Leitsatz (amtlich)
1. Für die "Forderung bzw. das Verlangen des Auftraggebers" nach Ausführung einer bisher im Bauvertrag nicht vorgesehenen Leistung i.S.v. § 2 Nr. 6 VOB/B gelten die von der Rechtsprechung des BGH entwickelten Grundsätze zur "Anordnung des Auftraggebers", welche die Grundlagen des Preises für eine im Vertrag vorgesehene Leistung i.S.v. § 2 Nr. 5 VOB/B ändert, entsprechend.
2. § 2 Nr. 6 Abs. 1 Satz 2 VOB/B ist - für den Fall, dass die VOB/B nicht als Ganzes vereinbart ist - nicht wegen eines Verstoßes gegen §§ 305 ff. BGB unwirksam, denn die Versäumung der Ankündigung hat nur dann einen Anspruchsverlust des Auftragnehmers zur Folge, wenn und soweit die Ankündigung berechtigten Schutzinteressen des Auftraggebers dient und ihre Versäumung unentschuldigt ist.
3. Ohne eine nachvollziehbare Darlegung der Preisgrundlagen aufgrund der vorzulegenden Auftrags-/Urkalkulation bzw. einer plausiblen (Nach-)Kalkulation - ist ein geltend gemachter Mehrvergütungsanspruch bei Nachträgen i.S.v. § 2 Nr. 5 VOB/B bzw. § 2 Nr. 6 VOB/B unschlüssig und die Klage als endgültig unbegründet (und nicht wie bei nur fehlender Prüfbarkeit als nicht fällig bzw. derzeit unbegründet) abzuweisen. Für einen Rückgriff auf den ortsüblichen Preis in Anlehnung an § 632 Abs. 2 BGB ist im Rahmen von § 2 Nr. 5 bzw. Nr. 6 VOB/B kein Raum.
4. Die Auftragnehmerin ist im Rahmen von § 2 Nr. 8 VOB/B dafür darlegungs- und beweispflichtig, dass die Ausführung der zusätzlichen Werkleistungen durch sie dem mutmaßlichen Willen der Auftraggeberin entspricht. Sie muss den Willen vor Beginn der Ausführung mit zumutbarem Aufwand erforschen und selbst dann beachten, wenn das ihr erkennbare Verhalten der Auftraggeberin ihr unvernünftig bzw. interessenwidrig erscheint, es sei denn § 679 BGB (öffentliches Interesse, z.B. Bauordnungsrecht, Gefahrenabwehr etc.) steht dem entgegen.
5. Für die Abgrenzung, welche Arbeiten von der vertraglich vereinbarten Leistung erfasst sind bzw. ggf. zusätzlich zu vergüten sind, kommt es auf den durch Auslegung (§§ 133, 157 BGB) zu ermittelnden Inhalt der Leistungsbeschreibung an. Dabei sind das gesamte Vertragswerk und dessen Begleitumstände zugrunde zu legen, d.h. Baubeschreibung, Leistungsverzeichnis einschließlich abstrakter Vorbemerkungen, Probestücken, Bauzeichnungen, Detailplanungen und auch sämtliche sonstigen Vertragsunterlagen. Eine Zeichnung besitzt dabei vertraglich grundsätzlich die gleiche Bedeutung wie das geschriebene Wort oder die geschriebene Zahl in der Leistungsbeschreibung, zumal eine Zeichnung weit eher geeignet ist, Art und Umfang der gewollten Leistung zu bestimmen.
6. Es ist im Zivilprozess nicht Aufgabe des Gerichts, sich aus schriftsätzlich nicht hinreichend erläuterten Anlagen (Aufstellungen) etwaig im Rahmen von § 2 VOB/B erhebliche Positionen selbst im Wege einer unzulässigen Amtsaufklärung erst noch zu beschaffen bzw. zu ermitteln.
Verfahrensgang
LG Mönchengladbach (Urteil vom 13.02.2014; Aktenzeichen 10 O 154/09) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 10. Zivilkammer Kammer des LG Mönchengladbach vom 13.2.2014 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits zweiter Instanz - einschließlich der Kosten der Streithelferin der Beklagten - werden der Klägerin auferlegt.
Das erstinstanzliche Urteil und dieses Urteil sind ohne Sicherheitsleistung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Parteien dürfen die Zwangsvollstreckung der jeweils anderen Partei durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des aufgrund des Urteils gegen sie jeweils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
A. Die Klägerin macht gegen die Beklagten Restwerklohn für im Jahre 2008 erbrachte Werkleistungen - einschließlich von ihr behaupteter Nachträge - in Zusammenhang mit der Verlängerung des Personentunnels auf dem Gelände des Bahnhofs in V. i.H.v. 152.908,16 EUR nebst Zinsen geltend; die Beklagte macht im Wege der Hilfswiderklage die Rückzahlung von Werklohn i.H.v. 5.972,33 EUR nebst Zinsen geltend. Wegen weiterer Einzelheiten wird gem. § 540 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen im erstinstanzlichen Urteil Bezug genommen.
Das LG hat der Klage nach Hinweisen (768 ff. GA), nach Beweisaufnahme (855/1138 ff. GA) durch Vernehmung der Zeugen L. (892 ff. GA), S. (894 ff. GA), K. (895 ff. GA), S. (896 ff. GA), G. (946 ff. GA), L. (nochmalige Vernehmung 1147 ff. GA), S. (1149 ff. GA) sowie durch Einholung eines Gutachtens des Sachverständigen Dr. S. (981 ff. GA) nebst mündlicher Ergänzung (1150 ff. GA) Beweis erhoben und der Klage i.H.v. 11.925,89 EUR nebst Verzugszinsen unter Abweisung der weiter gehenden Klage sowie der Widerklage entsprochen und zur Begründung - soweit berufungsrelevant - im Wesentlichen ausgeführt:
I. Der Klägerin ständen für die Nachtragspositionen Vergütungsansprüche wie folgt zu:
Pos. 20.1.0050 (Beschleunigung wg. Sperrzeitverkürzung): |
4.881,47 EUR |
Po... |