Leitsatz (amtlich)
1. Löst sich beim Entladen von Steinen mit Hilfe eines Selbstentladekrans durch den Lkw-Fahrer des Lieferanten ein Stein von einer Palette und wird dadurch ein Bauarbeiter verletzt, so gehört es zu dem nach § 831 Abs. 1 BGB dem Arbeitgeber des Lkw-Fahrers obliegenden Entlastungsbeweis, dass er den Fahrer nach der Einstellung bei der Bedienung des Selbstentladekrans nicht nur auf dem Betriebsgelände, sondern gelegentlich auch während der übertragenen Fahrten kontrolliert hat.
2. Die Eintrittspflicht des Arbeitgebers des Fahrers und des Kfz-Haftpflichtversicherers für die Körperverletzung des Bauarbeiters ist nicht nach § 104 Abs. 1 SGB VII wegen Eingliederung des Bauarbeiters in den Betrieb des Lieferanten der Steine ausgeschlossen, wenn der Bauarbeiter unwiderlegt erklärt, er habe sich nur zum Schutz von Passanten in den Gefahrenbereich begeben, und deshalb davon auszugehen ist, dass er in erster Linie Hilfe bei gemeiner Gefahr i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 13a SGB VII leisten wollte.
Normenkette
BGB § 831 Abs. 1 S. 1; PflVG § 3 Nr. 1, § 2; SGB VII § 2 Abs. 1 Nr. 13a, § 104 Abs. 1, § 106 Abs. 3 Alt. 3
Verfahrensgang
LG Wuppertal (Aktenzeichen 1 O 204/00) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 30.4.2001 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des LG Wuppertal wird zurückgewiesen.
Die Gerichtskosten des Berufungsverfahrens tragen die Beklagten als Gesamtschuldner zu 89 % und die Beklagte zu 1) allein in Höhe der verbleibenden 11 %. Die dem Kläger zu 1) durch das Berufungsverfahren erwachsenen außergerichtlichen Kosten tragen die Beklagten als Gesamtschuldner zu 71 % und die Beklagte zu 1) allein in Höhe der weiteren 29 %. Die der Klägerin zu 2) durch das Berufungsverfahren entstandenen Kosten tragen die Beklagten als Gesamtschuldner.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Die Berufung bleibt ohne Erfolg
Mit Recht hat das LG die Beklagten zur – im Berufungsverfahren der Höhe nach unstreitigen – materiellen und immateriellen Schadensersatzleistung i.H.v. 1.022,58 Euro (= 2.000 DM) und 5.522,55 Euro (= 10.801,17 DM) verurteilt und die Eintrittspflicht der Beklagten für etwaige materielle Zukunftsschäden des Klägers zu 1) festgestellt, weil die Beklagte zu 1) aufgrund eines kraft Gesetzes vermuteten Überwachungsverschuldens für die Körperverletzung des Klägers zu 1) und den auf den Kläger zu 2) übergegangenen Verdienstausfallschaden gem. § 831 BGB haftet, die Beklagte zu 2) – im Rahmen ihrer Inanspruchnahme – für den materiellen Schaden nach §§ 3 Nr. 1, 2 PflVG i.V.m. § 10 Nr. 1 AKB einzustehen hat und keine Haftungsablösung aufgrund von § 104 Abs. 1 SGB VII bzw. gem. § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII eingetreten ist.
1. Nach § 831 Abs. 1 S. 1 BGB hat die Beklagte zu 1) für die den Klägern erwachsenen Schäden aufzukommen, weil der Lkw-Fahrer P., der unstreitig ihr Verrichtungsgehilfe war, in Ausübung der ihm übertragenen Arbeit widerrechtlich einen deliktsrechtlichen Tatbestand i.S.d. §§ 823 ff. BGB, nämlich eine Körperverletzung, verwirklicht hat (vgl. dazu BGH, Urt. v. 12.7.1996 – V ZR 280/94, MDR 1996, 1115 = NJW 1996, 3205 [3207]). Das folgt bereits daraus, dass der Kläger zu 1) bei der Entladung eines Lkw mittels des von dem Fahrer bedienten Selbstabladekrans verletzt worden ist, da sich ein Stein von der mit dem Kran angehobenen Palette gelöst und ihn an der Hand getroffen hat. Denn auf der Grundlage des erfolgsbezogenen Rechtswidrigkeitskonzepts, dem die Rechtsprechung folgt (BGH, Urt. v. 12.7.1996 – V ZR 280/94, MDR 1996, 1115 = NJW 1996, 3205 [3207]), wird durch die Erfüllung des Haftungstatbestandes bereits die Rechtswidrigkeit der Rechtsgutverletzung indiziert. Eine Einschränkung ist insoweit nur hinsichtlich solcher Schadensfälle geboten, bei denen feststeht, dass der Gehilfe sich so verhalten hat, wie jede mit Sorgfalt ausgewählte und überwachte Person sich sachgerecht verhalten hätte. Denn bei einem objektiv fehlerfreien Verhalten bestünde gegen den Geschäftsherrn auch im Falle eigenen Handelns kein Ersatzanspruch (BGH ‚ Urt. v. 12.7.1996 – V ZR 280/94, MDR 1996, 1115 = NJW 1996, 3205 [3207]). Selbst wenn zugunsten der Beklagten als richtig unterstellt wird, dass Schwenkbewegungen des Krangreifers – zumal auf einer abschüssigen Fläche – auch bei sachgerechter Bedienung nicht zu verhindern sind und dass es durchaus üblich ist, die abzuladenden Steine nicht auf der Palette zu befestigen, ist aber nicht feststellbar, dass sich der Fahrer bzw. das mit der Beladung des Lkw betraute Personal der Beklagten zu 1) verkehrsrichtig verhalten hat. Gerade wenn ein Schaukeln der Krangabel nicht verhindert werden kann, muss nämlich zum Schutz von Passanten, mit denen bei der Entladung eines Lkw im öffentlichen Verkehrsraum stets zu rechnen ist, entweder die an den Lkw angrenzende Verkehrsfläche abgesperrt oder die Ware mittels Schrumpffolien oder Kunststoffbändern so auf der Palette arretiert werden, dass ein Herabfallen beim Entladevorgang zuverlässig verhindert wird. Dass eine Befestigung der Ladung unübli...