Leitsatz (amtlich)
Soweit keine Allgemeinen Geschäfts- oder Beförderungsbedingungen eingreifen, ist in der Regel davon auszugehen, dass ein ungewöhnlich hoher Schaden droht, wenn der Wert des Frachtgutes den zehnfachen gesetzlichen Haftungshöchstbetrag überschreitet. Hierauf muss der Versender hinweisen, anderenfalls ihm der Mitverschuldenseinwand nach §§ 254 Abs. 2 BGB, 425 Abs. 2 HGB droht.
Verfahrensgang
LG Duisburg (Urteil vom 20.11.2006; Aktenzeichen 24 O 21/04) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 20.11.2006 verkündete Urteil der 4. Kammer für Handelssachen des LG Duisburg (24 O 21/04) teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 144.368 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18.12.2003 zu zahlen.
Die Anschlussberufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des nach dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils von ihr zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
Die Klägerin ist Transportversicherer der C.D. AG in Linden (im Folgenden C-GmbH genannt). Im November 2003 beauftragte die C-GmbH die S. Deutschland AG mit der Beförderung einer auf 9 Paletten gepackten Warensendung von Linden zur S.S.A. in Madrid. Die S. AG gab diesen Transportauftrag am 19.11.2003 an die Beklagte weiter. Die Beklagte beauftragte ihrerseits die E.A.S.L. mit der Beförderung. Die E.A.S.L. setzte für diesen Transport eine Sattelzugmaschine mit Planenauflieger ein. Deren Fahrer brachte am 21.11.2003 ein Formular eines CMR-Frachtbriefs zur Ladestelle mit, das er nach den Angaben eines Mitarbeiters der C-GmbH ausfüllte. In der Rubrik über die Art der Warensendung trug er zunächst "PC-Ware" ein. Nach Verladung der neun in schwarze Folie eingeschweißten, 2.780 kg schweren Paletten strich er die Buchstaben "PC" auf dem Frachtbrief durch.
Während des Transports ging die gesamte Warensendung verloren. Als der Fahrer am 25.11.2003 auf dem Speditionsgelände der S.S.A. eintraf und der Planauflieger geöffnet wurde, war der Laderaum des Lkw leer. Auf dem Boden des Aufliegers befanden sich Schleifspuren.
Wegen dieses Warenverlusts nimmt die Klägerin die Beklagte aus übergegangenem und abgetretenem Recht der S. Deutschland AG auf Schadensersatz in Anspruch.
Die Klägerin hat behauptet:
Auf den neun Paletten hätten sich 563 TFT-Computerflachbildschirme im Wert von 144.368 EUR befunden. Die S. Deutschland AG habe der Beklagten bei Auftragserteilung mitgeteilt, dass es sich bei der Warensendung um Computerkomponenten gehandelt habe.
Die Warensendung sei während des Transports unter Beteiligung des Fahrers gestohlen worden. Nachdem der Fahrer bei der Spedition S.S.A erschienen sei, habe er sofort unter Vorlage einer Diebstahlsanzeige behauptet, die Warensendung sei gestohlen worden.
Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie, die Klägerin, 144.368 EUR nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18.12.2003 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat behauptet:
Nachdem der Fahrer der E.A.S.L. die Warensendung übernommen habe, sei er zunächst nach Dillenburg gefahren, um dort weitere Ware, nämlich ein Coil im Gewicht von 21.097 kg, aufzunehmen. Am Montag, den 24.11.2003 sei der Fahrer dann gegen 12.45 Uhr an der Entladestelle des Coils in Barcelona eingetroffen. Zu diesem Zeitpunkt hätten sich die neun Paletten noch auf dem Lkw befunden. Auf der Weiterfahrt habe der Fahrer dann von 17.30 Uhr bis 18.15 Uhr in Zaragossa eine Pause eingelegt. Während dieser Rast habe sich der Fahrer in unmittelbarer Nähe zum Lkw aufgehalten und habe diesen ständig unter Beobachtung gehabt. Sodann sei er zum unbewachten Parkplatz "Z." bei San Fernando de Henares weitergefahren. Dieser Parkplatz sei beleuchtet gewesen. Auf diesem Parkplatz habe der Fahrer die vorgeschriebene Ruhepause von 23.30 Uhr bis 7.30 Uhr schlafend im Lkw verbracht. Während dieser Ruhepause sei die Warensendung aus dem Laderaum des Lkw gestohlen worden. Nachdem der Fahrer aufgewacht sei, habe der Fahrer starke Kopfschmerzen verspürt. Deshalb sei zu vermuten, dass der Fahrer von den Dieben durch Einleitung eines Betäubungsgases in die Fahrerkabine außer Gefecht gesetzt worden sei.
Vor der Weiterfahrt habe der Fahrer das Fahrzeug am 25.11.2003 gegen 7.30 Uhr kontrolliert; hierbei sei ihm jedoch nichts Ungewöhnliches aufgefallen. Gegen 8.00 Uhr sei der Lkw auf dem Speditionsgelände der S.S.A. eingetroffen; zu diesem Zeitpunkt sei das Lager noch geschlossen gewesen. Erst als gegen 12.30 Uhr der Laderaum des Lkw zwecks Entladung geöffnet wurde, sei der Diebstahl de...