Leitsatz (amtlich)
Vergleichbar einem Korrespondenzanwalt hat der Rechtsberater einer Gewerkschaft die Informationen des Arbeitnehmers vor Erhebung einer Kündigungsschutzklage sicher und vollständig zu erfassen.
Die das Mitglied (Arbeitnehmer) wie ein Rechtsanwalt beratende und im Rechtsstreit vertretende Rechtsschutzgesellschaft des DGB hat widersprüchliche und unklare Informationen der Einzelgewerkschaft unverzüglich aufzuklären.
Zur Berechnung eines Verdienstausfallschadens nach der "modifizierten Bruttolohnmethode".
Der Schadensersatzanspruch des Arbeitnehmers gegen seinen Rechtsberater, durch dessen Verschulden ein Kündigungsschutzprozess verloren gegangen ist, ist nicht entsprechend dem Kündigungsschutzgesetz auf eine Abfindung beschränkt.
Normenkette
BGB §§ 276, 675, 628 Abs. 2; KSchG §§ 9-10
Verfahrensgang
LG Wuppertal (Urteil vom 07.09.2005; Aktenzeichen 19 O 162/04) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 7.9.2005 verkündete Urteil der 19. Zivilkammer des LG Wuppertal unter Zurückweisung ihres weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
1. Die Beklagten werden unter Abweisung des weitergehenden Zahlungsbegehrens verurteilt, als Gesamtschuldner an den Kläger 21.080,31 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13.7.2005 zu zahlen.
2. Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger denjenigen Schaden zu ersetzen, der ihm infolge der fehlerhaften Durchführung des Kündigungsschutzverfahrens beim ArbG Wuppertal (Az. 7 Ca 4947/02) entstanden ist und noch entstehen wird.
Die Kosten aller Rechtszüge werden dem Kläger zu 5 %, den Beklagten als Gesamtschuldnern zu 95 % auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Den Beklagten bleibt nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des jeweils beizutreibenden Betrages abzuwenden, es sei denn, der Kläger leistet vorher Sicherheit in gleicher Höhe.
Gründe
A. Durch das angefochtene Urteil, auf dessen Tatbestand wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts Bezug genommen wird, sind die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt worden, an den Kläger zur Kompensation des erlittenen Verdienstausfalls in der Zeit vom 1.5.2003 bis 31.12.2004 Schadensersatz i.H.v. 22.251,65 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13.7.2005 zu zahlen. Ferner hat das LG festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger denjenigen Schaden zu ersetzen, der ihm infolge der fehlerhaften Durchführung des Kündigungsschutzverfahrens beim ArbG Wuppertal (Az. 7 CA 4947/02) entstanden ist oder noch entstehen wird.
Dagegen richtet sich die Berufung der Beklagten, mit welcher sie die Abweisung der Klage weiter verfolgen. Sie bestreiten unverändert den Schadensersatzanspruch nach Grund und Höhe und machen insbesondere geltend, auch ohne die Versäumung der Frist zur Einlegung der Kündigungsschutzklage wäre der Kläger wegen der Wirksamkeit der ihm am 30.9.2002 zum Ablauf des 30.4.2003 erklärten Kündigung unterlegen gewesen. Der Feststellungsantrag sei mangels Interesses als unzulässig abzuweisen. Jedenfalls sei das Feststellungsbegehren unbegründet, zumindest aber zur Vermeidung einer "ewigen Rente" zeitlich zu begrenzen.
Die Beklagten beantragen, unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.
Der Kläger bittet um Zurückweisung der Berufung.
Der Senat hat nach Beweiserhebung (Lohnauskunft durch Lohnbescheinigungen von Januar 2002 bis April 2003 sowie schriftliche Aussage des Zeugen K. vom 3.5.2006) die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 20.6.2006). Auf die Revision der Beklagten hat der BGH das Senatsurteil wegen unzureichender Beweiserhebung aufgehoben und den Rechtsstreit an das erkennende Gericht zurückverwiesen (BGH, Urt. v. 24.5.2007 - III ZR 176/06, NJW 2007, 2043). Der Senat hat ergänzend Beweis erhoben durch schriftliche Vernehmung der Zeugen F. und G.. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf die schriftlichen Aussagen der genannten Zeugen vom 8.1.2008. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachvortrags wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
B. Das zulässige Rechtsmittel ist teilweise begründet. Ohne Erfolg bleiben die Einwendungen der Beklagten zum Grund des Zahlungs- und Feststellungsbegehrens. Zur Höhe des Zahlungsanspruchs sind einzelne Korrekturen des angefochtenen Urteils geboten. Im Einzelnen gilt das Folgende:
I. Pflichtverletzungen
Die Feststellungen des LG zu den Pflichtverletzungen beider Beklagten werden mit der Berufung nicht konkret angegriffen. Eine diesbezügliche Fehlbeurteilung des LG ist auch nicht ersichtlich. Aufgabe der Erstbeklagten (Gewerkschaft) war es, die Erstinformationen des Klägers (rechtsschutzberechtigtes Mitglied der Erstbeklagten) zu seiner rechtlichen Angelegenheit (Rechtsverteidigung gegen die Beendigungskündigung vom 30.9.2002) entgegen zu nehmen und (rechtzeitig) an die Zweitbeklagte (Rechtsschutzgesellschaft d...