Verfahrensgang
LG Düsseldorf (Aktenzeichen 4b O 55/22) |
Tenor
I. Die Berufung gegen das am 22.09.2022 verkündete Urteil der 4b Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf (Az.: 4b O 55/22) wird zurückgewiesen.
II. Die Verfügungsklägerin hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.000.000,- EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Verfügungsklägerin macht als eingetragene Inhaberin des deutschen Teils des europäischen Patents ...873 (nachfolgend: Verfügungspatent) wegen dessen Verletzung durch das von der Verfügungsbeklagten, einem Generikaunternehmen, vertriebene Arzneimittel "... A." (angegriffene Ausführungsform) im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes einen Unterlassungsanspruch geltend.
Das Verfügungspatent ist aus einer Teilanmeldung zu der dem europäischen Patent ...537 (nachfolgend: Stammpatent) zugrunde liegenden Anmeldung hervorgegangen und nimmt deren Anmeldetag vom 07.02.2008 sowie die Priorität der US ...921 P vom 08.02.2007 in Anspruch. Der Hinweis auf die Erteilung des Verfügungspatents wurde - nachdem im Prüfungsverfahren Einwendungen Dritter berücksichtigt wurden - am 20.07.2022 veröffentlicht. Das Verfügungspatent ist in Kraft. Über den unter anderem von der Verfügungsbeklagten erhobenen Einspruch gegen das Verfügungspatent ist noch nicht entschieden.
Die Ansprüche 1 und 5 des Verfügungspatents lauten in deutscher Übersetzung wie folgt:
1. Pharmazeutische Zusammensetzung zur Verwendung bei der Behandlung Multipler Sklerose, wobei die Zusammensetzung Folgendes umfasst:
(a) Fumarsäuredimethylester oder Fumarsäuremonomethylester und
(b) einen oder mehrere pharmazeutisch unbedenkliche Arzneimittelträger,
wobei die Zusammensetzung einem Patienten mit Behandlungsbedarf bei Multipler Sklerose oral zu verabreichen ist und wobei die zu verabreichende Dosis Fumarsäuredimethylester oder Fumarsäuremonomethylester 480 mg pro Tag beträgt.
5. Fumarsäuredimethylester oder Fumarsäuremonomethylester zur Verwendung bei der Behandlung Multipler Sklerose, wobei der Fumarsäuredimethylesteroder Fumarsäuremonomethylester einem Patienten mit Behandlungsbedarf bei Multipler Sklerose mit einer Dosis von 480 mg pro Tag oral zu verabreichen ist.
Das Stammpatent wurde im Rahmen eines von zehn Einsprechenden geführten Einspruchsverfahrens mit Entscheidung vom 13.06.2016 von der Einspruchsabteilung des Europäischen Patentamts widerrufen, weil es auch mit Blick auf die zuletzt gestellten Hilfsanträge an einer erfinderischen Tätigkeit fehle (schriftliche Begründung vorgelegt als Anlage rop 14, in deutscher Übersetzung als Anlage rop 14a; nachfolgend zitiert als "Einspruchsentscheidung" nach Anlage rop 14a). Die dagegen gerichtete Beschwerde wies die Technische Beschwerdekammer mit Entscheidung vom 20.01.2022 zurück (schriftliche Begründung vorgelegt als Anlage rop 10, in deutscher Übersetzung als Anlage rop 10a; nachfolgend zitiert als "Entscheidung TBK" nach Anlage rop 10a), weil der Gegenstand der Hilfsanträge über den Inhalt der Anmeldung in der eingereichten Fassung hinausgehe.
Die Ansprüche 1 und 7 des Stammpatents in seiner erteilten Fassung lauten in deutscher Übersetzung wie folgt, wobei Abweichungen gegenüber dem Wortlaut der Ansprüche 1 und 5 des Verfügungspatents unterstrichen sind:
1. Pharmazeutische Zusammensetzung zur Verwendung bei der Behandlung Multipler Sklerose, wobei die Zusammensetzung aus Folgendem besteht:
(a) Fumarsäuredimethylester oder Fumarsäuremonomethylester und
(b) einen oder mehrere pharmazeutisch unbedenkliche Arzneimittelträger,
wobei die Zusammensetzung einem Patienten mit Behandlungsbedarf bei Multipler Sklerose oral zu verabreichen ist und wobei die zu verabreichende Dosis Fumarsäuredimethylester oder Fumarsäuremonomethylester 480 mg pro Tag beträgt.
7. Fumarsäuredimethylester oder Fumarsäuremonomethylester zur Verwendung bei der Behandlung Multipler Sklerose, wobei der Fumarsäuredimethylester oder Fumarsäuremonomethylester der einzige zu verabreichende, neuroprotektive Bestandteil ist, wobei der Fumarsäuredimethylester oder Fumarsäuremonomethylester einem Patienten mit Behandlungsbedarf bei Multipler Sklerose mit einer Dosis von 480 mg pro Tag oral zu verabreichen ist.
Das Landgericht hat den Antrag der Verfügungsklägerin auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen, da der Rechtsbestand des Verfügungspatents nicht in dem erforderlichen Umfang gesichert sei und es daher an einem Verfügungsgrund fehle. Mit der das Stammpatent betreffenden Entscheidung der Einspruchsabteilung einerseits und der Erteilung des Verfügungspatents andererseits lägen relevante Entscheidungen von Fachinstanzen vor, die in einem unauflösbaren Widerspruch zueinander stünden. Es könne zwar zugunsten der Verfügungsklägerin unterstellt werden, dass ein sogenannter Generikafall vorliege, womit der Erlass einer einstweiligen Verfügung trotz der sich widersprechenden Entscheidungen geboten sei, wenn sich die Kammer selbst eine hinreichende Überzeugung vom Rechtsbestand des...