Verfahrensgang
LG Düsseldorf (Aktenzeichen 4c O 24/20) |
Tenor
I. Die Berufung gegen das am 03.07.2020 verkündete Urteil der 4c Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 29.07.2020 (Az.: 4c O 24/20) wird zurückgewiesen.
II. Die Verfügungsklägerin hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf EUR 1.000.000,00 festgesetzt.
Gründe
I. Von einer Darstellung des Sachverhaltes wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 S. 1, 542 Abs. 2 S. 1 ZPO abgesehen.
II. Die Berufung der Verfügungsklägerin ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.
Zutreffend hat das Landgericht den Erlass der von der Verfügungsklägerin beantragten einstweiligen Verfügung auf Unterlassung von Angebot und Vertrieb des Präparats C. A. abgelehnt. Die Verfügungsklägerin hat keinen Verfügungsgrund glaubhaft gemacht, da der Rechtsbestand des Verfügungspatents - der deutsche Teil des EP 3 395 339 - für den Erlass einer einstweiligen Verfügung nicht hinreichend gesichert ist.
1. Das Verfügungspatent trägt den Titel "Schnellauflösungsformulierung enthaltend C. H-" und beansprucht eine pharmazeutische Zusammensetzung.
In seiner einleitenden Beschreibung schildert das Verfügungspatent, dass kalziumrezeptoraktive Verbindungen wie C.-H. im Stand der Technik als Arzneimittelwirkstoff bekannt sind. Solche kalziumrezeptoraktiven Verbindungen können insbesondere in ihrem nicht-ionisierten Zustand unlöslich oder kaum löslich in Wasser sein. So hat C. eine Löslichkeit in Wasser von weniger als 1 μg/ml bei neutralem pH-Wert. Seine Löslichkeit kann sich bis ungefähr 1,6 mg/ml steigern, wenn der pH-Wert von ungefähr 3 bis ungefähr 5 reicht, und die Löslichkeit von C. sinkt auf ungefähr 0,1 mg/ml, wenn der pH-Wert bei 1 liegt (Abs. [0002]).
Das Verfügungspatent bemerkt hierzu, dass eine - wie geschildert - begrenzte Löslichkeit die Anzahl der pharmazeutischen Formulierungen (z.B. Tablette, Kapsel, Pulver) und der Zufuhroptionen, die für die kalziumrezeptoraktiven Verbindungen verfügbar sind, reduzieren kann. Eine begrenzte Wasserlöslichkeit kann weiterhin zu einer niedrigen Bioverfügbarkeit der arzneilichen Verbindungen im Patienten führen (Abs. [0002]).
Ausgehend hiervon sieht das Verfügungspatent ein Bedürfnis, die Auflösbarkeit der kalziumrezeptoraktiven Verbindungen aus einer Dosierform möglichst während der in vivo-Exposition zu maximieren und hierdurch - während der in vivo-Exposition - die Bioverfügbarkeit der kalziumrezeptoraktiven Verbindung zu verbessern (Abs. [0003]).
Zur Lösung dieses technischen Problems schlägt das Verfügungspatent in seinem Anspruch 1 eine pharmazeutische Zusammensetzung mit den folgenden Merkmalen vor:
1. Die pharmazeutische Zusammensetzung umfasst
a) 10 % bis 40 % nach Gewicht an C.-H.,
b) 45 % bis 85 % nach Gewicht mindestens eines Verdünnungsmittels,
das ausgewählt ist aus Stärke, mikrokristalliner Cellulose, Dicalcium-phosphat, Lactose, Sorbit, Mannit, Saccharose, Methyldextrinen und Mischungen davon,
c) 1 % bis 10 % mindestens eines Sprengmittels,
das ausgewählt ist aus Crospovidon, Natriumstärkeglykolat, Croscarmellose-Natrium und Mischungen davon.
2. Der Prozentsatz nach Gewicht ist bezogen auf das Gesamtgewicht der pharmazeutischen Zusammensetzung.
2. Mit dem Landgericht ist der Senat der Auffassung, dass der Rechtsbestand des Verfügungspatents nicht ausreichend gesichert ist. Gegen die Verfügungsbeklagte die begehrte Unterlassungsverfügung zu erlassen, ist umso weniger veranlasst, als die Verfügungsklägerin bereits über eine einstweilige Verfügung gegen die vorliegend angegriffene Ausführungsform besitzt, welche der Senat in dem zwischen den Parteien geführten Parallelverfahren I-2 U 25/20 mit Urteil vom heutigen Tage aufrechterhalten hat. Sollte sich die Prognose des Senats über den mangelnden Rechtsbestand des Verfügungspatents als unzutreffend herausstellen und das Verfügungspatent in der demnächst anstehenden Einspruchsverhandlung aufrechterhalten werden, steht es der Verfügungsklägerin, ohne Dringlichkeitsprobleme befürchten zu müssen, frei, beim Landgericht erneut um eine Unterlassungsverfügung nachzusuchen.
a) In seiner heutigen, im Parallelverfahren I-2 U 25/20 verkündeten Entscheidung hat der Senat die Grundsätze seiner ständigen Rechtsprechung zur Beurteilung des gesicherten Rechtsbestandes in Generikafällen im Einzelnen dargestellt. Darauf wird verweisen. Liegt eine positive kontradiktorische Rechtsbestandsentscheidung - wie hier - noch nicht vor, kommt es entscheidend darauf an, ob sich das Verletzungsgericht trotz fehlender eigener technischer Expertise und trotz der sich aus § 294 Abs. 2 ZPO ergebenden verfahrensrechtlichen Beschränkungen die Überzeugung davon bilden kann, dass das Verfügungspatent den Angriffen im anhängigen Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahren standhalten wird. Hat sich das Verletzungsgericht vom Rechtsbestand des Verfügungsschutzrechts überzeugt, ist dem Verfügungsantrag - erst recht - stattzugebe...