Leitsatz (amtlich)
Zu den ersparten Aufwendungen, die sich der Vermieter bei persönlicher Verhinderung des Mieters nach § 537 Abs. 1 S. 2 BGB auf die Miete anrechnen lassen muss, können auch Mietaufwendungen gehören, falls der Vermieter das Mietobjekt selbst von einem Dritten anmietet muss und ihm dafür wegen der Verhinderung seines Mieters keine Kosten entstehen.
Verfahrensgang
LG Kleve (Urteil vom 27.04.2016; Aktenzeichen 1 O 301/14) |
Tenor
Unter Zurückweisung der weiter gehenden Berufung der Beklagten wird das Urteil der 1. Zivilkammer des LG Kleve - Einzelrichter - vom 27.04.2016 teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin EUR 1.656,36 nebst Zinsen iHvon 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.08.2014 sowie EUR 10,- außergerichtliche Mahnkosten zu zahlen. Die weiter gehende Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen zu 78 % die Klägerin und zu 22 % die Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung iHvon 120 % abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 1. Zivilkammer des LG Kleve - Einzelrichter - vom 27.04.2016 ist zulässig, und teilweise begründet; der Klägerin steht lediglich ein Anspruch auf Zahlung von Miete iHvon EUR 1.656,36 zu. Im Übrigen unterliegt die Berufung der Zurückweisung.
1. Es steht fest, dass zwischen den Parteien ein Mietvertrag mit dem Inhalt wie aus dem Bestätigungsschreiben v. 11.08.2014 und dem nachfolgenden Schreiben v. 12.08.2011 (Anl. K3 = GA 76) ersichtlich zustande gekommen ist.
Die Berufung wendet sich nicht gegen die Beweiswürdigung im landgerichtlichen Urteil, wonach die Beklagte den Nachweis eines wirksamen Widerspruchs gegen das als kaufmännisches Bestätigungsschreiben zu wertende Schreiben der Klägerin vom 11.08.2014 (Anl. K1 = GA 55f) nicht geführt hat (GA 209). Es ist auch nicht ersichtlich, dass die angefochtene Entscheidung insoweit auf einer Rechtsverletzung beruht oder die gem. § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen. Insbesondere ergibt sich aus der erstinstanzlichen Beweisaufnahme auch nicht, dass die Klägerin - wie die Beklagte im Verfahren erster Instanz noch vermutet hat (GA 120) - als Absenderin des kaufmännischen Bestätigungsschreibens unredlich und damit in ihrem Vertrauen auf das Schweigen der Empfängerin nicht schutzwürdig gewesen wäre.
2. Der geltend gemachte Anspruch auf Zahlung der mit der Beklagten vereinbarten Miete folgt grundsätzlich aus dem abgeschlossenen Mietvertrag.
Soweit die Berufung geltend macht, die Klägerin sei ihrerseits gar nicht in der Lage gewesen, den vertraglich zugesagten Wohnraum zu überlassen, weil sie selbst diesen gar nicht angemietet habe (GA 209), handelt es sich nicht um neuen Vortrag in der Berufungsinstanz, sondern lediglich um eine Konkretisierung des erstinstanzlichen Vortrags. Die Beklagte hat bereits in erster Instanz vorgetragen, dass die Klägerin ihrerseits überhaupt keinen Wohnraum angemietet und dementsprechend keine Aufwendungen gehabt hätte (GA 90, 120).
Der Vortrag der Beklagten zur fehlenden Gebrauchsgewährung führt jedoch nicht zum Entfall des Anspruchs auf Zahlung der vereinbarten Miete. Selbst wenn die Klägerin die an die Beklagte vermieteten Räume selbst gar nicht angemietet hätte, wäre der Anspruch auf die Miete nicht wegen Unmöglichkeit der Leistung untergegangen gem. § 326 Abs. 1 BGB und auch nicht infolge Rücktritts gem. § 323 Abs. 1 BGB oder infolge Weitervermietung gem. § 537 Abs. 2 BGB entfallen, da die jeweiligen tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Normen nicht vorliegen. Die Leistung wäre der Klägerin nicht unmöglich iSdes § 275 BGB gewesen, da das Leistungshindernis (fehlende Anmietung) für sie nicht unüberwindbar gewesen wäre. Für einen Rücktritt fehlt es jedenfalls an der erforderlichen Fristsetzung. Eine Weitervermietung durch die Klägerin iSdes § 537 Abs. 1 BGB ist nicht dargetan.
3. Allerdings muss die Klägerin sich unter den besonderen Umständen des hier vorliegenden Einzelfalles entgegenhalten lassen, dass ihr letztlich gar keine Kosten für die Anmietung der an die Beklagten weitervermieteten Räume entstanden sind. Von dem Mietzinsanspruch iHvon EUR 7.511,40 sind gem. § 537 Abs. 1 S. 2 BGB ersparte Aufwendungen iHvon EUR 5.855,04 in Abzug zu bringen.
Soweit die Berufung erstmals vorträgt, die Anmietung durch die Klägerin sei kostenlos storniert worden, deren Vermieterin habe keinerlei Mietkosten bei der Klägerin geltend gemacht, und dies unter Beweis durch Zeugnis der Frau P stellt (GA 210, 234), handelt es sich um neuen Vortrag iSdes § 531 Abs. 2 ZPO. Dieser ist in der Berufungsinstanz gem. § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO zuzulassen. Die Beklagte hat unwiderlegt geltend und durch eidesstattliche Versicherung ihrer Geschäftsführerin vom 23.01.2017 (GA 265) glaubhaft gemacht, dass ihr die vorgetrag...