Leitsatz (amtlich)

1. Ein Anspruch auf Werklohn bzw. Vergütung kann auch ohne Abnahme fällig sein, wenn der Auftraggeber grundlos und endgültig zur Fertigstellung der Werkleistung erforderliche Mitwirkungshandlungen verweigert oder sich sonst grob treuwidrig verhält.

2. Im privaten Baurecht ist bei der Beurteilung der Erforderlichkeit der Einschaltung eines Privatgutachters bzw. der Frage, ob sich der Auftraggeber durch etwaig vertragswidrige Leistungen des Auftragnehmers dazu "herausgefordert" fühlen durfte im Rahmen von §§ 280 ff. BGB zu berücksichtigen, dass sich der Auftraggeber zur Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen auf die Rüge von Mangelerscheinungen bzw. Mangelsymptomen beschränken darf, wodurch - im Umkehrschluss - für den Auftragnehmer nicht ohne weiteres die Notwendigkeit besteht, selbst durch Einschaltung eines Privatgutachters bereits die Feststellung von Mängelursachen zu betreiben.

3. Dies gilt auch im Hinblick darauf, dass im Regelfall dem Auftragnehmer selbst und damit eigenverantwortlich die Beurteilung und Entscheidung über Art und Umfang etwaig notwendiger Vertragserfüllungsmaßnahmen bzw. Nacherfüllungsmaßnahmen obliegt, weshalb für den Auftraggeber - ebenfalls im Umkehrschluss - nicht ohne weiteres Veranlassung besteht, selbst durch Einschaltung eines Privatgutachters bereits die dem Auftragnehmer obliegenden Feststellungen zu Art und Umfang etwaig notwendiger Nacherfüllungsmaßnahmen zu veranlassen.

4. Es kann indes zugunsten des Auftraggebers zu berücksichtigen sein, dass die Auftragnehmerin ein nicht vollständiges bzw. nicht mangelfreies Werk als vollständig bzw. mangelfrei hergestellt dargestellt und eine nicht fällige Schlussrechnung gestellt hat.

5. Die Aufrechnung des Beklagten mit einem Anspruch aus dem erstinstanzlichen Kostenfestsetzungsbeschluss aus demselben Verfahren ist nicht statthaft. Dies verbietet sich abgesehen von praktischen Bedenken vor allem schon deshalb, weil eine derartige Aufrechnung zu unhaltbaren Konsequenzen für die noch zu treffende Kostenentscheidung führen würde. Ließe man nämlich die Aufrechnung durchgreifen, müsste der Aufrechnende zu weniger als an sich geschuldet verurteilt werden, was sich wiederum bei der vom Gericht zu treffenden Kostenentscheidung zu seinen Gunsten auswirken würde.

6. Wenn eine Partei erst in der Rechtsmittelinstanz infolge eines eingetretenen Umstandes obsiegt, der nicht dem Bereich der Gegenpartei, sondern ihrem Bereich zuzurechnen ist, dann sind die dadurch entstandenen Mehrkosten in entsprechender Anwendung von § 97 Abs. 2 ZPO von dem obsiegenden Teil zu tragen.

 

Verfahrensgang

LG Krefeld (Urteil vom 12.02.2016; Aktenzeichen 5 O 189/15)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Einzelrichters der 5. Zivilkammer des LG Krefeld vom 12.02.2016 unter Zurückweisung des weiter gehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neugefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.553,27 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 2.308,46 EUR vom 10.05.2016 bis 12.07.2016 und aus 1.553,27 EUR seit dem 13.07.2016 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz werden zu 71 % der Klägerin und zu 29 % der Beklagten auferlegt. Die Kosten des Rechtsstreits in zweiter Instanz werden der Klägerin auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin macht aus zwei Rechnungen

vom 22.05.2014 (Schlussrechnung, 12 ff. GA)

4.312,93 EUR

vom 15.12.2014 (Zusatzrechnung, 18 GA)

992,04 EUR

Summe

5.304,97 EUR

Restwerklohn für die Lieferung und den Einbau von Fensterelementen in Höhe von 5.304,97 EUR nebst gestaffelten Verzugszinsen geltend. Die Beklagte hält die Werkleistungen - nach mehreren Sachverständigenterminen und Nacharbeiten - für nicht abnahmefähig und rechnet hilfsweise mit folgenden Kostenpositionen auf:

-

Kosten des Privatsachverständigen R.

1.658,27 EUR

-

Vorgerichtliche Anwaltskosten

571,44 EUR

-

Kosten Elektronikfirma wg. Hebe-Schiebetüre

137,69 EUR

Zwischensumme (vgl. 53 GA)

2.367,40 EUR

-

Weitere Kosten des Privatsachverständigen (Anl. JK 16)

283,82 EUR

Insgesamt (vgl. 125 GA)

2.651,22 EUR

Das LG hat die Klage als derzeit unbegründet abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:

Eine ausdrückliche Abnahme habe unstreitig nicht stattgefunden. Es liege auch keine Abnahmefiktion vor, da die Mängel nicht unwesentlich i.S.v. § 640 Abs. 1 Satz 2 BGB seien (Aus- und Einbau zumindest eines Esszimmerfensters zwecks Nachrüstung im Betrieb der Klägerin zum Sicherheitsfenster mit Zeitaufwand von drei bis vier Stunden; weitere nicht hinreichend bestrittene Mängel an drei Fenstern, vgl. im Einzelnen unter 2. b. bzw. Seite 6 des Urteils), zumal die Klägerin bereits die Möglichkeit zu umfänglicher Nacherfüllung gehabt habe. Auch ein etwaiger Annahmeverzug der Beklagten führe nicht zu einer fiktiven Annahme, sondern könne allenfalls einen Entschädigungsanspruch der...

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