Leitsatz (amtlich)
1. In Fortführung des Grundsatzes, wonach gleichen Begriffen im Rahmen eines Patentanspruchs im Zweifel auch die gleiche Bedeutung beizumessen ist (BGH, GRUR 2017, 152 Rn. 17 - Zungenbett), kommt unterschiedlichen Begriffen im Zweifel auch eine unterschiedliche Bedeutung zu und deutet eine sprachliche Differenzierung somit auf ein unterschiedliches Verständnis hin. Wie es aber auch nach dem erstgenannten Grundsatz nicht ausgeschlossen ist, dass gleichen Begriffen in unterschiedlichen Zusammenhängen doch unterschiedliche Bedeutungen zukommen, ist es ebenso wenig ausgeschlossen, dass unterschiedliche Begriffe in einem Patentanspruch die gleiche Bedeutung haben oder dass einer sprachlichen Differenzierung nicht mehr als eine klarstellende Wirkung zukommt. Dies ist anzunehmen, wenn die Auslegung des Patentanspruchs in seiner Gesamtheit unter Berücksichtigung auch der Beschreibung und der Kennzeichnungen ein solches Verständnis ergibt.
2. Offenbarung und Schutzbereich haben unmittelbar nichts miteinander zu tun. Dass eine bestimmte Ausgestaltung nicht in der Patentschrift beschrieben ist, bedeutet daher nicht, dass sie nicht unter den Patentanspruch fallen kann.
3. Es hat bei der Auslegung des Patentanspruchs außer Betracht zu bleiben, ob diese zu einem Ergebnis führt, bei dem der Patentanspruch eine unzulässige Erweiterung gegenüber den Ursprungsunterlagen enthält.
4. Sowohl der Verfahrensanspruch als Ganzes als auch der technische Zusammenhang, in dem die einzelnen Verfahrensschritte in der Beschreibung des Patents geschildert werden, kann zu einer Vorgabe für die Abfolge der Verfahrensschritte führen. Insoweit kommt es unter anderem darauf an, ob der Patentanspruch zusammen mit der Beschreibung zum Ausdruck bringt, dass für einzelne Verfahrensschritte eine bestimmte, durch andere vorangegangene Verfahrensschritte hervorgebrachte technische Situation vorausgesetzt wird, oder ob aufgrund des Fehlens eines solchen technischen Zusammenhangs einzelne Verfahrensschritte technisch getrennt sowie in zeitlicher Hinsicht unabhängig voneinander und demnach ohne die Einhaltung einer bestimmten Reihenfolge vorgenommen werden können.
Normenkette
EPÜ Art. 64 Abs. 1, 3, Art. 69 Abs. 1, Art. 70 Abs. 1; PatG § 9 S. 2 Nrn. 1, 3, §§ 14, 139 Abs. 1-2, § 140a Abs. 1, 3-4; ZPO §§ 148, 529 Abs. 1, § 531 Abs. 2
Verfahrensgang
LG Düsseldorf (Aktenzeichen 4b O 59/22) |
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten gegen das am 15.08.2023 verkündete Urteil der 4b Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf, ergänzt mit Ergänzungsurteil vom 17.10.2023, wird mit den Maßgaben zurückgewiesen, dass
- im Tenor zu I. 1. a) nach dem ersten Wort "Elemente" der Zusatz "insbesondere Elemente" gestrichen wird;
- im Tenor zu I. 1. b) (1) nach den Wörtern "zwischen dem 02.05.2007 und dem 20.03.2021" das Wort "hergestellt" gestrichen wird.
II. Die Anschlussberufung der Klägerin wird zurückgewiesen.
III. Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Beklagte zu 1) 80 % und die Beklagte zu 2) 20 %.
VI. Dieses Urteil und das Urteil des Landgerichts sind vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte zu 1) darf die Zwangsvollstreckung der Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 350.000,- EUR abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Beklagte zu 2) darf die Zwangsvollstreckung der Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 100.000,- EUR abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Klägerin darf die Zwangsvollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe des aufgrund des Urteils des Landgerichts zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.
VI. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 460.000,- EUR festgesetzt.
Davon entfallen 350.000,- EUR auf die Berufung der Beklagten zu 1), 100.000,- EUR auf die Berufung der Beklagten zu 2) und bis zu 10.000,- EUR auf die Anschlussberufung der Klägerin.
Gründe
I. Die Klägerin nimmt die Beklagten wegen Verletzung des deutschen Teils des in englischer Verfahrenssprache erteilten europäischen Patents EP ...192 (englischsprachige B1-Schrift nebst der als DE ...214 T2 veröffentlichten deutschen Übersetzung sowie der als DE ...214 C5 veröffentlichten geänderten Patentschrift vorgelegt als Anlage CBH 5; nachfolgend: Klagepatent) auf Auskunftserteilung und Rechnungslegung, Vernichtung, Rückruf sowie Feststellung der Schadensersatzpflicht in Anspruch.
Das Klagepatent, dessen eingetragene Inhaberin die Klägerin ist, wurde am 20.03.2001 unter Inanspruchnahme einer britischen Priorität vom 15.04.2000 angemeldet. Der Hinweis auf die Erteilung des Klagepatents wurde am 02.05.2007 veröffentlicht. Das Klagepatent ist mit Ablauf des 20.03.2021 infolge Zeitablaufs erloschen.
In einem von der Beklagten zu 1) und der A. GmbH gegen das Klagepatent geführten Nichtigkeitsv...