Verfahrensgang
LG Krefeld (Entscheidung vom 02.09.1999) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 2. September 1999 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Krefeld wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Zwangsvollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 18.000 DM abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Die Sicherheiten können auch durch Bürgschaft einer deutschen Bank oder Sparkasse erbracht werden.
Tatbestand
Die am 10. Juni 1995 geborene Klägerin erkrankte im Alter von 4 Monaten während eines Urlaubs in der Türkei. Nach ihrer Rückkehr wurde sie in die Städtischen Kliniken D eingeliefert, wo man bei ihr Mukoviszidose, Erbrechen und Gewichtsabnahme diagnostizierte. Am 17. Oktober 1995 wurde die Klägerin in die Kinderklinik der Beklagten verlegt. Aufgrund eines vermeintlichen Verdachtes auf einen sogenannten Pseudo-Hypoaldosteronismus -- der auf einer Verwechslung mit einem gleichnamigen Kind beruhte -- leiteten die Ärzte der Beklagten eine hochdosierte Kochsalzzufuhr ein. Infolge dieser nicht indizierten Infusionen entwickelte sich bei der Klägerin eine Hypernatriämie mit Manifestation eines klinischen Syndroms, das durch Bewußtseinstrübungen und respiratorische Insuffizienz gekennzeichnet war. Sie mußte maschinell beatmet werden; zusätzlich trat ein Hirnödem auf. Durch eine symptomatische Behandlung gelang es, die Hypernatriämie sowie das Hirnödem zu beseitigen; es verblieb jedoch eine schwere Hirnschädigung, die zu einem apallischen Syndrom geführt hat; die Funktionen der Hirnrinde sind fast vollständig ausgefallen. Die Klägerin zeigt fast keine motorische Spontanaktivität und kann keine Sinnesreize verarbeiten oder Kontakt mit ihrer Umwelt aufnehmen. Zwar reagiert sie mit Blinzelreflexen auf Lichtreize, sie ist aber nicht in der Lage, Seheindrücke in irgendeiner Weise zu verarbeiten; auch Greifbewegungen mit den Händen sind ihr nicht möglich. Erhalten geblieben sind lediglich Hirnstamm-Aktivitäten wie die lebenserhaltende Atmungs- und Kreislaufregulation sowie bestimmte Reflexe, wie die Augenwendung zu einer Geräuschquelle und die oralen Reflexe und Fluchtreflexe. Berührungen wie Streicheln kann die Klägerin noch empfinden, auch kann sie Hungergefühle äußern. Sonstige sinnliche Wahrnehmungen oder eine Kommunikation sind ihr aufgrund des Fehlens der wesentlichen geistigen Funktionen verschlossen. Aufgrund des Hirnschadens ist der Muskeltonus in den Extremitäten spastisch erhöht. Ca. zwei bis zehn Mal im Monat treten trotz antiepileptischer Behandlung Krämpfe auf. Die Klägerin ist vollständig hilfsbedürftig; sie bedarf dauernder Betreuung und muß gefüttert, gewaschen und gewindelt werden. Eine Änderung des Zustandes ist nicht zu erwarten.
Die Beklagte leistet seit Januar 1996 monatlich einen Betrag von 4.000 DM für den Pflegemehrbedarf und hat vorprozessual ein Schmerzensgeld von 300.000,00 DM gezahlt.
Die Klägerin begehrt ein weiteres Schmerzensgeld; sie erachtet angesichts ihrer schweren Schädigung einen Betrag von weiteren 400.000,00 DM für angemessen.
Sie hat geltend gemacht, sie dürfe bei der Bemessung des Schmerzensgeldes nicht schlechter gestellt werden, als jemand, der eine Querschnittlähmung erlitten habe. Der Geschädigte habe in einem solchen Fall noch den Vorteil, daß er die Erlebnisfähigkeit nicht verloren habe. Sie selbst sei nicht mehr in der Lage, am sozialen Leben teilzunehmen, deswegen sei ihre immaterielle Schädigung deutlich höher zu bewerten.
Die Klägerin hat beantragt,
an sie ein in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld, nicht jedoch unter 300.000,00 DM, nebst 4 % Zinsen seit dem 20. Juni 1997 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat ein Schmerzensgeld von 300.000,00 DM für angemessen und ausreichend erachtet und vorgetragen, bei der Bemessung des immateriellen Schadensersatzes müsse berücksichtigt werden, daß die Lebenserwartung der Klägerin aufgrund ihrer Mukoviszidose-Erkrankung erheblich eingeschränkt sei.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin. Sie vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen, verweist auf in der Rechtsprechung zugebilligte Schmerzensgeldbeträge und macht erneut geltend, die völlige Zerstörung ihrer -- der Klägerin -- Persönlichkeit rechtfertige einen Entschädigungsbetrag von insgesamt 700.000,00 DM.
Die Klägerin beantragt,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu verurteilen, an sie ein in das Ermessen des Gerichts gestelltes weiteres Schmerzensgeld, nicht jedoch unter 300.000,00 DM, nebst 4 % Zinsen seit dem 20. Juni 1997 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug ...