Leitsatz (amtlich)
1. Lässt sich der Beweis für eine bestimmte merkmalsgemäße Geräteausstattung (hier: einstellbares Dämpfungsglied) nicht direkt führen, so kann der Nachweis auch mittelbar dadurch erbracht werden, dass für die angegriffene Ausführungsform die korrespondierende Funktion dargetan wird (oder diese unstreitig ist) und jede in Betracht kommende Funktions-Ersatzursache als diejenige der Erfindungsbenutzung ausgeräumt wird.
2. Erforderlich hierfür ist, dass der Kläger - erstens - darlegt, dass für die betreffende technische Funktion nur eine abschließende Zahl konstruktiver Möglichkeiten denkbar ist, und dass er - zweitens - jede einzelne dieser Alternativmöglichkeiten für die angegriffene Ausführungsform mit Gewissheit ausschließt.
3. Hat der Sachverständige deshalb ein bestimmtes konstruktives Merkmal (z.B. ein vom Patent gefordertes einstellbares Signaldämpfungselement) bei der angegriffenen Ausführungsform nicht feststellen können und dar-auf hingewiesen, dass die fragliche technische Funktion auch auf andere Weise erzielt werden kann (z.B. durch die Kombination eines konstanten Signaldämpfungselements mit einem variablen Verstärker), so kann der Verletzungsvorwurf nicht schlüssig damit gerechtfertigt werden, dass das zu der angegriffenen Ausführungsform bekannte Blockschaltbild für eine solche Alternativlösung (konstanter Dämpfer & variabler Verstärker) keine Anhaltspunkte biete. Denn selbst wenn dem so sein sollte, trägt der Schluss von der Funktion auf eine bestimmte Konstruktion nur dann, wenn gleichzeitig behauptet wird, es gebe sonst keine weitere alternative Umsetzungsmöglichkeit, die die Funktion der angegriffenen Ausführungsform stattdessen erklären könnte.
4. Auch wenn der Beklagte im Rechtsstreit obsiegt, können ihm die Kosten einer objektiv unnützen sachverständigen Begutachtung auferlegt werden, die er durch seinen wahrheitswidrigen Sachvortrag zur angeblichen Ausstattung und/oder Funktionsweise der angegriffenen Ausführungsform veranlasst hat (§ 96 ZPO).
Verfahrensgang
LG Düsseldorf (Aktenzeichen 4c O 76/17) |
Tenor
I. Auf die Berufung wird das am 14.02.2019 verkündete Urteil der 4c Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Rechtsstreits (beider Instanzen) werden der Klägerin auferlegt. Vorab hat die Beklagte jedoch die Kosten der Beweisaufnahme zu tragen, soweit sie im Zusammenhang mit dem zweiten und dritten Ergänzungsgutachten des Sachverständigen entstanden sind.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Parteien dürfen die Zwangsvollstreckung jeweils durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des für den Gegner vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die vollstreckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
V. Der Streitwert wird auf 5.000.000,- EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des deutschen Teils des europäischen Patents X XXX XXX, das - unter Inanspruchnahme einer deutschen Priorität vom 22.01.1999 - am 20.01.2000 angemeldet und dessen Erteilung am 22.12.2004 veröffentlicht worden ist. Die Schutzdauer des Klagepatents ist am 20.01.2020 - während des Berufungsrechtszuges - abgelaufen. Eine von der Beklagten erhobene Nichtigkeitsklage hat das Bundespatentgericht mit Urteil vom 09.10.2019 (BPatG-Urteil) als unbegründet abgewiesen (5 Ni 6/17 (EP)). Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten ist beim Bundesgerichtshof erfolglos geblieben (BGH-Urteil vom 20.01.2022 - X ZR 20/20).
Das Klagepatent betrifft eine Vorrichtung zur Einstellung der Verstärkung eines Repeaters. Anspruch 1 lautet in deutscher Verfahrenssprache wie folgt:
Vorrichtung zur Einstellung der Verstärkung eines einen Downlink-Pfad (6) und einen Uplink-Pfad (7) aufweisenden Repeaters (1), vorzugsweise eines mobilen Repeaters, mit einer automatischen Pegelregelung (18, 19, 20), die bei Überschreiten eines Soll-Pegels (Sp) im Downlink-Pfad (6) simultan die Verstärkung im Downlink-Pfad (6) und im Uplink-Pfad (7) reduziert,
gekennzeichnet durch
einen zusammen mit einem Regelverstärker (20) und mit einem im Downlink-Pfad (6) angeordneten ersten Dämpfungsglied (18) einen Regelkreis bildenden Detektor (19), der ein im Downlink-Pfad (6) erzeugtes Ausgangssignal (Sv) empfängt und dessen Pegel überwacht, wobei eine vom Regelverstärker (20) generierte Stellgröße (SG) simultan dem ersten Dämpfungsglied (18) und einer Verarbeitungseinrichtung (21, 23, 24) zugeführt ist, die ein im Uplink-Pfad (7) angeordnetes zweites Dämpfungsglied (22) mittels eines Steuersignals (ST) derart einstellt, dass die Verstärkung im Uplink-Pfad (7) der Verstärkung im Downlink-Pfad (6) entspricht.
Die nachstehende Figur 1 der Klagepatentschrift zeigt ein bevorzugtes Ausführungsbeispiel der Erfindung.
Zum Produktsortiment der Beklagten zählen nach den unangefochtenen Feststellungen des Landgerichts Repeater zum Einsatz in Eisenbahn- und Metrolinien sowie zugehöri...