Nachgehend
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde der Betroffenen wird das Urteil des
Amtsgerichts Neuss vom 13. September 2001 aufgehoben.
Die Betroffene wird freigesprochen.
Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen
der Betroffenen fallen der Staatskasse zur Last.
Gründe
Das Amtsgericht Neuss hat die Betroffene wegen vorsätzlichen Führens eines gefährlichen Hundes ohne Leine und Maulkorb gemäß §§ 6 und 10 der Landeshundeverordnung NRW (LHV) - die seit dem 1. Januar 2003 durch das Landeshundegesetz NRW ersetzt ist - zu einer Geldbuße von 500,00 DM verurteilt. Nach den amtsgerichtlichen Feststellungen führte die Betroffene ihren Rottweiler am 13. November 2000 gegen 11:45 in Neuss auf den Rheinwiesen aus. Auf ihrem Spaziergang war dem Hund zumindest auf den letzten 100 Metern des Rückweges kein das Beißen verhindernder Maulkorb und auch keine in der Wirkung gleichstehende Vorrichtung angelegt. Darüber hinaus war der Rottweiler auf diesem Teilstück auch nicht angeleint.
Die gegen dieses Urteil gerichtete, zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassene Rechtsbeschwerde hat mit der Sachrüge Erfolg. Die Betroffene ist freizusprechen, weil es an der gesetzlichen Grundlage fehlte, die nach § 3 OWiG für eine Verurteilung nötig ist.
1.
Die nach §§ 6 Abs. 3 Sätze 1 und 2 i.V.m. Anlage 2, 10 Abs. 1 Nr. 9 LHV bußgeldbewehrten Gebote, einen Rottweiler auf öffentlichen Straßen und Plätzen mit einem das Beißen verhindernden Maulkorb an der Leine zu führen, waren unwirksam. Die dort getroffenen Bestimmungen wurden von der einschlägigen gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage nicht gedeckt. § 26 Abs. 1 OBG NRW, auf dem die Landeshundeverordnung NRW beruhte, gestattet es dem Innenministerium zwar, Verordnungen zur Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu erlassen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (DVBl. 2002, 1562, 1564) verlangt die Feststellung einer abstraktem Gefahr im Sinne einer solchen ordnungspolizeilichen Regelung allerdings eine in tatsächlicher Hinsicht genügend abgesicherte Prognose: Es müssen hinreichende Anhaltspunkte vorhanden sein, die den Schluss auf den drohenden Eintritt von Schäden rechtfertigen. Da die LHV eine Differenzierung nach Rassen vornahm, müßte danach zur Annahme einer Gefahr im Sinne des Gesetzes ein Kausalzusammenhang zwischen Rassezugehörigkeit und Schadenseintritt belegbar gewesen sein. Bei Hunden der Anlage 2 zur LHV war das nicht der Fall (BVerwG aaO S. 1564 f). Auf sie bezogen fehlte der LHV damit die gesetzliche Ermächtigungsgrundlage. Das hatte die Nichtigkeit der getroffenen Bestimmungen über das Halten von Hunden der Anlage 2 zur LHV zur Folge (BVerwG aaO S. 1566).
2.
Das Verhalten der Betroffenen kann auch nicht auf der Grundlage der Gartenordnung der Stadt Neuss vom 17. Februar 1995 geahndet werden, nach deren §§ 1, 8 und 11 Hunde in öffentlichen Anlagen, zu denen auch Gewässer und deren Ufer gehören, an kurzer Leine zu führen und Verstöße gegen den Leinenzwang mit Geldbuße bedroht sind. Denn auch diese Vorschriften halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Der Senat folgt insoweit der Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Hamm (NWVBl. 2001, 490), nach der eine Regelung, die ohne Rücksicht auf Art und Größe der Hunderassen für das gesamte Gemeindegebiet ohne zeitliche Ausnahme einen generellen Leinenzwang anordnet, unverhältnismäßig und wegen Verstoßes gegen das verfassungsrechtliche Übermaßgebot unwirksam ist. Um eine solche Regelung handelt es sich aber bei der Gartenordnung der Stadt Neuss, da auch hier ein Leinenzwang ohne jede Differenzierung nach Art und Größe der ausgeführten Hunde und ohne zeitliche Ausnahme für alle öffentlichen Anlagen der Gemeinde angeordnet worden ist. Dass die öffentlichen Straßen von dieser Verordnung nicht erfasst sind, stellt keine ausreichende Differenzierung dar, zumal nach § 8 der Straßenordnung der Stadt Neuss vom 17. Februar 1995 ein uneingeschränkter Anleinzwang auch auf den Gehwegen der Stadt bestehen soll.
3.
Sonstige gesetzliche Grundlagen für eine Ahndung des Verhaltens der Betroffenen als Ordnungswidrigkeit sind nicht ersichtlich. Deshalb ist sie freizusprechen.
4.
Die Kosten- und Auslagenentscheidung folgt aus §§ 46 Abs. 1 OWiG, 467 Abs. 1 StPO
Fundstellen