Leitsatz (amtlich)

Kein Reisemangel i.S.d. § 651c Abs. 1 BGB bei Verletzung des Reisenden durch defekte Liege

  • Die Verletzung von Obhuts- und Fürsorgepflichten des Reiseveranstalters gegenüber dem Reiseteilnehmer, unter die auch Verkehrssicherungspflichten fallen, kann ein reisevertragliche Ansprüche auslösender Reisemangel sein. Hiernach liegt ein Reisemangel vor, wenn von der Einrichtung des vom Reiseveranstalters ausgewählten Hotels eine Gefahr für die Sicherheit des Reisenden ausgeht, mit der er nicht zu rechnen braucht.
  • Im Rahmen seiner Obhuts- und Fürsorgepflichten hat der Veranstalter alle sicherheitsrelevanten Teile der Hotelanlage in regelmäßigen Abständen während der Vertragsdauer durch einen sachkundigen und pflichtbewussten Beauftragten im Hinblick auf solche Risiken, die sich bei genauem Hinsehen jedermann offenbaren, überprüfen zu lassen. Hierzu gehört die Kontrolle des allgemeinen baulichen Zustandes der Unterkunft, um sicherzustellen, dass von sicherheitsrelevanten Einrichtungen wie Treppen, elektrischen Anlagen, Balkongittern etc. keine Gefahren für den Reisenden ausgehen.
  • Die Überprüfungspflicht geht aber nicht so weit, dass jeder einzelne Einrichtungsgegenstand ständig auf seine Funktionsfähigkeit zu überprüfen ist, sondern beschränkt sich nur auf allgemein als gefährlich anzusehende Einrichtungsgegenstände. Bei "normalem" Mobiliar, wie z.B. Liegen, handelt es sich nicht um besonders gefährliche Einrichtungsgegenstände, die einer besonderen Überprüfung bedürfen.
 

Normenkette

BGB § 651c Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Duisburg (Aktenzeichen 1 O 403/10)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

I. Von der Wiedergabe des Tatbestandes wird gem. §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 S. 1 ZPO, § 26 Nr. 8 EGZPO abgesehen.

II. Die zulässige Berufung ist unbegründet.

1. Die vom Kläger geltend gemachten Ansprüche scheitern daran, dass die Reise nicht mangelhaft i.S.d. § 651c Abs. 1 BGB war.

Gemäß § 651c Abs. 1 BGB ist der Reiseveranstalter verpflichtet, die Reise so zu erbringen, dass sie nicht mit Fehlern behaftet ist, die den Wert oder die Tauglichkeit zu dem gewöhnlichen oder dem nach dem Vertrag vorausgesetzten Nutzen aufhe-ben oder mindern. Ein Reisemangel liegt hierbei immer dann vor, wenn die vom Reiseveranstalter erbrachte Reiseleistung von der im Vertrag vorgesehenen oder der nach allgemeiner Verkehrsauffassung gewöhnlichen objektiven Beschaffenheit so abweicht, dass hierdurch der vertraglich festgesetzte Zweck und Nutzen der Reise beeinträchtigt wird. Der Umfang und die Beschaffenheit der von dem Reiseveranstalter geschuldeten Leistung werden darüber hinaus von Obhuts- und Fürsorgepflichten des Reiseveranstalters gegenüber dem Reiseteilnehmer ergänzt. Daher kann auch die Verletzung von Obhuts- und Fürsorgepflichten des Reiseveranstalters gegenüber dem Reiseteilnehmer, unter die auch Verkehrssicherungspflichten fallen, ein reisevertragliche Ansprüche auslösender Reisemangel sein (vgl. OLG Düsseldorf NJW-RR 2003, 59; OLG Köln RRa 2007, 65; beide zitiert nach juris, jeweils m.w.N.; Führich, Reiserecht, 6. Aufl., Rz. 425a). Die Verpflichtung des Reiseveranstalters und der Leitung des jeweiligen Vertragshotels als dessen Erfüllungsgehilfe, § 278 BGB, beinhaltet, die Hotelgäste vor schweren Gesundheitsschäden zu bewahren (vgl. BGH NJW 1988, 1380, zitiert nach juris). Ein Reisemangel liegt demzufolge auch dann vor, wenn von der Einrichtung des vom Reiseveranstalters ausgewählten Hotels eine Gefahr für die Sicherheit des Reisenden ausgeht, mit der er nicht zu rechnen braucht (vgl. BGH NJW 2007, 2549,2551; OLG Düsseldorf, a.a.O.). Der Veranstalter hat deshalb alle sicherheitsrelevanten Teile der Hotelanlage in regelmäßigen Abständen während der Vertragsdauer durch einen sachkundigen und pflichtbewussten Beauftragten im Hinblick auf solche Risiken, die sich bei genauem Hinsehen jedermann offenbaren, überprüfen zu lassen (vgl. BGH NJW 1998, 1380; OLG Köln, a.a.O.).

Der Kläger sieht den Mangel darin, dass er seiner Behauptung nach durch ein defektes Kopfteil einer Liege verletzt worden sei, als dieses plötzlich nach hinten weggeklappt sei und dabei seine Fingerkuppe abgetrennt habe.

Zwar obliegen dem Reiseveranstalter auch, wie ausgeführt, Verkehrssicherungs-pflichten gegenüber dem Reisenden. Eine Verkehrssicherung, die jede Schädigung ausschließt, ist jedoch nicht erreichbar. Der Verkehrssicherungspflichtige muss deshalb nicht für alle denkbaren Möglichkeiten eines Schadenseintritts Vorsorge treffen, sondern nur diejenigen Maßnahmen treffen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Angehöriger des betreffenden Verkehrskreises für notwendig und ausreichend halten darf, um andere Personen vor Schäden zu bewahren (vgl. Palandt/Sprau, BGB, 79. Aufl., § 823 Rz. 51 m.w.N.). Der Reiseveranstalter ist in diesem Zusammenhang verpflichtet, den Reisenden vor Sicher...

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