumbnails erzeugt worden sind. Der Eintritt von Verfolgungsverjährung kann daher nicht ausgeschlossen werden.
Im Falle einer Strafbarkeit nach § 184b Abs. 4 StGB beträgt die Verjährungsfrist fünf Jahre (§ 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB). Vorliegend ist die Ve...