Leitsatz (amtlich)

Das Rechtsinstitut des Wegfalls der Geschäftsgrundlage ist weder dafür bestimmt noch dazu geeignet, das Unternehmerrisiko des Mieters einseitig zu Lasten des Vermieters zu verändern (hier Umsatzrückgang im Ladenlokal des Mieters).

 

Normenkette

BGB §§ 535, 313

 

Verfahrensgang

LG Wuppertal (Aktenzeichen 1 O 433/09)

 

Tenor

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gem. § 522 Abs. 2 ZPO im Beschlussverfahren zurückzuweisen.

2. Die Beklagten erhalten Gelegenheit, zu den Gründen binnen einer Frist von zwei Wochen schriftsätzlich Stellung zu nehmen.

3. Der für den 8.2.2011 geplante Senatstermin entfällt.

 

Gründe

I. Das Rechtsmittel hat keine Aussicht auf Erfolg, § 522 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Das LG hat die Beklagten (gewerbliche Mieter) im Ergebnis zu Recht zur Zahlung von 18.373,60 EUR, nämlich der Ladenmieten für die Monate September bis Dezember 2009 i.H.v. insgesamt 18.278,40 EUR (4 Mon × 4.569,60 EUR/Mon) und der Stellplatzmieten für die Monate September und Oktober 2009 i.H.v. insgesamt 95,20 EUR (2 Mon × 47,60 EUR/Mon) zzgl. Zinsen und vorgerichtliche Rechtverfolgungskosten verurteilt. Die dagegen vorgebrachten Berufungsgründe rechtfertigen keine den Beklagten günstigere Entscheidung.

1. Ohne Erfolg nehmen die Beklagten unter dem rechtlichen Gesichtspunkt des Wegfalls der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) ein Recht zur außerordentlichen Kündigung des bis zum 31.1.2012 befristeten Mietvertrags für sich in Anspruch. Der Fortbestand des Agenturverhältnisses zu dem Festnetzbetreiber "Arcor", der im Spätsommer des Jahres 2009 nach Übernahme durch den Mobilfunkbetreiber "Vodafone" (künftig: Übernehmer) vom Markt verschwunden ist, war nicht Geschäftsgrundlage des gewerblichen Mietverhältnisses. In diesem Zusammenhang kommt es weder darauf an, ob der in demselben Geschäftshaus niedergelassene Mobilfunkbetreiber "E-plus" (künftig: Konkurrent) bereit war, auf den ihm auf dem Mobilfunksektor im Verhältnis zu den Beklagten vertraglich zugesicherten Konkurrenzschutz zu verzichten noch darauf, ob der Übernehmer überhaupt bereit gewesen ist, mit den Beklagten einen Agenturvertrag zu schließen oder nicht.

Den Beklagten ist es versagt, sich zur Lösung vom Vertragsverhältnis auf das seit dem 1.1.2002 gesetzlich geregelte Institut von der Störung der Geschäftsgrundlage zu berufen. Dieses schon lange vor dem Inkrafttreten des § 313 BGB von Rechtslehre und höchstrichterlicher Rechtsprechung entwickelte Rechtsinstitut ist weder dafür bestimmt noch dazu geeignet, gesetzliche oder vertragliche Risikosphären einseitig zu Lasten einer Partei zu verändern (vgl. BGHZ 74, 370, 373; BGH NJW 1981, 2405 und 2000, 1714; NJW-RR 2000, 1535 zum früheren Rechtszustand; OLG Düsseldorf OLGReport Düsseldorf 2006, 103 zu § 313 BGB). Gemäß § 537 BGB tragen der Vermieter das Vermietungs-, der Mieter das Verwendungsrisiko. Bei dieser Risikoverteilung muss es bleiben (BGH NJW 2000, 1417; NJW-RR 2000, 1535; OLGReport Düsseldorf 2005, 79 jew. zum früheren Recht und Senat, a.a.O.). Zu dem vom Mieter zu tragenden Verwendungsrisiko gehört auch, dass seine Bezugs- und Absatzwege erhalten bleiben, so dass weder die Kenntnis der Klägerin von der Bindung der Beklagten an den Festnetzbetreiber noch der zu Lasten der Beklagten vereinbarte Konkurrenzschutz an der Risikoverteilung etwas zu ändern vermögen.

2. Im Übrigen übersehen die Beklagten, dass das von ihnen übernommene Verwendungsrisiko durch § 540 Abs. 1 S. 2 BGB i.V.m. § 11 Nr. 6 MV (Recht zur außerordentlichen Kündigung mit gesetzlicher Frist bei grundloser Verweigerung der Zustimmung zur Untervermietung) erheblich gemindert ist. Das beim Mieter verbleibende und im Streitfall verwirklichte Risiko, keinen geeigneten Untermieter oder Mietnachfolger zu finden, ist nicht unangemessen und rechtfertigt weder die Anpassung der Vertragsbedingungen noch eine außerordentliche Kündigung (OLG Düsseldorf OLGReport Düsseldorf 1992, 100 und 2006, 103; OLG Naumburg WuM 2002, 537 = OLGReport Naumburg 2002, 529).

II. Auch die weiteren Voraussetzungen für eine Entscheidung im Beschlussverfahren liegen vor. Die Rechtssache hat nämlich weder grundsätzliche Bedeutung (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO) noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Senats im Urteilsverfahren (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO).

III. Der Senat weist darauf hin, dass die Berufungsrücknahme vor Erlass einer Entscheidung nach § 522 Abs. 2 ZPO gemäß GKG KV 1222 S. 1 und 2 kostenrechtlich privilegiert ist; statt vier fallen nur zwei Gerichtsgebühren an (vgl. z.B. OLG Düsseldorf VersR 2010, 1031 m.w.N. [juris Tz 16]).

 

Fundstellen

Haufe-Index 2742206

MietRB 2011, 343

Dieser Inhalt ist unter anderem im VerwalterPraxis Gold enthalten. Sie wollen mehr?