Entscheidungsstichwort (Thema)
Vermögenseinsatz im Elternunterhalt
Leitsatz (amtlich)
1. Der Barbetrag gem. § 35 Abs. 2 Satz 1 SGB XII kann vom Unterhaltspflichtigen nicht verlangt werden, wenn der Unterhaltsberechtigte über auf die Heimkosten anrechnungsfreie eigene Mittel verfügt, die den Barbetrag deutlich übersteigen.
2. Der Unterhaltspflichtige hat ein über einen Schonbetrag von 75.000 EUR hinausgehendes Vermögen zur Bestreitung des Elternunterhalts einzusetzen; die Berechnung dieses Einsatzes erfolgt nach § 14 BewG (Tabelle 9).
Normenkette
BGB § 1601 ff.; SGB XII §§ 94, 35 Abs. 2 S. 1
Verfahrensgang
AG Wesel (Urteil vom 08.02.2010; Aktenzeichen 33 F 277/09) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des AG - Familiengericht - Wesel vom 8.2.2010 teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin
1. für den Zeitraum vom 1.4.2008 bis zum 31.7.2010 einen Unterhaltsrückstand von 11.556,37 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus
6.733,91 EUR für die Zeit vom 13.8.2009 bis zum 4.9.2009,
7.208,91 EUR für die Zeit vom 5.9.2009 bis zum 4.10.2009,
7.683,91 EUR für die Zeit vom 5.10.2009 bis zum 4.11.2009,
8.082,71 EUR für die Zeit vom 5.11.2009 bis zum 4.12.2009,
8.557,71 EUR für die Zeit vom 5.12.2009 bis zum 4.1.2010,
8.953,02 EUR für die Zeit vom 5.1.2010 bis zum 4.2.2010,
9.428,02 EUR für die Zeit vom 5.2.2010 bis zum 4.3.2010,
9.903,02 EUR für die Zeit vom 5.3.2010 bis zum 4.4.2010,
10.081,83 EUR für die Zeit vom 5.4.2010 bis zum 4.5.2010,
10.556,83 EUR für die Zeit vom 5.5.2010 bis zum 4.6.2010,
10.962,14 EUR für die Zeit vom 5.6.2010 bis zum 4.7.2010,
11.437,14 EUR für die Zeit vom 5.7.2010 bis zum 4.8.2010 und
11.556,37 EUR seit dem 5.8.2010 zu zahlen;
2. ab August 2010 einen monatlich im Voraus zu leistenden Unterhaltsbetrag für seine Mutter H. A., geb. am 30.1.1915, i.H.v. 450 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 5. Kalendertag des jeweiligen Monats zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin ¼, der Beklagte ¾.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird auf 15.700 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Beklagte (1.9.1941) ist der Sohn der Frau H. A. (30.1.1915). Frau A. befindet sich seit Februar 2008 im Pflegeheim; die - nunmehr aktuell unstreitige - Heimpflegebedürftigkeit ist von der Pflegeversicherung, die Leistungen nach Pflegestufe II gewährt, durch Schreiben vom 29.1.2008 bescheinigt worden. Frau A. steht seit dem 25.3.2008 unter Betreuung; diese wurde zunächst von einem Bruder des Beklagten (R. A.) und wird seit dem 16.10.2008 durch das Diakonische Werk Wesel wahrgenommen.
Die eigenen Einkünfte von Frau A. reichen zur Deckung der Heimkosten nicht aus; die Klägerin erbringt ergänzende Leistungen nach dem SGB XII. Die Leistungen für die Zeit von April 2008 bis Juli 2010 sind im Einzelnen dargelegt. Durch Anzeige vom 14.4.2008 hat die Klägerin dem Beklagten rechtswahrende Mitteilung gem. § 94 SGB XII gemacht.
Der Beklagte hatte bei Verfahrenseinleitung insgesamt sieben noch lebende Geschwister. Der Bruder K-H. ist im Laufe des Verfahrens, am 23.2.2010, verstorben. Der Beklagte ist verheiratet, seine Ehefrau wurde am 1.9.1946 geboren und bezieht noch keine Altersrente; noch unterhaltsberechtigte Kinder sind nicht vorhanden.
Der Beklagte war bis zum Erreichen des Ruhestandes selbständig tätig. Er ist gemeinsam mit seiner Ehefrau Eigentümer bzw. Nießbraucher einiger in W. gelegener Immobilien und verfügt über ein Barvermögen von ca. 250.000 EUR; er erhält eine monatliche Altersrente von netto ca. 240 EUR. Gemeinsam mit seiner Ehefrau erzielte er ausweislich des Einkommensteuerbescheides für 2008 vom 5.8.2009 monatliche Brutto-Mieteinnahmen von ca. 940 EUR und monatliche Brutto-Kapitaleinkünfte von ca. 838 EUR; er wohnt mietfrei im eigenen Haus, wofür den Eheleuten ein Wohnvorteil von 600 EUR zugerechnet wird. Der monatliche Krankenversicherungsbeitrag der Ehefrau beträgt 117 EUR. Die allein auf Zinsabschlägen beruhende Einkommensteuererstattung für 2008 belief sich auf ca. 2.677 EUR; i.Ü. wurde das zu versteuernde Einkommen der Eheleute in 2008 auf 0 EUR festgesetzt. Wesentliche Veränderungen der wirtschaftlichen Verhältnisse des Beklagten und seiner Ehefrau ab 2009 werden von beiden Parteien nicht behauptet.
Das AG hat den Beklagten - unter Abweisung einer geringfügigen Widerklage - verurteilt, für die Zeit von April 2008 bis Juli 2009 einen Unterhaltsrückstand von 8.968 EUR und für die Zeit ab August 2009 einen monatlichen Unterhaltsbetrag von 561 EUR zu zahlen.
Mit seiner Berufung verfolgt der Bek...