Verfahrensgang

LG Gießen (Urteil vom 06.04.2022; Aktenzeichen 2 O 448/21)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Gießen vom 06.04.2022 (Az. 2 O 448/21) wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das angefochtene Urteil des Landgerichts Gießen ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Der Gegenstandswert des Berufungsverfahrens wird auf die Gebührenstufe bis zu EUR 22.0000 festgesetzt.

 

Tatbestand

I. Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes sowie wegen der im Berufungsverfahren gestellten Anträge wird auf die Ausführungen zu Ziffer I. des Hinweisbeschlusses des Senats vom 11.10.2022 (Bl. 543 ff. d.A.) Bezug genommen (§ 522 Abs. 2 S. 4 ZPO).

II. Die Zurückweisung der Berufung des Klägers beruht auf § 522 Abs. 2 S. 1 ZPO. Die zulässige Berufung hat nach einstimmiger Überzeugung des Senats offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg; auch die sonstigen Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 ZPO liegen vor.

Zur Begründung wird zunächst auf die Ausführungen im Hinweisbeschluss des Senats vom 11.10.2022 zu Ziffer II. Bezug genommen, an denen der Senat auch nach nochmaliger Prüfung festhält. Auch mit Rücksicht auf die ergänzenden Ausführungen im Schriftsatz des Klägers vom 24.11.2022 ist eine hiervon abweichende rechtliche Würdigung nicht veranlasst.

Eine förmliche Aussetzung des vorliegenden Verfahrens oder die Zurückstellung einer Sachentscheidung ist weder im Hinblick auf die Rechtssache des Europäischen Gerichtshofs zu C-100/21 noch im Hinblick auf das vor dem BGH geführte Verfahren - VIa ZR 335/21 - veranlasst. Ergänzend zu den bereits im Hinweisbeschluss vom 11.10.2022 enthaltenen Ausführungen ist auch unter Einbeziehung der Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs Nr. 104/2022 vom 01.07.2022 keine Vorgreiflichkeit der dort ausstehenden höchstrichterlichen Entscheidung anzunehmen. Vorliegend ist für den allein auf deliktische Grundlagen gestützten Schadensersatzanspruch des Klägers maßgebend, dass es im Streitfall schon an dem Verschuldenselement, in concreto an einer fahrlässigen Schutzgesetzverletzung fehlt, weshalb die ausstehenden Entscheidungen nicht abzuwarten sind (vgl. hierzu nur: OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 21.09.2022, Az. 16 U 78/21; OLG Hamm, Urteil vom 02.08.2022, Az. 13 U 133/21; OLG Köln, Beschluss vom 13.10.2022, Az. 27 U 20/21, jeweils zitiert nach BeckRS).

Vor diesem Hintergrund erweisen sich auch die im Schriftsatz vom 24.11.2022 wiederholten Ausführungen zu einzelnen Bestimmungen der VO (EG) Nr. 715/2007 bzw. zur Organisationsstruktur der Beklagten (vgl. hierzu bereits Berufungsbegründung, Bl. 294 f. d.A.) als unbehelflich.

Der Kläger lässt schlicht außer Acht, dass er das Fahrzeug erworben hat, nachdem die vom Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) ursprünglich beanstandete Motorsteuerungssoftware ausprogrammiert und das vom KBA ausdrücklich freigegebene Software-Update auf den Wagen aufgespielt worden war. Bei dieser Sachlage kann von einer kausalen sittenwidrigen Täuschung des Klägers durch die Beklagte zum Zeitpunkt des Fahrzeugerwerbs bzw. von einem verwerflichen Handeln i.S.v. § 826 BGB keine Rede sein. Vergleichbar mit der Verhaltensänderung des Autoherstellers VW nach September 2015 (vgl. hierzu: BGH, Urteil vom 28.10.2021 - III ZR 261/20 -; vgl. auch nochmals BGH, Beschluss vom 09.03.2021 - VI ZR 889/20 -) lässt sich der Vorwurf der Sittenwidrigkeit in den Fällen nicht mehr rechtfertigen, in denen Käufer ein Fahrzeug erworben haben, auf das schon vor dem Kauf - in Abstimmung mit dem KBA entwickelte - Software-Updates zwecks Beseitigung unzulässiger Abschalteinrichtungen aufgespielt worden sind, weil sich damit nicht mehr feststellen lässt, dass ein Repräsentant oder Mitarbeiter der Beklagten bei der Verwendung der die Abgasemissionen beeinflussenden Faktoren in dem Bewusstsein handelte, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden (vgl. OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 21.09.2022, Az. 16 U 78/21). So ist bei der gebotenen umfassenden Betrachtung das gesamte Verhalten des (mutmaßlichen) Schädigers bis zum Eintritt des Schadens beim konkreten Geschädigten zugrunde zu legen. Dies wird insbesondere dann bedeutsam, wenn die erste potentiell schadensursächliche Handlung und der Eintritt des Schadens zeitlich auseinanderfallen und der Schädiger sein Verhalten zwischenzeitlich nach außen erkennbar geändert hat (OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 21.09.2022, Az. 16 U 78/21 mit Verweis auf BGH, Hinweisbeschluss vom 12.01.2022 - VII ZR 391/21 -).

Durch das - unstreitige - Aufspielen des Software-Updates im März 2018, welches vom KBA im Januar 2018 ausdrücklich freigegeben wurde und worin unwidersprochen bestätigt wurde, dass nach Durchführung des Software-Updates keine unzulässige Abschalteinrichtung vorliegt ...

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