Entscheidungsstichwort (Thema)
Anwendbarkeit von Art. 10 III Health-Claims-VO
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Beschluss vom 11.01.2017; Aktenzeichen 2-3 O 422/16) |
Tenor
Die Kosten des Eilverfahrens einschließlich des Beschwerdeverfahrens werden in teilweiser Abänderung der erstinstanzlichen Kostenentscheidung der Antragsgegnerin in vollem Umfang auferlegt.
Beschwerdewert: 6.000 EUR.
Gründe
I. Die Antragsgegnerin vertreibt das Nahrungsergänzungsmittel "X", das aus Bestandteilen des sog. "B" hergestellt sein soll und als "natürliche Zusammensetzung von ... - C -... ohne Zusatzstoffe" beworben wird (Anlage A 3). Dort finden sich neben weiteren Wirkaussagen auch folgende Auslobungen für das Produkt:
"2.1. Das C im X - Komplex kann ... die Leistungskraft enorm steigern ..."
"5. Bei regelmäßigem Genuss können die natürlichen Inhaltsstoffe des gereinigten und bearbeiteten B. ihr Wohlbefinden, Leistungsfähigkeit und Lebensqualität positiv beeinflussen ..."
Der Antragsteller hat die Antragsgegnerin wegen dieser und weiterer Werbeaussagen abgemahnt, weil sie darin eine irreführende, gesundheitsbezogene Werbung gesehen hat (Anlage A 4 - Bl. 102 ff. d.A.).
Die Antragsgegnerin hat am 21.12.2016 eine Unterlassungserklärung abgegeben, die der Forderung des Antragstellers entspricht (Anlage H 1 - Bl. 220 d.A.). Es ist streitig, ob der Antragsteller diese Erklärung vor Einleitung des Eilverfahrens erhalten hat.
Das LG hat der Antragsgegnerin durch Beschlussverfügung vom 11.1.2017 untersagt, weitere im Beschwerdeverfahren nicht mehr streitgegenständliche Auslobungen in Bezug auf ihr Produkt zu verbreiten. Den auf ein Verbot der o.g. Aussagen gerichteten Eilantrag hat es dagegen zurückgewiesen. Es handle sich um Verweise auf allgemeine, nichtspezifische Vorteile des Nährstoffs bzw. des Lebensmittels für die Gesundheit im Allgemeinen oder das gesundheitsbezogene Wohlbefinden. Solche Verweise sind gem. Art. 10 III der VO (EU) 1924/2006 (Health-Claims-VO) nur dann zulässig, wenn ihnen eine in einer der Listen nach Art. 13 oder 14 der Verordnung enthaltene spezifische gesundheitsbezogene Angabe beigefügt ist. Das LG hat sich an den Vorgaben in der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 17.1.2013 orientiert, wonach Art. 10 III Health-Claims-VO noch nicht vollzogen werden kann, solange die genannten Listen nicht erstellt worden sind (BGH GRUR 2013, 958 [BGH 17.01.2013 - I ZR 5/12] - Vitalpilze Tz. 14).
Dagegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde des Antragsstellers, der die Entscheidung unter drei Gesichtspunkten angreift:
Das LG habe übersehen, dass Angaben über die Leistungsfähigkeit grundsätzlich nach Art. 13 I lit. a) Health-Claims-VO zulassungsfähig und somit als spezifische gesundheitsbezogene Angaben i. S. von Art. 10 I Health-Claims-VO anzusehen seien.
Das LG habe es versäumt, sich mit der dezidiert vom Bundesgerichtshof abweichenden Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Hamm und des Kammergerichts auseinanderzusetzen, wonach Art. 10 III Health-Claims-VO auch in der "Übergangszeit" bis zur Erstellung der in Art 13 und 14 Health-Claims-VO vorgesehenen Listen uneingeschränkt anwendbar sei (OLG Hamm GRUR-RR 2015, 169 - Bach-Blütenprodukte; KG GRUR-RR 2016, 254 Rotbuschtee - Vitamine GESUND).
Außerdem habe sich das LG nicht damit beschäftigt, dass der Unterlassungsantrag auch aus §§ 8, 3a i. V. 11 I Nr. 1 LFGB, Art. 7 I LMIV abzuleiten sei. Weder sei für den Inhaltsstoff C eine enorme Steigerung der Leistungsfähigkeit nachgewiesen, noch sei für die anderen Inhaltsstoffe eine positive Beeinflussung der Leistungsfähigkeit hinreichend wissenschaftlich belegt.
Das LG hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
Der Senat hat der Antragsgegnerin Gelegenheit gegeben, zu dem Eilbegehren der Antragstellerin Stellung zu nehmen. Die Antragsgegnerin hat auf ihre oben bereits erwähnte Unterlassungserklärung verwiesen, sowie darauf, dass sie diese der Antragstellerin bereits durch Telefax-Schreiben vom 21.12.2016 übermittelt habe (Anlage H 1 - Bl. 220 d.A.).
Die Antragstellerin hat das Eilverfahren insgesamt für erledigt erklärt und dargelegt, sie habe von der Antragsgegnerin vorgerichtlich weder das Telefax noch das Original der Unterlassungserklärung erhalten. Zur Glaubhaftmachung hat die Antragstellerin auf das Faxjournal ihres Telefaxanschlusses vom 19. - 22.12.2016, auf die eidesstattliche Versicherung ihrer Mitarbeiterin sowie auf einen Schriftsatz verwiesen, den der Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegnerin im Namen der Herstellerin des Produkts an sie gesandt habe (Anlagen A 14 - A 16).
II. Nachdem die Antragsgegnerin der Erledigungserklärung der Antragstellerin innerhalb der ihr gem. § 91a I 2 ZPO gesetzten Notfrist von 2 Wochen nicht widersprochen hat, war gem. § 91a I 1 ZPO nur noch über die Kosten des Eilverfahrens zu entscheiden. Diese fallen der Antragsgegnerin zur Last, weil sie ohne die Unterlassungserklärung vom 21.12.2016, die dem Antragsteller erst mit Telefax des Gerichts vom 27.2.2017 übermittelt wo...