Leitsatz (amtlich)
1. VerfahrensartDer Anspruch des Auftraggebers gegen den Steuerberater auf Schadensersatz aus dem Vertragsverhältnis verjährt gemäß § 68 StBerG in drei Jahren von dem Zeitpunkt an, in dem der Anspruch entstanden ist. Der Anspruch ist in diesem Sinne entstanden, wenn dem Auftraggeber infolge einer schuldhaften Pflichtverletzung ein Schaden entstanden ist, was bei einer fehlerhaften Beratung des Steuerberaters in einer Steuerangelegenheit vor einer Entscheidung der Finanzbehörde mit der Bekanntgabe des belastenden Steuerbescheids der Fall ist. Auf die Bestandskraft oder die Unanfechtbarkeit des Bescheids kommt es für den Verjährungsbeginn nicht an.
2. Mit der Entstehung irgendeines (Teil-)Schadens beginnt der Lauf einer einheitlichen Verjährungsfrist für den Anspruch auf Ersatz dieses Schadens sowie aller weiteren adäquat verursachten, zurechen- und voraussehbaren Nachteile. Dieser einheitliche Verjährungsbeginn ist auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass der Steuerberater eine weitere Pflichtverletzung begeht, die mit der allgemeinen Vertragspflicht des Steuerberaters zusammenhängt, von ihm verursachte Nachteile seines Mandanten abzuwenden oder wenigstens zu mindern.
3. Eine nach Eintritt der Verjährung abgegebene Erklärung des Schuldners (Steuerberaters), auf die Einrede der Verjährung zu verzichten, ist jedenfalls nach dem bis zum 31.12.2001 geltenden Recht wirkungslos, wenn der Schuldner mit ihr nur eine vermeintlich noch laufende Verjährungsfrist verlängern, nicht aber auf das bereits entstandene Leistungsverweigerungsrecht aus § 222 Abs. 1 BGB verzichten wollte.
4. Dem Steuerberater ist es in der Regel nicht nach Treu und Glauben, § 242 BGB, deshalb verwehrt, sich mit Erfolg auf die Verjährung zu berufen, weil er seinen Mandanten durch eine finanzgerichtliche Anfechtung des belastenden Steuerbescheids von einer rechtzeitigen Klageerhebung im Regressprozess abgehalten hätte.
Verfahrensgang
LG Duisburg (Aktenzeichen 9 O 486/00) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird unter Zurückweisung der Berufung der Kläger das am 4.10.2001 verkündete Urteil der 9. Zivilkammer des LG Duisburg abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
Die Kläger nehmen die Beklagte als Steuerberatungsgesellschaft auf Schadensersatz mit der Begründung in Anspruch, die Beklagte habe sie fehlerhaft zu den steuerlichen Auswirkungen einer beabsichtigten Betriebsaufgabe beraten und sie im anschließenden finanzgerichtlichen Verfahren fehlerhaft vertreten.
Der Kläger zu 1), der zusammen mit der Klägerin zu 2) zur Einkommensteuer veranlagt wird, war bis Ende 1989 Inhaber einer Gärtnerei, die sich auf einem ihm gehörenden Grundstück befand. Im Jahre 1989 teilte der Kläger zu 1) – von der Beklagten entsprechend steuerlich beraten – das Grundstück zum Zwecke der Betriebsaufgabe: Er veräußerte einen Teil, einen Teil mit einem Wohnhaus behielt er zu privaten Zwecken und auf einem weiteren Teil betrieb er ab Anfang 1990 einen Blumenhandel. Die Beklagte beriet den Kläger zu 1) dahin, dass dies die Voraussetzungen einer Betriebsaufgabe gemäß § 16 EStG erfülle, was eine Privilegierung des Veräußerungsgewinns gemäß § 34 EStG zur Folge habe. Das Finanzamt erkannte eine vollständige Betriebsaufgabe nicht an und legte dem Einkommensteuerbescheid vom 6.8.1991 für den Veranlagungszeitraum 1990 den nicht ermäßigten Veräußerungsgewinn zugrunde. Der dagegen eingelegte Einspruch der Kläger wurde mit Bescheid vom 22.7.1992 zurückgewiesen, die anschließende Klage blieb im wesentlichen erfolglos. Das Finanzgericht änderte den Einkommensteuerbescheid lediglich geringfügig insoweit, als es von dem zu berücksichtigenden Veräußerungsgewinn die mit der Veräußerung zusammenhängenden Kosten abzog. Die Neuberechnung der Einkommensteuer auf dieser Grundlage übertrug es dem Finanzamt.
Nach rechtskräftigem Abschluss des gerichtlichen Verfahrens nahm das Finanzamt mit Bescheid vom 30.7.1998 die Neuberechnung der Einkommensteuer vor. Hiergegen legte die Beklagte namens der Kläger unter dem 25.8.1998 Einspruch ein, mit dem sie versuchte, die Steuerfreiheit des Veräußerungsgewinns doch noch zu erreichen. Zur Begründung führte sie an, die Bilanz für das Jahr 1990 sei zu ändern und mit dem Veräußerungsgewinn sei gemäß § 6b EStG eine den steuerlichen Gewinn mindernde Rücklage zu bilden. Der Einspruch wurde zurückgewiesen, weil dies – so das Finanzamt – nach rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens über die Einkommensteuer 1990 nicht mehr geltend gemacht werden könne.
Die Beklagte beabsichtigte, gegen diesen Bescheid vom 23.9.1998 Klage beim Finanzgericht einzureichen. Der Kläger zu 1) mac...