Entscheidungsstichwort (Thema)
Zu den Verpflichtungen, die sich für Schiedsgerichte aus Art. 103 GG ergeben OLG Frankfurt am Main, 03.01.2018 - 26 Sch 12/16
Leitsatz (amtlich)
1. Art. 103 GG verpflichtet die Schiedsgerichte, in vergleichbarer Weise wie die staatlichen Gerichte, den Vortrag der Parteien zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Im Regelfall ist allerdings davon auszugehen, dass das Schiedsgericht dieser Verpflichtung auch nachgekommen ist.
2. Da die Gerichte - und wie sie die Schiedsgerichte - nicht gehalten sind, jedes Vorbringen der Beteiligten in den Gründen der Entscheidung ausdrücklich zu bescheiden, lässt sich ein Verstoß gegen die Pflicht, Vorbringen der Beteiligten in Erwägung zu ziehen, nur feststellen, wenn er sich aus den besonderen Umständen des Falles ergibt.
3. Dem Schiedsgericht wird daher, nicht anders als dem staatlichen Gericht, bis zum Beweis des Gegenteils unterstellt, dass es den Parteivortrag auch geistig verarbeitet hat. Ein Aufhebungsgrund liegt lediglich dann vor, wenn sich aus den Entscheidungsgründen ergibt, dass ein nicht von der Hand zu weisender im Vortrag der Parteien zentral wesentlicher Punkt geistig überhaupt nicht verarbeitet worden ist.
Tenor
Der in dem Schiedsverfahren zwischen der hiesigen Antragstellerin als Schiedsbeklagter und der hiesigen Antragsgegnerin als Schiedsklägerin vor dem International Court of Arbitration, Fallnummer ... durch das Schiedsgericht, bestehend aus dem Schiedsrichter B als Vorsitzendem und den beisitzenden Schiedsrichtern A und C am 20.10.2016 am Schiedsort Rio de Janeiro, Brasilien ergangene Endschiedsspruch wird insoweit für vollstreckbar erklärt, als die dortige Schiedsklägerin und hiesige Antragsgegnerin verpflichtet wurde, zum Ausgleich der im Schiedsverfahren entstandenen Verfahrenskosten EUR 65.000,00 an die hiesige Antragstellerin zu zahlen.
Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Vollstreckbarerklärungsverfahrens zu tragen.
Der Beschluss ist vorläufig vollstreckbar.
Der Gegenstandswert des Verfahrens wird auf EUR 65.000,00 festgesetzt.
Gründe
I. Die Antragstellerin begehrt die Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Schiedsspruchs, durch den die von der Schiedsklägerin und hiesiger Antragsgegnerin erhobene Schiedsklage abgewiesen und die Antragsgegnerin zum Ausgleich der Verfahrenskosten in Höhe von EUR 65.000,00 an die hiesige Antragstellerin verpflichtet wurde.
Gegenstand der von der Schiedsklägerin am 12.02.2015 erhobenen Schiedsklage waren Zahlungsansprüche für die Herstellung und Lieferung von Silikonimplantaten an die Schiedsbeklagte.
Ein zwischen den Parteien im Februar 1995 abgeschlossener und als "WLV" bezeichneter Vertrag enthält eine Schiedsklausel, wonach alle infolge dieses Vertrages aufkommenden Meinungsverschiedenheiten von einem Schiedsgericht entschieden werden sollen.
Im November 1998 vereinbarten die Parteien, dass die Schiedsklägerin Rechnungen für künftige Lieferungen an eine Drittfirma, die Firma1 mit Sitz in Montevideo/Uruguay ausstellen sollte, die ihrerseits wiederum Rechnungen gegenüber der Schiedsbeklagten erstellen sollte. Nachdem die Geschäftsbeziehungen zwischen den Parteien auf dieser Basis bis etwa Anfang April 2008 abgewickelt wurden, geriet die Schiedsbeklagte und hiesige Antragstellerin mit ihren Zahlungsverpflichtungen gegenüber der Firma1 in Verzug. In der Folgezeit verlangte die Schiedsklägerin von der Schiedsbeklagten eine unmittelbare Bezahlung der zwischen August und Dezember 2007 erfolgten Lieferungen.
Die Schiedsklägerin hat in dem von ihr eingeleiteten Schiedsverfahren mit Schiedsort in Rio de Janeiro/Brasilien geltend gemacht, dass durch die Einschaltung der Firma1 als "Zahlstelle" die Schiedsbeklagte in keiner Weise von ihren Zahlungsverpflichtungen gegenüber der Schiedsklägerin befreit worden sei; weder enthalte der schriftliche Vertrag (WLV) eine entsprechende Vereinbarung noch seien mündliche Vereinbarungen getroffen worden, die die in § 2.2 des WLV vereinbarte Verbindlichkeit der Schiedsbeklagten gegenüber der Schiedsklägerin abgeändert hätten.
Durch in Bezug genommenen, in beglaubigter Abschrift zur Akte gereichten Endschiedsspruch vom 20.10.2016, hat das Schiedsgericht die Zahlungsansprüche der Schiedsklägerin gegenüber der Schiedsbeklagten mit der Begründung abgewiesen, dass durch die im Jahr 1998 vereinbarte Einbeziehung der Drittfirma die Vertragsbeziehungen zwischen den Parteien dergestalt geändert worden seien, dass die Schiedsbeklagte seitdem nicht mehr die Position einer unmittelbaren Vertragspartnerin der Schiedsklägerin innegehalten habe.
Infolge der Klageabweisung wurde die Schiedsklägerin zur Kostenerstattung gegenüber der Schiedsbeklagten in Höhe von EUR 65.000,00 verpflichtet. In diesem Umfang erstrebt die Antragstellerin nunmehr die Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs.
Die Antragsgegnerin tritt dem Vollstreckbarerklärungsantrag entgegen und rügt zunächst die fehlende örtliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichts. Die Antragstellerin habe nicht ausreic...