Entscheidungsstichwort (Thema)
Substantiierungspflicht im Arzthaftungsprozess
Leitsatz (amtlich)
An die Substantiierungspflicht der Parteien dürfen im Arzthaftungsprozess nur maßvolle Anforderungen gestellt werden, weil vom Patienten regelmäßig keine genaue Kenntnis der medizinischen Vorgänge erwartet und gefordert werden kann.
Normenkette
BGB § 630a; ZPO § 114
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 19.03.2018; Aktenzeichen 2-14 O 209/17) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers und Beschwerdeführers wird der Beschluss der 14. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main (2-14 O 209/17) vom 19. März 2018 in Verbindung mit dem Nichtabhilfebeschluss vom 13. April 2018 abgeändert.
Dem Antragsteller und Beschwerdeführer wird für den ersten Rechtszug Prozesskostenhilfe für den Klageantrag bewilligt, die Antragsgegnerin zu verurteilen, an den Antragsteller und Beschwerdeführer ein Schmerzensgeld in Höhe von EUR 50.000,00 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Dem Antragsteller und Beschwerdeführer wird überdies für den ersten Rechtszug Prozesskostenhilfe für den Klageantrag bewilligt, festzustellen, dass die Antragsgegnerin vorbehaltlich eines gesetzlichen Forderungsüberganges verpflichtet ist, dem Antragsteller und Beschwerdeführer sämtliche materiellen Schäden aus der Behandlung im Januar 2015 auszugleichen.
Dem Antragsteller und Beschwerdeführer wird zur Wahrnehmung der Rechte im ersten Rechtszug Rechtsanwalt A, Stadt2, zu den kostenrechtlichen Bedingungen eines Rechtsanwaltes mit Sitz in dem Bezirk des Prozessgerichts beigeordnet.
Die Beschwerdeentscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten der Parteien im Beschwerdeverfahren werden nicht erstattet.
Gründe
I. Der Antragsteller und Beschwerdeführer (im Folgenden: der Beschwerdeführer) begehrt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe zur klageweisen Geltendmachung eines Schmerzensgeldanspruchs sowie der Feststellung der Ersatzpflicht der Antragsgegnerin in Bezug auf etwaige materielle Schäden.
Der Beschwerdeführer ließ im Januar 2015 eine Hyposensibilisierung bei der Antragsgegnerin durchführen. Er erhielt in deren Praxis am 9. Januar 2015 eine von mehreren vorgesehenen Spritzen.
Am XX. Januar 2015 wurde der Beschwerdeführer wegen eines Schlaganfalls im Universitätsklinikum Stadt1 aufgenommen und behandelt.
Der Beschwerdeführer behauptet, er sei aufgrund seines bereits 2013 attestierten und nicht medikamentös behandelten Bluthochdrucks von 240 mmHg Hochrisikopatient. Bei ihm hätte deshalb - so der Beschwerdeführer weiter - eine Hyposensibilisierung nicht vorgenommen werden dürfen. Er behauptet, die Antragsgegnerin wäre verpflichtet gewesen, auch ohne Mitteilung des ihm bekannten Bluthochdrucks vor Durchführung der Therapie seinen Blutdruck zu messen. Die Hyposensibilisierung sei für den danach erlittenen Schlaganfall ursächlich.
Der Beschwerdeführer behauptet, durch den Schlaganfall einen dauerhaften Gedächtnisverlust, eine Gangunsicherheit, eine Kraft- und Ausdauerminderung sowie eine Hemiparese links und einen Grad der Behinderung von 30 erlitten zu haben. Zudem habe er wegen seiner Gehbehinderung seine Arbeitsstelle verloren.
Er behauptet weiter, eine Risikoaufklärung habe nicht stattgefunden. Bei erfolgter Aufklärung hätte er von der Hyposensibilisierung Abstand genommen.
Der Beschwerdeführer hat Prozesskostenhilfe beantragt und beabsichtigt, für den Fall der Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu beantragen,
die Antragsgegnerin zu verurteilen, an ihn EUR 50.000,00 Schmerzensgeld nebst fünf Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit Zustellung zu zahlen, und die Verpflichtung der Antragsgegnerin festzustellen, dem Beschwerdeführer sämtliche materiellen Schäden aus der fehlerhaften Behandlung im Januar 2015 zu bezahlen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen.
Die Antragsgegnerin ist den Behandlungsfehlervorwürfen entgegengetreten und behauptet, sie habe den Beschwerdeführer mündlich aufgeklärt und ihm einen schriftlichen Aufklärungsbogen überreicht und ihn mehrfach nach bestehenden Erkrankungen gefragt. Dieser habe am 9. Januar 2015 angegeben, bis auf die bestehende Allergie gesund zu sein.
Die Antragsgegnerin beruft sich im Hinblick auf die Aufklärungsrüge auf den Einwand der hypothetischen Einwilligung und trägt hierzu vor, der Beschwerdeführer sei am 22. April 2015 erneut mit dem Wunsch einer Hyposensibilisierung bei ihr vorstellig geworden, obwohl ihm im Universitätsklinikum mitgeteilt worden sei, dass bei ihm aufgrund des Bluthochdrucks eine Hyposensibilisierung nicht hätte vorgenommen werden dürfen.
Das Landgericht hat den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit dem angegriffenen Beschluss vom 19. März 2018 (Bl. 63 ff. d. A.) zurückgewiesen, da die beabsichtigte Klage keine hinreichende Aussicht auf Erfolg biete.
Der Beschwerdeführer habe trotz eines Hinweises des Landgerichts nicht ausreichend sub...