Leitsatz (amtlich)
1. Der Vergabesenat des OLG Düsseldorf hält an seiner Rspr. fest, dass der Antragsteller zur Darlegung seiner Antragsbefugnis gem. § 107 Abs. 2 S. 1 und 2 GWB jedenfalls dann nicht ein Angebot bereits im Vergabeverfahren abgegeben haben oder spätestens im Nachprüfungsverfahren vortragen muss, welches Angebot er in einem fehlerfreien Vergabeverfahren abgegeben hätte (fiktives Angebot), wenn er im Nachprüfungsverfahren (auch) Mängel der Ausschreibungsbedingungen (hier: Vorgabe einer zu kurzen Lieferfrist) rügt, so dass sich im Falle einer berechtigten Beanstandung die zur Angebotserstellung aufgewendete Zeit und Mühe als nutzlos vertan erweisen würde (im Grundsatz a.A.: OLG Koblenz NZBau 2000, 445 [446] und OLG Rostock VergabeR 2002, 193).
2. Der gerügte Vergaberechtsverstoß, der öffentliche Auftraggeber habe eine zu kurze Lieferfrist vorgegeben, hindert den Antragsteller daran, im Vergabeverfahren oder spätestens im Nachprüfungsverfahren ein verlässliches und seriös kalkuliertes (fiktives) Angebot vorzulegen. In einem solchen Ausnahmefall, in dem der beanstandete Vergaberechtsverstoß bereits einer Angebotskalkulation entgegen steht, bedarf es keiner Vorlage an den BGH gem. § 124 Abs. 2 GWB, um die sich aus Leitsatz ergebende Rechtsfrage zu klären.
Normenkette
GWB § 107 Abs. 2
Verfahrensgang
Vergabekammer Düsseldorf (Aktenzeichen VK - 24/01 - L) |
Tenor
I. Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss der Vergabekammer bei der Bezirksregierung Düsseldorf vom 16.10.2001 (VK – 24/01 – L) aufgehoben, mit Ausnahme der Ziffer 4. der Beschlussformel.
Dem Antragsgegner wird aufgegeben, das Vergabeverfahren über die Lieferung von 1.476 Einsatzschutzanzügen (Vergabe-Nr.: 01.53620 Anzüge) aufzuheben.
Es wird festgestellt, dass der Antragsgegner die Antragstellerin dadurch in ihren Rechten verletzt hat, dass sie die Lieferfrist unangemessen kurz bemessen hat.
II. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer, die Kosten des Verfahrens nach § 118 Abs. 1 S. 3 GWB sowie die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der dort jeweils angefallenen notwendigen Auslagen der Antragstellerin.
III. Die Hinzuziehung eines anwaltlichen Bevollmächtigten war für die Antragstellerin sowohl im Vergabekammerverfahren wie auch im Beschwerdeverfahren notwendig.
IV. Der Beschwerdewert wird auf bis 26.000 Euro festgesetzt.
Gründe
Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin hat Erfolg.
I. Mit Recht wendet sich die Antragstellerin gegen die Entscheidung der Vergabekammer, welche den Nachprüfungsantrag als unzulässig verworfen hat. Bedenken an der Antragsbefugnis der Antragstellerin bestehen nicht. Das Nachprüfungsbegehren ist auch in der Sache berechtigt. Die angegriffene Ausschreibung ist deshalb vergaberechtswidrig, weil die vom Antragsgegner gesetzte Lieferfrist unangemessen kurz bemessen war.
A. Die Antragstellerin ist gem. § 107 Abs. 2 GWB antragsbefugt.
Gemäß § 107 Abs. 2 GWB ist im Vergabenachprüfungsverfahren jedes Unternehmen antragsbefugt, das ein Interesse an dem ausgeschriebenen Auftrag hat und eine Verletzung seiner Bieterrechte geltend macht (§ 107 Abs. 2 S. 1 GWB) und das ferner darlegen kann, dass seine Zuschlagschancen durch den behaupteten Vergaberechtsfehler beeinträchtigt worden sein können (§ 107 Abs. 2 S. 2 GWB). Die Antragstellerin ist in diesem Sinne antragsbefugt. Das gilt jedenfalls insoweit, wie sie die unangemessene Kürze der vom Antragsgegner gesetzten Lieferfrist beanstandet.
1. Die Antragstellerin hat hinreichend dokumentiert, dass sie i.S.v. § 107 Abs. 2 S. 1 GWB ein Interesse an dem ausgeschriebenen Auftrag zur Lieferung von 1.476 Einsatzschutzanzügen hat.
Der Senat hat bereits mit Beschl. v. 20.11.2001 (GA 61–64) im Einzelnen dargelegt, dass er die von der Vergabekammer diesbezüglich geäußerten Zweifel nicht teilt. Er hat darauf hingewiesen, dass die vom Antragsgegner benötigten Einsatzschutzanzüge zur Produktpalette der Antragstellerin gehören, dass sich die Antragstellerin ferner im Februar/März 2001 – nachdem ihr zugetragen, worden war, der Antragsgegner wolle zur Vorbereitung der im Juli 2001 erfolgten Ausschreibung einen Wettbewerber mit der Herstellung eines Musterstücks der Schutzanzüge beauftragen – diesbezüglich an den Antragsgegner gewandt hat, dass sich die Antragstellerin zudem an dem Ausschreibungsverfahren des Antragsgegners beteiligt und die Angebotsunterlagen angefordert hat, dass die Antragstellerin überdies nach Erhalt der Ausschreibungsunterlagen zahlreiche Vergaberechtsfehler ggü. dem Antragsgegner gerügt und um deren Abhilfe gebeten hat und dass die Antragstellerin schließlich am 3.9.2001 Nachprüfungsantrag bei der zuständigen Vergabekammer gestellt und ihre Rügen wiederholt hat, und dass unter diesen Umständen an einem ernsthaften Interesse der Antragstellerin an dem ausgeschriebenen Auftrag nicht zu zweifeln ist. Daran hält der Senat nach erneuter Überprüfung fest.
2. Die Antragstellerin hat – jedenfalls soweit sie die Länge der Li...