Leitsatz (amtlich)
1. Ein Krankenversicherer verstößt gegen Treu und Glauben, wenn er sich auf die fehlende medizinische Notwendigkeit der Behandlung des Versicherungsnehmers durch einen bestimmter Arzt beruft, obwohl ein durch den Versicherer beauftragten Arzt Verbesserungsvorschläge zur Behandlung unterbreitet und der behandelnde Arzt diese Vorschläge unstreitig aufgegriffen hat.
2. Dem Krankenversicherer ist es verwehrt, die Erstattung des Honorars des behandelnden Arztes mit der Begründung zu verweigern, dieser habe die nicht technischen Leistungen stets mit dem Regelhöchstsatz des 2,3-fachen Gebührensatzes (§ 5 Abs. 2 S. 4 GOÄ) angesetzt und damit das ihm zukommende Ermessen nicht ausgeübt, wenn der Versicherer entsprechende Abrechnungen dieses Arztes jahrelang nicht beanstandet und dem Versicherungsnehmer nicht mitgeteilt hat, dass er die in der Praxis übliche Handhabung der Regelspanne des § 5 Abs. 2 GOÄ nicht für mehr für vertretbar halte und sich daran nicht mehr gebunden fühle.
3. Zur Frage, ob ein Versicherungsnehmer, dessen Berufstätigkeit im Wesentlichen aus der Verwaltung des Familienvermögens und beratender Tätigkeit mit längerer sitzender Arbeit am Telefon und am PC besteht, seine berufliche Tätigkeit wegen Bandscheibenschäden vorübergehend in keiner Weise ausüben kann (§ 1 Abs. 3 MB/KT 78), obwohl er in der Lage ist, selbst mit dem Auto zu fahren (Arbeitsunfähigkeit aufgrund der Umstände verneint).
Normenkette
MB/KK § 1; GOÄ § 5 Abs. 2 S. 4; MB/KT § 1 Abs. 3; BGB § 242
Verfahrensgang
LG Duisburg (Aktenzeichen 10 O 189/01) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das am 31.10.2001 verkündete Urteil der 10. Zivilkammer des LG Duisburg unter Zurückweisung des weiter gehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 4.092,89 Euro nebst 4 % Zinsen seit dem 31.5.2001 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 83 % und die Beklagte zu 17 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Vollstreckung kann durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des beizutreibenden Betrages abgewandt werden, sofern nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Der Kläger, ein selbstständiger Kaufmann, unterhält bei der Beklagten eine Krankentagegeldversicherung auf der Basis der MB/KT 78, die ihm ab dem 43. Tag der völligen Arbeitsunfähigkeit einen Anspruch auf 300 DM/Tag sichert, und eine Krankheitskostenversicherung, der die MB/KK 76 zugrunde liegen.
Seit 1995 befindet sich der Kläger wegen eines verschleißbedingten Bandscheibenschadens, der chronische Rücken- und Lendenwirbelschmerzen mit sich bringt, in der ständigen Behandlung des Orthopäden Dr. D., D. Dieser hat den Kläger wiederholt langfristig krankgeschrieben, nämlich vom 4.3. bis 6.6.1999, vom 17.11.1999 bis zum 2.4.2000 sowie vom 18.9.2000 bis zum 30.7.2001. Die Beklagte hat Krankentagegeld bis einschl. zum 21.2.2001 geleistet. Danach hat sie die Zahlung eingestellt, weil Dr. S. in einem von ihr in Auftrag gegebenen Gutachten vom 21.2.2001 zu dem Resultat gelangt ist, der Kläger sei nicht mehr zu 100 % arbeitsunfähig. Außerdem hat sie die Erstattung der Rechnungen des Dr. D. vom 28.2.2001 über 4.144,16 DM und vom 2.5.2001 über 3.860,83 DM verweigert.
Mit der Klage macht der Kläger einen Tagesgeldanspruch für den Zeitraum vom 21.2. bis 2.7.2001 (= 39.900 DM) sowie den Anspruch auf Übernahme der angesprochenen Rechnungen geltend. Er hat behauptet: Er sei bis zum 30.7.2001 arbeitsunfähig erkrankt gewesen, weil längeres Sitzen am Schreibtisch oder bei Konferenzen sowie im Auto oder Flugzeug bei ihm zwangsläufig zu einer Verschlimmerung des Beschwerdebilds geführt habe. Die von Dr. D. abgerechneten Behandlungen seien medizinisch notwendig gewesen.
Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 47.904,99 DM nebst 4 % Zinsen aus 35.604,99 DM seit dem 31.5.2001 und aus weiteren 12.600 DM seit dem 6.7.2001 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie hat die völlige Arbeitsunfähigkeit des Klägers bestritten und beanstandet, dass konkreter Vortrag zu seinem Berufsbild und den mit seiner Erkrankung verbundenen Einschränkungen fehle. Im Übrigen seien Zweifel an seiner Arbeitsunfähigkeit gerechtfertigt, weil er regelmäßig zweimal wöchentlich seinen Orthopäden in D. aufgesucht und jeweils eine Fahrtstrecke von insgesamt 100 km zurückgelegt habe. Das sei ein Indiz für seine fortbestehende Mobilität. Davon abgesehen sei ein Tagegeldanspruch noch nicht fällig, da der Kläger bisher sein Nettoeinkommen nicht hinreichend dargelegt habe. Ferner hat die Beklagte sich (hilfsweise) darauf berufen, der Kläger sei berufsunfähig. Schließlich hat sie gerügt, Dr. D. habe bei der Abrechnung das ihm durch § 5 Abs. 2 GOÄ eingeräumte Ermessen nicht ausgeübt, sondern schematisch für alle persönlichen ärztlichen Zuwendungen den 2,3-fachen Gebührensatz geltend gemacht.
Diesen Bedenken hat sich die Kammer angesch...